"Diese Gerland-Aussage war schon hart"

"Diese Gerland-Aussage war schon hart"
"Diese Gerland-Aussage war schon hart"

Michael Stegmayer spielte einst in der Jugend des FC Bayern und dann bei den Amateuren der Münchner.

Sein Trainer in der zweiten Mannschaft des Rekordmeisters war dort von 2004 bis 2006 Hermann Gerland. Ab und zu durfte Stegmayer auch bei den Profis mittrainieren. Deren Chefcoach hieß damals Felix Magath. Der Abwehrspieler durchlief eine harte Schule.

2016 beendete Stegmayer seine aktive Laufbahn bei Darmstadt 98 und übernahm anschließend im Verein den Posten des Teammanagers. Vor dem Topspiel der Lilien am Samstag bei Hansa Rostock (ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) spricht der 37-Jährige im SPORT1-Interview unter anderem über seine Zeit bei den Bayern, Gerland und eine FCB-Legende.

SPORT1: Herr Stegmayer, Sie haben bei den Bayern-Amateuren unter Hermann Gerland gespielt. Wie war die Zeit mit dem Tiger?

Michael Stegmayer: Sagen wir mal so: es war nicht immer einfach. Ich kam damals als Jugendnationalspieler von der U19 hoch zur zweiten Mannschaft des FC Bayern, wir hatten gerade die EM gespielt. Mit der U19 wurden wir Deutscher Meister. Als 19-jähriger Kerl kommst du dann erstmal dahin und denkst dir ‚So schlecht bin ich ja gar nicht!‘ Dann stehst du vor Hermann Gerland und er nordet dich erstmal ein von wegen ‚Du hast noch gar nichts erreicht, du musst dich erstmal wieder beweisen. Jetzt geht‘s erst richtig los.‘ In meiner ersten Saison unter ihm durfte ich einmal pro Woche immer noch zusätzlich Läufe machen, um einen besseren Fitness-Zustand zu bekommen. Die zwei Jahre beim Tiger waren eine sehr schwierige, aber lehrreiche Zeit. Es war eine ideale Vorbereitung auf den Herrenbereich.

SPORT1: Gab es mal Zoff mit Gerland?

Stegmayer: Es war keine leichte Zeit unter Gerland, weil ich als junger Spieler mit dieser Art und seinen Sprüchen nicht so klar gekommen bin. Aber alles in allem war es schon schön bei den Bayern. Als mein Wechsel nach Wolfsburg öffentlich wurde, konnte ich das mit Gerland etwas lockerer sehen. Und mittlerweile komme ich richtig gut mit ihm klar.

Geburtstagsparty ohne Gerland

SPORT1: Konnte Gerland auch ein Freund für die Spieler sein?

Stegmayer: Auf Geburtstagspartys der Spieler wurde er damals nicht eingeladen. (lacht) Aber er war definitiv eine Respektsperson mit einem großen Fußballsachverstand, der sehr prinzipientreu war und einen großen Wert auf Disziplin gelegt hat.

SPORT1: Fällt Ihnen eine Anekdote aus dieser Zeit ein?

Stegmayer: In der Vorbereitung auf meine zweite Saison bei Bayern II waren wir in Österreich im Trainingslager. Von meinem damaligen Kollegen José Ortiz und mir waren die Laktatwerte nicht ganz so, wie sich Gerland das vorgestellt hatte. Und er polterte danach nur „Wie soll ich mit solchen Spielern Spiele gewinnen?“ Er wollte uns zwar damit etwas kitzeln, um mehr zu tun, aber diese Aussage war schon hart. Zum Ende des Trainingslagers hatten wir ein Testspiel und ich wurde zur Halbzeit eingewechselt. 15 Minuten später nahm mich Gerland wieder raus. Ohne einen wirklichen Grund. Es gibt noch eine Geschichte ...

SPORT1: Erzählen Sie ...

Stegmayer: Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Senioren-Pflichtspiel mit den Bayern-Amateuren im Grünwalderstadion: Hermann Gerland war in der 1. Hälfte mit dem Linksverteidiger nicht ganz so zufrieden und hat mich dann in der 25. Minute mit den Worten „Stegmayer, mach dich warm“, losgeschickt. Daraufhin habe ich mich zwei Minuten warm gemacht, er rief mich nach zwei Minuten dann zu sich, um mich einzuwechseln. Dann ging er mit mir zur Mittellinie und meinte „Stegmayer, ich warne dich, mach mich nicht verrückt.“ Das hatte ich auch nicht vor, aber das war schon vor meinem ersten Pflichtspiel die richtige Botschaft. Rückblickend kann ich diese Maßnahmen gut einordnen.

