Wie ein Tennis-Star am Druck zerbrach

Wie ein Tennis-Star am Druck zerbrach
Wie ein Tennis-Star am Druck zerbrach

Ein introvertierter Spieler war Mardy Fish nie.

Wutausbrüche, die einen kaputten Schläger zur Folge hatten, waren ebenso keine Seltenheit wie Diskussionen mit Gegnern oder Schiedsrichtern. Und auch beim Jubel nach Siegen ließ der ehemalige Tennisprofi immer wieder seinen Emotionen freien Lauf.

Doch was die Zuschauer von außen nicht sahen: Im Kopf des Stars spukten Dämonen. (Alles Wichtige zum Tennis)

Fish: Federer-Duell als große Wende

Deshalb wollte Fish auch im Herbst 2011 nicht mehr vor die Fans treten.

Er saß im Auto und befand sich auf dem Weg zum Viertrunden-Duell mit Superstar Roger Federer. Fish war die große Hoffnung der USA bei den heimischen US Open in New York.

Alle Hoffnungen der Amerikaner ruhten auf den Schultern des Mannes, der die Weltspitze in den Monaten zuvor erreicht hatte.

Immerhin wollten die Fans nach den längst abgetretenen Stars wie Andre Agassi, Pete Sampras oder John McEnroe wieder einen Champion aus ihren Reihen sehen.

Fish realisierte dies. Und konnte mit diesem Druck nicht leben.

Herzrasen, Tränen und Angst machten sich breit. Seine Frau Stacey Gardner zog schließlich die verbale Notbremse. „Ich hatte nur noch Angst um sein Wohlergehen. Ich nahm seine Hand und sagte ihm: Du musst nicht spielen“, sagte sie in der Netflix-Dokumentation „Untold: Breaking Point“.

Fish: „Leben war die Hölle“

Das tat Fish dann auch nicht. Er ließ den Höhepunkt seiner Karriere sausen und die mehr als 20.000 Fans im Arthur Ashe Stadium zurück.

„Ich bin zusammengebrochen, vor allen“, erinnerte er sich an diese Szenen. „Tennis wurde mir komplett weggenommen.“

Er zog sich komplett zurück. Fast ein Jahr lang verließ er sein Haus nicht. „Mein Leben war die Hölle. Ich wollte mich nur in einem dunklen Raum einschließen und niemanden sehen“, gab Fish in der Doku offen zu.

Zu Turnieren trat er kaum noch an. Die einstige Nummer sieben der Weltrangliste meldete nur noch bei einem Grand Slam vor dem Karriereende.

Fish besiegte Dämonen

2015 bestritt Fish ausgerechnet bei den US Open sein letztes Match. „Es ging dabei nicht ums Gewinnen. Ich wollte zurück, um die Dämonen zu besiegen, die mir alles in meinem Leben weggenommen und mein Leben für immer verändert haben.“

Dabei ist der zweifache Familienvater heute noch gezeichnet. Immer noch „ist es ein täglicher Kampf“, sagt Fish. „Aber ich gewinne ihn, jeden Tag.“

Doch wie kam es so weit, dass Fish in so starken Angstzuständen und Depressionen endete?

Jahrelang hatte er im Schatten von Andy Roddick gestanden und fungierte vor allem als Freund und Begleiter. Fish lebte ein unbeschwertes Profileben. Bis 2009 schaffte er es auf Rang 17 als besten Wert. (DATEN: Kalender der ATP-Saison 2021)

Fish trat nach 2009 aus Roddick-Schatten

Der Amerikaner lebte entspannt: „Ich war glücklich darüber, Tennisprofi zu sein. Zu reisen. Zeit mit Freunden zu verbringen. Essen und trinken zu können, was ich will.“

Doch dann realisierte Fish: Um ganz nach oben zu kommen, musste er größerem Ehregeiz investieren. Er versuchte es - mit zwiespältigen Folgen.

Mit 28 Jahren kaufte er sich eine Sauerstoffkammer. Darin schlief er und befand sich auch tagsüber oft darin. Es sollte seine Kondition steigern. Er nahm stark ab. Von 92 auf 78 Kilogramm ging es in nur zwei Monaten runter. Zudem schraubte er sein Trainingspensum deutlich nach oben.

Die harte Arbeit hatte Erfolg: Er spielte sich in der Rangliste auf Rang sieben hoch, überholte Roddick und wurde die Nummer eins der USA. (DATEN - ATP: Aktuelle Tennis-Weltrangliste der Herren)

Fish will Menschen aufklären

Fish spürte aber im Rampenlicht den Druck. So wachte der Star eines Nachts mit 240 Herzschlägen in der Minute auf und kam in die Notaufnahme. Er wurde operiert, aber die Ursache war psychosomatisch und wurde damit nicht behandelt: Angststörungen.

„Nach der Operation hatte ich erstmals diese unangenehmen Gedanken, konnte sie aber nicht einordnen“, sagt er.

In den USA war ihm in seinem Leben zuvor eingetrichtert worden, dass man keine Schwäche zeigen darf. Der offene Umgang von Sportstars wie Simone Biles und Naomi Osaka mit ihren psychischen Problemen trieb zuletzt schon die Diskussion über die Nachteile dieser Denkweise voran. Fish will seinen Teil zum Wandel beitragen.

„Aufklärung ist wirklich das Wichtigste“, sagte Fish - seit 2019 Trainer des US-Davis-Cup-Teams - der New York Times. „Zu versuchen, Menschen zu erreichen, die noch nie etwas von psychischer Gesundheit gehört haben oder Probleme damit hatten.“

In der Presse wird Fish dafür gefeiert. Die ESPN schrieb: „Tennisstar Mardy Fish inspiriert in ‚Untold‘ mit seiner Offenheit über psychische Gesundheit.“