Ex-BVB-Star: “Dann muss Haaland auch gehen“

Flemming Povlsen lebt in Aarhus in Dänemark, doch das Geschehen beim 1. FC Köln und bei Borussia Dortmund verfolgt der 55-Jährige immer noch intensiv.

Von 1987 bis 1989 stürmte der Däne für die Geißböcke, von 1990 bis 1995 für den BVB. 2004 musste Povlsen seine Profikarriere wegen eines Kreuzbandrisses beenden. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Vor dem Spiel der Kölner gegen die Dortmunder (Bundesliga: 1. FC Köln - Borussia Dortmund, So., 19.30 Uhr im LIVETICKER) spricht Povlsen, der inzwischen als Experte für das dänische Fernsehen arbeitet und auch noch dreimal in der Woche die Jungs in seinem Heimatverein Aarhus (zweitgrößte Stadt in Dänemark, d. Red.) trainiert, bei SPORT1 über das Duell seiner Ex-Klubs, Erling Haaland und Steffen Baumgart. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Povlsen: „Am Anfang machte ich nicht die besten Spiele“

SPORT1: Herr Povlsen, lassen Sie uns über den 1. FC Köln und Borussia Dortmund sprechen. Wie schauen Sie auf die Zeit in beiden Klubs zurück?

Povlsen: Ich hatte zwei sehr schöne Etappen in meiner Karriere. Ich kam als junger, unerfahrener Profi nach Köln und konnte mit erfahrenen Spielern wie Paul Steiner, Morten Olsen oder Pierre Littbarski zusammenspielen. Bodo Illgner, Thomas Häßler oder Jürgen Kohler waren auch da - es war eine tolle Truppe. Inmitten dieser Spieler bin ich gewachsen. Am Anfang machte ich nicht die besten Spiele, aber unser Trainer Christoph Daum glaubte an mich, obwohl ich am Anfang wirklich schlecht ausgesehen habe.

Nach vier, fünf Partien konnte ich aber mein Talent zeigen. Daum hatte beim FC als junger Trainer auch seine Chance bekommen. Er hat von der Erfahrung der Mannschaft profitiert, hatte aber seine Ideen und die sind gut rübergekommen. Das Team hat Daum damals geholfen. Wie ich als Spieler gewachsen bin, ist das Daum als Trainer. Es waren zwei sehr schöne Jahre in Köln.

SPORT1: Es waren zwei erfolgreiche Jahre.

Povlsen: Absolut. Im ersten Jahr sind wir Dritter geworden und im zweiten Jahr wurden wir Vizemeister. Da erinnere ich mich noch an das kleine Finale zuhause gegen den FC Bayern. Damals kam der Bundespräsident (Richard von Weizsäcker, d. Red.) und hat uns allen die Hände geschüttelt. Es hat aber nichts geholfen, denn damals waren wir noch zu grün hinter den Ohren, um die Meisterschaft zu gewinnen. (lacht)

SPORT1: Wie war es beim BVB?

Povlsen: Das war auch eine schöne Erfahrung. Der Verein hatte in den Jahren zuvor nie um die Meisterschaft gespielt. Als ich nach Dortmund kam, war das eine Mannschaft aus unerfahrenen Spielern. Aber es gab ein gutes Mannschaftsgefüge und so konnten wir in den kommenden Jahren immer mehr zusammenwachsen. Mit dem tollen Publikum im Rücken, aber auch dank unseres Trainers Ottmar Hitzfeld. Wir konnten uns jedes Jahr steigern und es war ein unglaubliches Gefühl, diese Entwicklung mitzumachen. Dass ich später aufhören musste, tat richtig weh.

„Dank Baumgart glauben sie in Köln wieder an den Erfolg“

SPORT1: Wie bewerten Sie heute die Geißböcke?

Povlsen: Das ist in dieser Spielzeit die Überraschungsmannschaft in der Bundesliga. Ihr Trainer ist ruhig, humorvoll, aber auch euphorisch und ganz bei seinem Team. Er passt super nach Köln, kommt beim Team und in der Liga gut rüber. Seine Ideen haben gefruchtet und die Kölner leben davon, etwas unterschätzt zu werden. Und sie bestehen so ganz gut. Ich denke da an das Spiel in Leverkusen, da hatte der FC nicht so viele Chancen, aber am Ende gewann man 1:0. Das war typisch für den FC. Auch, wenn es nicht so gut aussah, ist es am Ende gut ausgegangen. Dank Baumgart glauben sie in Köln wieder an den Erfolg. Sie können in dieser Runde von der Begeisterung profitieren.

SPORT1: Kann man Baumgart mit dem jungen Christoph Daum vergleichen?

Povlsen: Von der Emotionalität her mit Sicherheit, aber Daum hatte damals seine erste Profistation beim FC, Baumgart hat ja schon einige Vereine trainiert. Daum fing gleich bei einem großen Klub an. Das war eine echte Herausforderung für ihn. Der Druck damals war enorm und er wurde nicht kleiner, denn Udo Lattek war auch da. Das waren andere Zeiten, aber Daum hat sich gut geschlagen. Und Baumgart hat das große Plus, dass seine ehrliche Art gut ankommt bei den Kölnern und dass er weiß, wie man mit den Medien umgeht.

