"Kein gutes Zeichen, wenn man sich von so einem Mann trennt"

"Kein gutes Zeichen, wenn man sich von so einem Mann trennt"
"Kein gutes Zeichen, wenn man sich von so einem Mann trennt"

Es weht wie in den vergangenen Jahren eine steife Briese am Weserstrand. Nur dieses Mal schon vor der neuen Saison.

Mit der Verpflichtung des neuen Trainers Markus Anfang war die Welt bei Werder Bremen zuletzt erstmal wieder in Ordnung. So ganz verschwunden ist der Abstiegsschmerz aber immer noch nicht. Am Dienstag nun haben die Verantwortlichen eine weitere Entscheidung getroffen. Und diese überraschte. (Alles zur 2. Bundesliga)

Der Neuaufbau von Werder Bremen in der 2. Liga findet ohne Thomas Schaaf statt, denn die Grün-Weißen müssen sparen - und die Klub-Legende hat einen dicken Hals. Auch wegen der Art und Weise, wie dieser Beschluss nach außen kommuniziert wurde.

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"Das kann ich in keiner Weise so stehen lassen", sagte Schaaf der DeichStube nach der Bekanntgabe der Trennung seitens des Klubs: "Es ging in dem Gespräch mit Frank Baumann (Geschäftsführer Sport,d. Red.) gar nicht um die finanzielle Seite. Das war überhaupt kein Thema."

Zuvor war öffentlich geworden, dass für die Vereins-Ikone beim Bundesliga-Absteiger kein Platz mehr ist. Die Hanseaten gaben am Montag den Abschied ihres Technischen Direktors und früheren Meistermachers zum Ablauf seines noch bis Monatsende gültigen Vertrags bekannt. Schaaf hatte Werder vor dem 34. Spieltag der alten Spielzeit übernommen, den Abstieg aber nicht verhindern können.

Ex-Klubboss zeigt Verständnis

"Das ist natürlich keine so schöne Situation. Ich verstehe Thomas, aber auch Frank. Thomas geht es sicher nicht ums Geld. Und Frank muss an den Klub denken", sagt der frühere Klub-Boss Jürgen Born zu SPORT1.

"Ich habe mit beiden zwischen 1999 und 2009 die schönsten zehn Jahre meines Lebens verbracht. Der eine war als Trainer der große Chef außerhalb des Platzes, der andere der eminent wichtige Kapitän auf dem Rasen und dort der Chef."

Der ehemalige Werder-Torwart Dieter Burdenski (1972-1988) kritisiert die Art und Weise der Entscheidung. "Ich denke, die Außendarstellung seitens des Vereins ist diesbezüglich nicht glücklich gewesen, ansonsten ist es ein normaler Vorgang, wenn ein Vertrag mal nicht verlängert wird", sagt der 70-Jährige SPORT1 und führt weiter aus: "Als Unbeteiligter kann man das nicht wirklich beurteilen. Ich könnte jedoch verstehen, dass Thomas Schaaf in der Öffentlichkeit nicht da stehen möchte, als hätte er übertriebene Forderungen gestellt, wenn dies in den Gesprächen keine Rolle gespielt hat."

Posten bleibt unbesetzt

Klar, Baumann muss die Interessen des Vereins im Blick haben. "Aufgrund der wirtschaftlichen Situation und der notwendigen Einsparungen auch im Personalbereich konnten wir Thomas Schaaf leider kein Angebot unterbreiten. Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, jetzt eine Entscheidung zu treffen. Wir werden die Position des Technischen Direktor aus wirtschaftlichen Gründen nicht neu besetzen", erläuterte der 45-Jährige, seit 1999 im Verein, den nicht völlig unerwarteten Beschluss.

Schaaf widersprach dieser Darstellung am Dienstag mit deutlichen Worten: "Ich wäre für viele Dinge sehr offen gewesen, ich kenne doch unsere finanzielle Situation. Wir haben schon längst auf Gehalt verzichtet und Einsparungen vorgenommen. Doch Frank hat nur gesagt, dass er nicht weiß, welches Angebot er mir machen kann."

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Damit endete die einst so vertrauensvolle Zusammenarbeit abrupt.

"Thomas Schaaf hat unglaublich große Verdienste für den Verein erworben", versuchte Baumann die Wogen zu glätten: "Thomas hat in den letzten 40 Jahren als Spieler, Trainer und zuletzt als Technischer Direktor Herausragendes für Werder geleistet, wofür ihm die Werder-Familie für immer dankbar sein wird."