SPORT1: Sie haben in den Anfängen unter anderem mit Bastian Schweinsteiger, Piotr Trochowski, Roque Santa Cruz zusammengespielt. Wie war das?

Stegmayer: Man muss da auch die Zeit im Jugendhaus mit einbeziehen. Da hatten alle Jungs ein ordentliches Niveau. Und bei einem Trochowski konnte man damals schon sehen, dass er außergewöhnliche Fähigkeiten hatte. Man konnte ihn einfach nicht verteidigen, weil er links wie rechts einen unglaublichen Schuss hatte und extrem flexibel war. Auch Michael Rensing war damals schon ein außergewöhnlicher Torwart. Und Schweinsteiger und Lahm waren natürlich extrem stark.

Stegmayer: „Habe als kleiner Junge in Bayern-Bettwäsche geschlafen“

SPORT1: Seit David Alaba kam in der Vergangenheit wenig nach. Alphonso Davies und Jamal Musiala waren zuletzt die Ausnahme. Woran liegt das?

Stegmayer: Ich habe als kleiner Junge in Bayern-Bettwäsche geschlafen und verfolge die Arbeit dort deswegen weiterhin genau. Ich bin immer noch Bayern-Fan. Mit Blick auf die NLZs würde ich es so beschreiben: Als ich in der Jugend des Vereins spielte, gab es zwischen der U15 und U19 zwei, drei Topadressen, was die Jugendarbeit anging. Das war Bayern München, der VfB Stuttgart und Borussia Dortmund. Dann wurde es schon dünn. Vielleicht noch Bayer Leverkusen. Es gab zu meiner Zeit bei den Roten den Luxus, dass ich mir im Jugendhaus aus meinem Zimmer jedes Training der ersten Mannschaft anschauen konnte. Das war natürlich unglaublich. Damals war der Verein schon sehr weit in der Jugendarbeit. Doch die Konkurrenz hat nicht geschlafen. Hier haben die Bayern die Vormachtstellung verloren, weil mittlerweile auch an ganz vielen anderen Standorten hervorragende Arbeit geleistet wird.

SPORT1: Gab es einen Moment im Jugendhaus, über die Sie heute schmunzeln können?

Stegmayer: Damals waren wir 16, 17. Wir wollten unbedingt Fußballprofis werden, waren aber noch Teenager. Im Erdgeschoss gab es einen Fahrradkeller und das Fenster dort war der einzige direkte Zugang zur Säbener Straße, um nicht am Pförtner vorbei zu müssen. Ich kann mich daran erinnern, dass ab und zu der eine oder andere Spieler zu später Stunde angerufen hat, ob jemand das Fenster öffnen könne. Das war aber keiner von den Jungs, die man heute kennt.

SPORT1: Sind Sie mal ausgebüxt?

Stegmayer: (lacht laut) Natürlich nicht. Die Variante Fahrradkeller habe ich wirklich nie benutzt.

SPORT1: Waren Sie ein braver Jungprofi?

Stegmayer: Ich denke schon, es gibt aber eine nette Anekdote von mir. Ich war erst drei Monate in München und es ging zum ersten Mal zum Oktoberfest. Wir waren mit einigen Jungs dort und es gab die Ansage, um 23 Uhr spätestens wieder im Jugendhaus zu sein. Wir hatten zwei, drei Maß Bier getrunken und wollten die vorgegebene Zeit natürlich maximal ausreizen. Das Ende vom Lied war, dass wir nicht rechtzeitig ein Taxi bekamen. Wir waren dann gegen 23.30 Uhr zurück. Das Problem war, dass von 13 Spielern acht zu spät kamen. Und der Ordnungsdienst des FC Bayern hat sehr penibel Buch geführt. Am nächsten Tag kamen wir von der Schule heim und es hing ein Zettel an Eingang „15 Uhr Besprechung mit Jugendleiter Werner Kern!“ Da wussten wir, dass es richtig Ärger gibt. So war es dann auch. Wir bekamen eine Geldstrafe plus die Warnung, dass es im Wiederholungsfall eine Abmahnung gibt. Das hat mich in der Bayern-Jugend geprägt.

SPORT1: Waren Sie eigentlich jemals im Büro von Uli Hoeneß?

Stegmayer: Nein, leider nicht. Der Kontakt als Jugendspieler zu Herrn Hoeneß war natürlich nicht so eng, aber es gab zwei schöne Momente mit ihm. Es hatte in München mal wieder sehr geschneit und die Profis mussten sich für ein Champions-League-Spiel vorbereiten. Es war normal, dass sich alle Jungs aus dem Jugendhaus eine Schippe schnappten und den Platz vom Schnee räumten. Uli Hoeneß kam hinterher zu uns und bedankte sich herzlich. Dass er uns Jugendspielern diese Wertschätzung entgegengebracht hat, hat mich sehr beeindruckt. Es war wirklich eine schöne Geste.