Povlsen über Meisterchance des BVB: „Das ist schon kurios“

SPORT1: Wie beurteilen Sie den aktuellen BVB?

Povlsen: Das Gute an den Dortmundern ist, dass sie immer noch Zweiter sind und eine Chance auf den Titel haben. Obwohl sie eine mäßige Saison spielen. Erst das frühe Pokal-Aus, dann das Aus in Europa, doch durch die (vor dem Union-Spiel, Anm. d. Red.) schwächelnden Bayern ist für den BVB noch alles drin. Das ist schon kurios. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

SPORT1: Es gab auch Verletzungspech.

Povlsen: Das stimmt. Vor allem bei Erling Haaland. Das hat den BVB viele Punkte gekostet. Ich hoffe, dass er jetzt wieder zurückkommt und seine Tore machen wird. Was zudem gestört hat, waren die ständigen Spekulationen um einen Wechsel von ihm. Das hat den Dortmundern sicher auch geschadet, es gab nie Ruhe um Haaland. Das hat sich bestimmt auch auf das Team übertragen. Von daher waren die Leistungen nicht immer top. Schließlich geriet auch Marco Rose (BVB-Trainer, d. Red.) in die Kritik. Es gab einfach zu viel Hektik um den Verein herum. Und dennoch können sie noch Meister werden, weil die Bayern auch keine Über-Saison spielen. Das überrascht mich.

SPORT1: Wie sehen Sie Rose? Manch einer dachte, mit ihm einen zweiten Klopp gefunden zu haben.

Povlsen: Die Hoffnung war groß, dass er das, was er in Gladbach geleistet hat, nun in Dortmund wiederholen würde. Auch, weil er ein ganz anderer Typ ist als Lucien Favre. Doch die Ergebnisse haben Rose noch nicht in die Herzen der Fans gebracht.

Povlsen: „Die Bundesliga liegt Haaland mehr“

SPORT1: Manchester City gilt als Favorit auf die Verpflichtung von Dortmunds Stürmerstar Haaland. BVB-Berater Matthias Sammer sprach kürzlich erstaunlich offen über die Kombination des Norwegers und Pep Guardiola. Wäre Manchester City der logische nächste Schritt für Haaland?

Povlsen: Schwierige Frage. ManCity ist ein Verein, bei dem viele Torchancen rausgespielt werden, aber mit sehr vielen Pässen innerhalb der Mannschaft. Und man muss als Stürmer im gegnerischen Strafraum sehr geduldig sein. Die Bundesliga liegt Haaland sehr, da gibt es viele Räume und er kann seine Schnelligkeit über längere Strecken ausspielen. Das sieht bei ManCity anders aus. Dort würde er auf körperlich robuste Abwehrreihen treffen und könnte sich auch gut weiterentwickeln, sein Spiel auf engstem Raum noch besser machen. Dass er Tore schießen kann, ist kein Geheimnis. Die wird er auch bei ManCity machen.

SPORT1: Das klingt so, als wenn Sie Haaland raten würden, noch ein Jahr beim BVB zu bleiben.

Povlsen: Nein. Er hat seine Leistung in Dortmund gezeigt und für ihn ist es mental am besten, im Sommer weiterzuziehen. Er hat sich im Kopf doch längst für einen Wechsel entschieden. Dann muss Haaland auch gehen. Es war zu viel Rummel um ihn herum und er hat das auch nie dementiert. Die Verlockung war für ihn zu groß.

Povslen: „Dass er dahin will, ist verständlich“

SPORT1: Hätte Haaland sich deutlicher zum BVB bekennen müssen?

Povlsen: Das hätte er tun können, muss er aber nicht. Haaland ist ein Spieler, der das höchste Niveau erreichen will - und er hat das Zeug dazu. Das höchste Niveau ist wahrscheinlich ManCity. Dass er dahin will, ist verständlich. Wenn Real Madrid Kylian Mbappe verpflichtet, dann wird ManCity sicher Haaland holen. Aber die ganzen Spekulationen um ihn herum hätten auch anders laufen können.

SPORT1: Der kölsche Haaland ist Anthony Modeste. Wie denken Sie über ihn?

Povlsen: Ich sehe ihn gerne spielen. Er hat 15 Tore geschossen, das sagt alles über ihn. Er ist körperlich stark, schnell und macht eiskalt seine Buden. Er hat dem FC schon viele Punkte gerettet. Ich verstehe, warum Baumgart auf Modeste steht. Er zahlt das Vertrauen des Trainers mit Toren zurück. So einen Spieler muss man in der Mannschaft haben, um Erfolg zu haben.

SPORT1: Was tippen Sie für das Duell zwischen Köln und Dortmund Sonntag?

Povlsen: Der BVB wird gewinnen. Sie sind einen Tick stärker als der FC. Hut ab vor den Kölnern, aber die Dortmunder müssen weiter ihre Chance auf den Titel wahren.

Alles zur Bundesliga bei SPORT1: