Fünf Gründe, warum Mainz das Feld von hinten aufrollt

Fünf Gründe, warum Mainz das Feld von hinten aufrollt
Fünf Gründe, warum Mainz das Feld von hinten aufrollt

An Weihnachten noch lag der FSV Mainz 05 am Boden. Sportvorstand Rouven Schröder war zurückgetreten und Trainer Jan-Moritz Lichte nach nur sechs Punkten und dem Aus im DFB-Pokal gegen den VfL Bochum gescheitert.

Der Relegationsrang 16 lag vier und das rettende Ufer fünf Punkte entfernt. Eine Wette auf Klassenerhalt hätten wohl nur die Wenigsten abgeschlossen. (Tabelle der Bundesliga)

Exakt zwei Monate später hat sich die Mainzer Welt komplett gedreht. Christian Heidel kehrte auf den Vorstandsposten zurück - und mit ihm die DNA in den Klub. Er installierte mit Martin Schmidt als Sportdirektor und Bo Svensson als Trainer zwei Protagonisten, die den Verein genauestens kennen.

DAZN gratis testen und die Freitags- und Montagsspiele der Bundesliga live & auf Abruf erleben | ANZEIGE

Nach zehn Punkten aus den vergangenen fünf Partien haben die 05er den Klassenerhalt wieder selbst in der Hand. Zwischen dem von Werder Bremen belegten Rang 13 (23 Punkte) und dem Vorletzten Mainz (17) liegen nur noch sechs Punkte, sechs Mannschaften müssen ab sofort wieder mächtig zittern und stehen gewaltig unter Druck. Der FSV rollt das Feld von hinten auf. SPORT1 nennt fünf Gründe.

1.) Heidels Rückkehr hat Euphorie ausgelöst

Rückblick: Rouven Schröder hat bei Mainz 05 im Sommer 2016 ein schweres Erbe übernommen und die Geschicke nach dem Wechsel von Christian Heidel zum FC Schalke 04 jahrelang sehr gut geleitet. Er stärkte seinen Trainern auch in schwierigen Phasen den Rücken, seine Transfers brachten viele Millionen, die den Klub in Corona-Zeiten retten, ein, zudem war er stets mit Herzblut dabei. Nachdem Schröders Arbeit auch in Gladbach oder Hamburg auffiel, wischte er die Gerüchte mit klaren Bekenntnissen frühzeitig weg und ließ überhaupt kein Feuer aufkommen.

Im vergangenen Halbjahr allerdings liefen auch in Mainz einige Dinge schief, der Spielerstreik und das zu lange Festhalten an Ex-Coach Achim Beierlorzer waren in der Gesamtwertung etwas zu viel. So kam mit Heidel, der sich eine weitere Zusammenarbeit mit Schröder hätte vorstellen können, der bei den Fans gefeierte “Don” an Weihnachten zurück an den Rhein.

Er kündigte bei SPORT1 an: "Bei mir weiß jeder, dass ich in dieser Stadt geboren bin, über 50 Jahre hier gelebt habe, und im Endeffekt ja fast jeden persönlich kenne. Das konnte man von den Leuten anschließend ja gar nicht erwarten. Jetzt ist vielleicht so ein bisschen der Glaube da: 'Es war früher ja alles recht erfolgreich. Das klappt jetzt alles wieder.'"

Heidel müsse da zwar bremsen, schließlich könne er keine Tore schießen: "Aber ich glaube, wir haben hinbekommen, dass jetzt wieder mehr gemeinsam gesprochen und gemeinsam gehandelt wird. Denn nur so hast du im Abstiegskampf eine Chance."

Wagenburgmentalität also im Kampf um den Verbleib in Bundesliga eins. Das Umfeld jedenfalls ist wieder wachgeküsst und die Mannschaft liefert Ergebnisse. Heidel kann zwar keine Treffer auf dem grünen Rasen erzielen, doch kluge Entscheidungen im Hintergrund treffen.

2.) Bo Svensson zeigt seine Qualität

Eine davon war die Installation des neuen Trainers. Martin Schmidt schwärmte zuletzt im Gespräch mit SPORT1 von Bo Svensson: "Wenn ich ihn auf dem Trainingsplatz sehe, dann sehe ich Züge von seinen Vorgängern Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel." Svensson, der vom FC Liefering nach Mainz zurückkehrte und mit einem Vertrag bis 2024 ausgestattet wurde, hat sofort das Ruder in die Hand genommen.

DAZN gratis testen und die Freitags- und Montagsspiele der Bundesliga live & auf Abruf erleben | ANZEIGE

Stammspieler wie Jean-Paul Boetius, Daniel Brosinki oder Levin Öztunali rückten Stück für Stück ins zweite Glied, dafür sind Philipp Mwene und Adam Szalai plötzlich (wieder) wichtig. Svensson studierte ein 3-5-2-System ein und ließ sich auch nach einem Stotterstart mit nur einem Punkt aus drei Partien nicht aus der Ruhe bringen. In der Vorrunde noch wechselte Ex-Coach Lichte zwischen vier Grundordnung hin und her, das Team konnte sich so zu keinem Zeitpunkt finden und einspielen.