Magath und der Dauer-Muskelkater

SPORT1: Und der zweite Moment?

Stegmayer: Wir spielten im DFB-Pokal mit den Amateuren im Grünwalder Stadion auf schneebedecktem Rasen gegen die Profis von Werder Bremen. An dem Tag kamen Uli Hoeneß und Karl Heinz Rummenigge vor dem Spiel zu uns in die Kabine, gaben jedem die Hand und wünschten uns viel Glück. Das war sehr imposant.

SPORT1: Felix Magath war zu Ihrer Bayern-Zeit der Cheftrainer der Profis, Gerland war Ihr Coach bei den Amateuren. Mehr Strenge ging eigentlich nicht. Wer war der größere Schleifer?

Stegmayer: Zu meiner Bayern-Zeit hatte ich keinen Kontakt zu Magath, aber ich hatte das Vergnügen in Wolfsburg, eine Vorbereitung mit ihm erleben zu dürfen. Gerland war sehr hart, Magath war härter (lacht). Das war schon nochmal eine Stufe mehr.

SPORT1: Was war die härteste Übung unter Magath?

Stegmayer: Ich hatte von Magath einen Dauer-Muskelkater. Dieser verschwand auch nach Tagen nicht. Gefühlt wurden die Einheiten länger und härter. Diesen Muskelkater werde ich niemals vergessen.

SPORT1: In Ihrem ersten Jahr als Profi hatten Sie beim VfL Wolfsburg mit Klaus Augenthaler eine Bayern-Legende als Trainer. Wie denken Sie da zurück?

Stegmayer: Er kannte mich aus der meiner Zeit unter Gerland und wollte mich unbedingt nach Wolfsburg holen. Er schenkte mir von Anfang an das volle Vertrauen, hat mich gefordert und gefördert. Ich konnte mich unter ihm frei entfalten, hatte zwölf Bundesliga-Einsätze und dafür bin ich Augenthaler sehr dankbar.

SPORT1: Seit Sommer 2016 sind Sie Teammanager bei den Lilien. Was macht es für Sie so besonders? (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)

Stegmayer: Die ersten Gespräche fanden 2015 statt, da war ich noch Spieler bei den Lilien. Ich war 31 und dann kam man auf die Idee, ob ich nicht als Teammanager arbeiten möchte. Ich wollte eigentlich noch einige Jahre spielen, aber mich hat das Konzept überzeugt. Und dann ging es relativ schnell. Und ich bekam die Chance in dem Verein, in dem ich meine schönste und erfolgreichste Zeit hatte, den ersten Schritt in die nächste Karriere zu machen. Für mich war deshalb schnell klar, dass ich das machen möchte. Ich wusste am Anfang gar nicht, was ein Teammanager alles macht. Ich glaube, dass ich gerade anfangs in den Bereichen Team-Management und Strukturen rund um die Truppe etwas aufbauen konnte. Die Entwicklung des Vereins ist in den vergangenen Jahren immer weiter gegangen. Dadurch ist mein Aufgabengebiet auch immer größer geworden. Vieles ist rein organisatorisch rund um die Mannschaft, die Planung der Spiele, der Reisen und der jeweiligen Trainingslager. Das sind die Kernaufgaben eines Teammanagers. Während der Pandemie hat sich mein Arbeitspensum aufgrund des Hygiene-Konzepts der DFL deutlich erhöht. Und ich muss immer schauen, dass wir uns in allen Bereichen weiterentwickeln, was die Strukturen und die Abläufe angeht. Auch bin ich ein Bindeglied zwischen dem Trainerteam und dem Funktionsteam. Es ist also eine Menge zu tun und es macht mir riesig Spaß.

SPORT1: Sie müssen viel organisieren. Wie schaut es mit der Aufstiegsparty aus? Wurde der Rathaus-Balkon schon geblockt? (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)

Stegmayer: Da wir in Darmstadt keinen Rathaus-Balkon haben, gibt es für mich hier auch nichts zu organisieren (lacht). Aber im Ernst: Es wäre vermessen, sich jetzt schon mit solchen Szenarien zu beschäftigen. Dafür sind die wöchentlichen Aufgaben in der Liga viel zu herausfordernd. Da muss ich nur auf das kommende Wochenende blicken: Wir treten bei Hansa Rostock an, die zuletzt in Bielefeld gewonnen haben. Dazu ist es ein Samstagabendspiel, wo die Stimmung im Ostseestadion vermutlich noch mal ein Stück lauter als üblich sein wird. Es wird ein ganz hartes Stück Arbeit, weil Rostock uns alles abverlangen wird.