Rolff: "Ich war enttäuscht"

Schöne Worte, doch Wolfgang Rolff, der treue Co-Trainer an der Seite Schaafs, kann da nur den Kopf schütteln. Der 61-Jährige übt bei SPORT1 deutliche Kritik. "Ich war enttäuscht, als ich davon gelesen habe. Wenn man Thomas Schaaf im Verein hat und dann noch über 40 Jahre in verschiedenen Positionen, ist es kein gutes Zeichen, wenn man sich von so einem Mann trennt", sagt Rolff. "Ich finde es nicht gut von Werder. Thomas lebt für den Klub, egal auf welcher Ebene." Werder habe womöglich Angst "einen starken Mann zu haben, der Missstände aufzeigen kann".

Rolff legt den Finger in die Wunde: "In der Vergangenheit hat es keine optimale Verzahnung im Klub gegeben. Florian Kohfeldt war manchmal hilflos und hätte sicher die Hilfe von Thomas beanspruchen wollen. Der neue Trainer wird jetzt wieder alleine gelassen und hat keine Unterstützung. Thomas hat so viel erlebt. Es ist fatal, dass Werder das nicht wahrnimmt."

Schaaf will Fakten richtig dargestellt wissen. Auch die Pressemitteilung von Werder passte Schaaf so gar nicht: "Ich bin nicht beleidigt, dass ich keinen neuen Vertrag bekommen habe. Aber ich will, dass die Fakten richtig dargestellt werden und nicht der Eindruck entsteht, ich hätte irgendwelche übertriebenen und nicht erfüllbaren Gehaltsforderungen", erklärte der 60-Jährige.

Schaaf erklärt finanzielle Situation

"Ja, ich habe ein gutes Gehalt bekommen. Aber das ist nicht vergleichbar mit ähnlichen Positionen bei anderen Klubs. Und wenn es mir wirklich um den wirtschaftlichen Aspekt gegangen wäre, hätte ich das vor drei Jahren gar nicht gemacht. Da lagen mir ganz andere Angebote vor."

Unterstützung bekommt er auch in diesem Punkt von Rolff. "So, wie ich Thomas kenne, geht es ihm nicht ums Geld, sondern um Wertschätzung, wie er die zurückliegenden drei Jahre gearbeitet hat."

Man sei sich eigentlich einig gewesen, den gemeinsamen Weg fortsetzen zu wollen. "Ich hätte das gerne gemacht. Ich habe auch von allen Mitstreitern positive Signale bekommen", führte Schaaf merklich enttäuscht aus.

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Burdenski kann ihn verstehen. "Ich glaube nicht, dass das eine Frage der Fairness ist, wenn man in dieser Situation personell abspeckt", sagt er. Doch der frühere Torwart räumt auch ein: "Es ist sicherlich nicht falsch, in der besonderen Situation den Verein auch personell zu verschlanken.

Schaafs Legenden-Status werde diese Entscheidung jedenfalls keinen Abbruch tun. In den vergangenen drei Jahren hatte er als Technischer Direktor für die Norddeutschen gearbeitet.

Schaaf will nicht in den Aufsichtsrat

"Um mich muss sich keiner Gedanken machen, ich werde bestimmt eine neue Aufgabe bekommen", sagt Schaaf. Dabei schloss er nur eines aus: Einen Posten im Werder-Aufsichtsrat, der im September neu gewählt wird: "Das kommt nicht infrage."

Er hatte nicht nur durch seine Zeit als Profi Legenden-Status an der Weser erreicht, sondern auch durch seine erfolgreiche Arbeit als Trainer.

Als Spieler gewann er mit den Bremern zwei Mal die Meisterschaft und den DFB-Pokal sowie 1992 als Höhepunkt den damaligen Europapokal der Pokalsieger. In seiner 14-jährigen Amtszeit als Trainer feierte der ehemalige U21-Nationalspieler einen Meistertitel und drei Pokalsiege. Nach dem Double 2004 wurde der gebürtige Mannheimer als "Trainer des Jahres" ausgezeichnet.

Born findet versöhnende Worte: "Ich glaube und hoffe, dass hier noch etwas wieder zurechtgebogen werden kann. Ich würde es mir wünschen. Weil Thomas und Frank Freunde von mir sind.“

Auch Burdenski ist guter Dinge. "Ich glaube schon, dass es noch mal ein klärendes Gespräch geben wird. Die Situation so ist für beide Seiten unbefriedigend."