Faktencheck: Sucharit Bhakdi verbreitet in Video Falschaussagen
Eine Videobotschaft des deutschen Mikrobiologen Sucharit Bhakdi an Demonstrationsteilnehmer in der ƶsterreichischen Hauptstadt Wien wird auch auf Facebook viel geteilt (hier archiviert). Bhakdi stellt in dem Video diverse Behauptungen zum Coronavirus auf: Es sei zum Beispiel āunwahr, dass die Pandemie noch da istā. Die WHO habe ihre Definition von Corona-Infektionen geƤndert und es gebe keine Ansteckungen durch sogenannte asymptomatische Infizierte, die keine Symptome entwickeln. Durch Impfungen gegen Covid-19 seien Menschen gestorben.
Bewertung: Die Aussagen sind falsch oder unbelegt: Die WHO setzt weiter auf PCR-Tests und nutzt die so ermittelten Fallzahlen. Studien betonen die Gefahr der Ansteckung durch asymptomatische Infizierte. Ćber Tote durch Impfungen gibt es keine glaubhaften Berichte.
Fakten: Bhakdi behauptet zum Beispiel: āEs ist unwahr, dass die Pandemie noch da istā. Die Definition von Covid-19-FƤllen sei ānicht offiziell, aber inoffiziell geƤndertā worden. Als Beleg nennt er Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO vom 20. Januar 2021.
An diesem Tag hatte die WHO eine Informationsnotiz veröffentlicht, die sich an Laborpersonal richtet und anmahnt, bei den in der Corona-Pandemie zur Diagnostik eingesetzten PCR-Tests genau die Gebrauchsanweisungen zu beachten. Unter anderem erinnert die WHO daran, dass der sogenannte Ct-Wert bei Tests umgekehrt proportional zur Viruslast des Getesteten ist. Der Wert gibt die Testzyklen an, die nötig sind, um Virus-RNA zu reproduzieren und damit zu erkennen. Zudem rät die WHO, dass neue Tests durchgeführt werden sollten, wenn ein erstes Ergebnis nicht zum klinischen Bild, also zu den Symptomen des Patienten passt. Generell müssten bei einer Diagnose auch immer andere Faktoren wie etwa Symptome berücksichtigt werden.
Bhakdi nennt keines dieser Details, schlussfolgert jedoch bezogen auf die zumeist per PCR-Test ermittelten Fallzahlen: āDamit fallen alle diese Zahlen, mit denen man Sie peinigt, zusammen wie ein Kartenhausā. Er unterstellt, dass der Test fehlerhaft sei und Menschen ohne Symptome nicht infiziert sein kƶnnten. Bhakdi kommt zu dem Schluss: āEs gibt keine asymptomatische Ćbertragung der Erkrankung Covid-19ā.
WHO hƤlt an PCR-Testung fest
Diese Argumentation enthƤlt jedoch mehrere Fehler. Richtig ist zwar, dass die WHO zur Diagnose von Covid-19 empfohlen hat, nicht allein ein positives Testergebnis heranzuziehen. An der Aussagekraft der PCR-Methode hat die Organisation jedoch keine Zweifel, wie sie auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur erlƤutert: āWir mƶchten bekrƤftigen, dass wir ordnungsgemäà verwendete PCR-Tests für ein hochverlƤssliches Instrument zur Diagnose von Covid-19 haltenā.
Hintergrund der Notiz sind demnach zehn Berichte an die WHO über Probleme mit Sars-CoV-2-PCR-Tests seit Anfang 2020. Dabei sei es sowohl um falsch-positive als auch falsch-negative Ergebnisse gegangen, teilte die WHO mit. Eine Untersuchung habe ergeben, dass die Tests dabei nicht immer ordnungsgemäà und den Herstellervorgaben entsprechend genutzt worden seien. Konkret sei es um falsch verwendete Schwellenwerte bei den Testzyklen gegangen.
Hinweise auf massenhaft falsche Testergebnisse oder eine verringerte Aussagekraft der PCR-Methode enthƤlt die Notiz hingegen nicht. Die WHO gibt auf ihrem Covid-19-Dashboard auch weiterhin die vom deutschen Robert Koch-Institut offiziell verzeichneten Zahlen der zumeist mittels PCR-Tests erkannten Neuinfektionen an. Am 3. Februar 2020 waren es 6114, was dem aktuellen RKI-Lagebericht entsprach.
US-Studie sieht hohen Anteil asymptomatischer Ćbertragungen
Darüber hinaus stimmt Bhakdis pauschale Schlussfolgerung, es gebe ākeine asymptomatische Ćbertragung der Erkrankung Covid-19ā, nicht mit der derzeitigen Forschung überein. Denn es gibt dazu keinen abschlieĆenden Stand, sondern sich widersprechende Studien. So fand eine Untersuchung im chinesischen Wuhan tatsƤchlich keine Hinweise auf Ćbertragungen von positiv Getesteten ohne Symptome auf nachverfolgbare enge Kontaktpersonen. Dafür waren die Testergebnisse von Millionen Menschen aus dem Frühsommer 2020 berücksichtigt worden.
Eine Anfang Januar 2021 verƶffentlichte Studie der US-Seuchenschutzbehƶrde CDC hingegen kommt zu dem Ergebnis, dass 30 Prozent aller Infizierten zwar keinerlei Symptome entwickeln, aber dennoch ansteckend sein kƶnnen. Der Studie zufolge kƶnnten sie allein für 24 Prozent aller Ćbertragungen verantwortlich sein.
Hinzu kommen Menschen, die andere infizieren, bevor sie selbst Symptome entwickeln (āprƤsymptomatischā) - in der US-Studie werden sie mit rund 35 Prozent aller Ansteckungen in Verbindung gebracht. Die Autoren schlussfolgern, dass die Identifizierung und Isolierung von Infizierten mit Symptomen nicht ausreiche, um die Ausbreitung des Virus zu kontrollieren. Das RKI schreibt unter Verweis auf Studien aus dem Frühjahr 2020 über prƤsymptomatische Infizierte, dass sich bei ihnen ein ārelevanter Anteil von Personenā anstecke.
Bisher keine bestƤtigten TodesfƤlle durch Impfung
Eine weitere Behauptung Bhakdis dreht sich um das Thema Corona-Impfung. So sagt er wƶrtlich: āDiese Impfung ist brandgefƤhrlich. Es sind Menschen zu Tode gekommen, auch junge Menschen, durch die Impfung.ā Das werde versteckt und verdeckt.
Seit die Impfungen gegen das Coronavirus in vielen LƤndern begonnen haben, kursieren in den sozialen Medien Behauptungen, Impfstoffe hƤtten bereits TodesfƤlle verursacht. Zwar gibt es in mehreren LƤndern Untersuchungen zu TodesfƤllen in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen. Unter allen FƤllen, denen dpa-Faktencheck bis zum 3. Februar 2021 nachgegangen ist, gibt es jedoch keinen, bei dem Behƶrden eine Corona-Impfung als Todesursache hƤtten bestƤtigen kƶnnen (Beispiele hier, hier und hier).
Bhakdi selbst nennt keine konkreten Fälle - seine Aussagen lassen sich daher nicht überprüfen. Im Dezember hatte Bhakdi allerdings bereits falsche Zahlen zu Nebenwirkungen von Corona-Impfungen verbreitet.
Video: WHO will Fokus auf Corona-Langzeitfolgen legen