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Favre: Alles oder Nichts

So kannte man Lucien Favre bisher gar nicht. Der 62-jährige Schweizer hält sich mit forschen Tönen für gewöhnlich zurück. Seit gestern aber geht er in die Vollen: „Ich kann sagen: Wir wollen den Pokal gewinnen!“, hat der BVB-Trainer vor dem DFB-Pokal-Hit heute Abend beim MSV Duisburg (20.45 Uhr/Sky und ARD) mit breiter Brust verkündet. „In den letzten zwei Jahren waren wir in diesem Wettbewerb nicht gut, das müssen wir akzeptieren und besser machen.“

Nach zwei Vize-Meisterschaften sowie je zwei Achtelfinal-Knockouts in Champions League und DFB-Pokal will es Favre in diesem Jahr allen zeigen. Die öffentliche Kritik, mit dem BVB keine Titel gewinnen zu können, nagt durchaus am detailverliebten Taktik-Tüftler. „Das sagt man hier seit Monaten“, hatte er Ende Mai schon angefressen dazu gesagt.

Auffällig: Während die BVB-Bosse um Hans-Joachim Watzke („Wir werden offiziell keine Ziele mehr ausgeben“) sich diesmal mit öffentlichen Zielen zurückhalten, prescht Favre nach vorne. Der Schweizer weiß, dass er nichts zu verlieren hat und geht mit offenem Visier in seine vielleicht letzte Saison. Sein Arbeitspapier läuft im Sommer 2021 aus, einen Termin für Vertragsgespräche gibt es Stand jetzt nicht. Er selbst ahnt, dass ihn nur eine mega-erfolgreiche Saison von einer BVB-Trennung retten kann.

Nach SPORT1-Informationen ist das Erreichen des Pokalfinals in diesem Jahr eines der intern ausgegebenen BVB-Ziele. Die frühen Pokal-Knockouts in den letzten beiden Jahren jeweils gegen Werder Bremen (2:3 und 5:7 n.E.) hängen wie eine schwarze Wolke über dem Dortmunder Rheinlanddamm. „Unser letztes Finale ist jetzt zwei Jahre her“, hatte Sportchef Michael Zorc bereits im Juni im Gespräch mit SPORT1 moniert. „Da müssen wir in der nächsten Saison ein Augenmerk drauf legen. Das sind Spiele, die kannst du nicht revidieren. Dann wäre die Stimmung sicherlich eine andere. Und nebenher kannst du im DFB-Pokal natürlich auch noch Geld verdienen.“ (Michael Zorc über die vergangene Saison)

Die BVB-Verantwortlichen wissen, dass der DFB-Pokal, den man zuletzt vor drei Jahren gewinnen konnte, der Wettbewerb ist, in dem man die Bayern noch am ehesten schlagen kann. „Es bringt nichts, zwei oder drei Runden zu schaffen und dann bist du am Ende doch raus“, weiß auch Favre.

Aus diesem Grund wird es gegen den Drittligisten Duisburg heute Abend keine Rotations-Experimente geben. Hatte im letzten Pokalspiel am 4. Februar in Bremen noch Marwin Hitz zwischen den Pfosten gestanden, wird heute Abend wieder Stammtorwart Roman Bürki auflaufen. Außerdem wird Favre, der in der Vorbereitung stets mit Vierer-Abwehrkette - seinem Lieblingssystem - geübt hat, wohl wieder mit einer Dreierkette spielen. „Ich würde sehr gerne 4-1-4-1 spielen, oder 4-3-3- oder 4-3-2-1“, sagt er, „aber wir müssen uns adaptieren.“

Fehlen werden für heute Abend die seit längerem angeschlagenen Dan-Axel Zagadou (Knie), Mateu Morey (Faserriss), Nico Schulz (Wade) und Marcel Schmelzer (Reha) – der Rest des Teams ist fit. Die Sommer-Zugänge Thomas Meunier und Jude Bellingham werden wohl in der Startelf stehen.

Zu seinem Pflichtspiel-Comeback nach sieben Monaten könnte Marco Reus kommen. Nach überstandenem Sehnenanriss ist der Nationalspieler wieder fit, wird zunächst aber wohl auf der Bank Platz nehmen. „Er hat das sehr gut gemacht zuletzt, es macht Spaß, ihn wieder auf dem Platz zu sehen“, sagt Favre.

Der BVB-Coach weiß, worauf es heute ankommt: „Wir müssen bereit sein. Wir sind jetzt im Pflichtspiel-Modus.“

Neue Töne beim sonst so zaghaften Schweizer.