FC Bayern München: Macht es wie 2012

Die Bayern erleben in Madrid eine bittere Enttäuschung. Vor sechs Jahren zogen sie aus einer ähnlichen Situation die richtigen Schlüsse. Gelingt das erneut, sieht die Zukunft rosig aus. Das Drama von Madrid erhöht aber auch automatisch den Druck auf Niko Kovac.

Real Madrid war dem FC Bayern diesmal noch einen Tick voraus
Real Madrid war dem FC Bayern diesmal noch einen Tick voraus

David Alaba weinte bittere Tränen. Sven Ulreich saß minutenlang auf dem Rasen. Thomas Müller geriet in TV-Interviews mehrmals ins Stocken. Und die verletzten Arjen Robben und Jerome Boateng tätschelten jedem Bayernspieler den Kopf und machten aufmunternde Gesten.

Der Mittwochabend in Madrid hatte für den FC Bayern etwas vom Champions-League-Finale 2012. Es war nicht ganz so dramatisch und am Ende tragisch wie im verlorenen Finale dahoam, aber die Enttäuschung über den verpassten Final-Einzug saß extrem tief. “Finalteilnehmer der Herzen” wird der FC Bayern in den sozialen Netzwerken genannt. Aus Anerkennung, aber sicher überwiegend aus Hohn.

Kommentar: Was den Bayern zum großen Wurf fehlt

Kroos legt den Finger in die Wunde

Der große FC Bayern ist wieder knapp gescheitert; die Duelle mit spanischen Mannschaften in der heißen Phase der Champions League entwickeln sich mehr und mehr zum Trauma für den Klub. Er ist wieder an sich selbst gescheitert, hat zu viele Torchancen vergeben und zu viele individuelle Fehler begangen. Er wurde selbst in den spanischen Medien gefeiert, doch davon können sich die Münchner am allerwenigsten kaufen.

Zu allem Überfluss legte Toni Kroos nach dem Spiel den Finger noch schön in die Wunde. “Wir wussten, dass beide Teams offensiv gut sind, aber nicht immer so gut verteidigen. Wir mussten viel laufen, zu viel hinterher als mit Ball. Wir waren über beide Spiele wahrscheinlich defensiv noch schlechter, aber wir sind weiter, und das zählt. Es braucht ja auch immer die Mannschaft, die es ausnutzt, wenn eine Mannschaft ihre Chancen nicht macht.” Er selbst habe während des Spiels nie Zweifel gehabt, “dass wir ins Finale einziehen”.

So reagiert Ulreich auf seinen Blackout

Fest steht, dass die Bayern noch länger an der verpassten Großchance, ein allenfalls durchschnittliches Real aus dem Wettbewerb zu kegeln, knabbern werden. “Das tut noch in zehn Jahren weh”, meinte Hummels und Müller freut sich schon so richtig auf die nächste Saison: “Das Schlimme ist, dass der ganze Schmarrn wieder von vorne los geht.” Bevor wieder die großen Spiele in der Champions League anstehen, muss erst wieder in der lästigen Gruppenphase malocht werden.

Enttäuschung wich positiver Energie

2012 gelang es dem FC Bayern, die extreme Enttäuschung in positive Energie umzuwandeln. Die Generation Schweinsteiger/Lahm riss sich noch einmal zusammen und feierte ein Jahr später mit dem Triple den totalen Triumph.

Der Erfolg damals ging einher mit neuen Kräften. Matthias Sammer wurde Sportvorstand, Mario Mandzukic Stürmer Nummer eins und Javi Martinez mit 40 Millionen Euro Ablöse bis dato teuerster Einkauf der Vereinsgeschichte. Viel Geld für neue Spieler auszugeben, bedeutet nicht zwangsläufig mehr Erfolg. Manchester City und Paris Saint-Germain scheitern trotz nicht enden wollenden Milliarden-Alimenten seit Jahren kläglich in der Königsklasse.

Man muss Mats Hummels Recht geben, wenn er sagt, dass es erstaunlich war, wie gut sich die Bayern in Madrid schlugen ohne eine Reihe verletzter Spieler. Neuer, Boateng, Vidal, Robben, Coman – da ist noch jede Menge Holz vorhanden. Der FC Bayern wird auch im kommenden Jahr wieder zu den Favoriten auf den CL-Titel zählen. Dafür ist die Qualität schon jetzt vorhanden.

Die Bayern brauchen einen “Killer”

Doch sie brauchen Spieler, die große Gegner in großen Spielen “killen” können. Robert Lewandowski hat dies in seinen vier Jahren beim FC Bayern bislang nicht geschafft. Mit Leon Goretzka und Serge Gnabry haben die Bayern hochtalentierte Spieler bereits an Land gezogen, ein fertiger Star würde ihnen aber sehr gut zu Gesicht stehen. Jemand, der bewiesen hat, dass er in großen Spielen zur Hochform auflaufen kann.

Franck Ribery und Arjen Robben hatten ihren großen Moment 2013, doch ob sich die Bayern einen Gefallen mit der wahrscheinlichen erneuten Vertragsverlängerung getan haben, muss sich erst noch zeigen. Dem neuen Trainer Niko Kovac müsste man es eigentlich ersparen, in seiner ersten Saison in München potentiell unzufriedene Stars zu streicheln, wenn sie mal öfter auf der Bank sitzen. Jupp Heynckes hat das mit seiner Erfahrung grandios gelöst, für Kovac ist das komplettes Neuland.

Kovac verstärkt unter Druck

Das dramatische Scheitern gegen Real färbt auch auf Kovac ab. Die Bayern sind schon jetzt auf Augenhöhe mit den ganz dicken Fischen und den meisten auch überlegen. Das erhöht automatisch den Druck auf den neuen Trainer. Als Pep Guardiola 2013 nach München kam, erwartete man vom Super-Coach nichts anderes als (mindestens) einen weiteren Champions-League-Titel. Guardiola scheiterte dreimal im Halbfinale und ging zu Manchester City.

Mit dem unerfahrenen Kovac gehen die Bayern eine spannende Zeit an. Er weiß, dass er liefern muss. Nach Mittwochabend mehr denn je.