Unter Svensson hingegen ist eine klare Linie erkennbar. Nach zehn Punkten aus den vergangenen fünf Spielen kitzelt er das Team sofort weiter: "Inhaltlich, fußballerisch müssen wir einige Dinge besser machen, das steht fest." Mit verständlichen Analysen, Struktur und deutlicher Ansprache hat er den Umschwung eingeleitet. Heidel sah in dem Dänen schon in Anfangszeiten das Potenzial dafür, irgendwann eine Mannschaft mit Champions-League-Potenzial trainieren zu können. Die ersten Eindrücke unterstreichen diese Aussichten.

3.) Die Rückkehr von Stefan Bell

"Wir sind im Moment mental stabil", zitierte die Allgemeine Zeitung Stefan Bell. Svensson dachte bei seiner Rückkehr sofort an seinen früheren Mitspieler, der bei den Vorgängern keine Rolle mehr spielte. Bell ist ein äußerst intelligenter, sich selbst reflektierender Profi, der der Abwehr enorme Sicherheit verleiht und für Mainz 05 steht. Der 29-Jährige weiß, wie sich Abstiegskampf anfühlt und welche Qualitäten zu Rettung benötigt werden. Natürlich unterlaufen auch Bell Patzer, sein Spiel kann durchaus als "konservativ" ausgelegt werden.

Doch die Mentalität ist ein wichtiger Faktor bei der Rückkehr der Mainzer DNA. "Ich bin froh, dass ich wieder dabei bin. Es hilft uns vielleicht schon, wenn jemand reinkommt, der schon viel Erfahrung gesammelt hat", sagte Bell zuletzt. Der Defensivmann strahlt Ruhe aus und hält die Dreierkette im Verbund mit Moussa Niakhaté und Jeremiah St. Juste erfolgreich zusammen. Zwölf Gegentore in acht Partien sind insgesamt zwar noch immer etwas zu viel, doch der Schnitt wurde somit von zuvor durchschnittlich 2,2 auf 1,5 Gegentreffer gesenkt.

"Es geht in die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht am Ziel. Ich bin ganz zufrieden, wie wir verteidigen. Die Entwicklung muss aber dahin gehen, dass wir höher angreifen", forderte Svensson auf SPORT1-Nachfrage. Dennoch stimmt die Tendenz – auch dank Bell.

4.) Heidels kluger Schachzug mit Martin Schmidt

Kann Schmidt tatsächlich Sportdirektor? Der Schweizer hat die Trainerkarriere beendet und sich ganz bewusst für diesen Schritt entschieden. Schmidt erklärte zuletzt bei SPORT1: "Ich habe mich schon bei meinen Trainertätigkeiten für das große Ganze bei einem Verein interessiert. Als Trainer bist du in der täglichen Arbeit aber so tief drin, dass du dich kaum um andere Dinge kümmern kannst. Nach dem Aus in Augsburg wollte ich mich neu aufstellen und andere Wege gehen.” Unter Heidel, den er als “besten Lehrmeister” bezeichnet, will er reifen.

Schmidt konnte sofort Impulse auf dem Transfermarkt setzen. Vor allem der Abgang von Jean-Philippe Mateta, den es in die Premier League zog, war ein Schlüssel, der Toptorjäger wollte unbedingt wechseln. Mit diesem frischen Geld konnten finanzielle Lücken geschlossen und noch ein Mentalitätsspieler wie Robert Glatzel geholt werden. Zuvor gelang Schmidt bereits mit dem Leihspielerduo Danny da Kohr und Dominik Kohr ein Coup. Er wünscht sich, die “Hoffnungsträger” bei Klassenerhalt auch über den Sommer hinaus fest von Eintracht Frankfurt verpflichten zu können.

5.) Die Neuzugänge haben die nötige Mentalität reingebracht

Individuell gesehen hat der Kader von Mainz mit Moussa Niakhaté, Jeremiah St. Juste oder Jean-Philippe Mateta auch schon im Sommer die nötige Qualität für den Klassenerhalt gehabt. Doch irgendetwas hat gefehlt, ein Klebstoff, der das Team zusammenhält.

Dieser kam im Winter in Form von da Costa, Kohr und Glatzel hinzu. Vor allem das Duo aus Frankfurt hat Mainz enorm weitergebracht.

"Danny da Costa und Dominik Kohr sind zwei Typen, die zu Mainz wie der Deckel auf den Topf passen. Sie bringen die Emotionalität und Mentalität mit, die Mainz guttut. Die beiden schmeißen alles rein und kämpfen bis zum Umfallen", erklärte Schmidt. In dieser Verfassung jedenfalls sind die wiederbelebten Mainzer für die Partien gegen Gegner auf Augenhöhe und den noch anstehenden Marathon bis zum Mai gerüstet.