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FC Bayern: ungeschlagen, aber auf Krücken

Arjen Robben verletzte sich gegen den RSC Anderlecht und fällt wohl gegen Gladbach aus
Arjen Robben verletzte sich gegen den RSC Anderlecht und fällt wohl gegen Gladbach aus

Es war ein überwiegend schläfriger Champions-League-Auftritt der Bayern beim 2:1-Erfolg gegen den RSC Anderlecht. Das Gute nach dem Abend in Brüssel: Die Münchner können mit einem hohen Sieg gegen Paris immer noch Gruppensieger werden. Das Schlechte: Mit Thiago und Robben haben sich zwei Schlüsselspieler verletzt und fallen aus. Der Zeitpunkt könnte nicht delikater sein.

Von Patrick Strasser, Brüssel

Dieser Mann, seit ewigen Zeiten für den FC Bayern im Einsatz, kennt kein Alter, negiert seine Rente. Er will und kann einfach nicht aufhören. Wenn man ihn fragt, ist er da. Jung geblieben wie eh und je. Mit wallender, kaum ergrauter Mähne. Rank und schlank, drahtig.

Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, 75 Jahre alt, der einzige Mitarbeiter rund um den Profibetrieb des FC Bayern, der tatsächlich älter ist als Jungbrunnen-Trainer Jupp Heynckes, drei Jahre um genau zu sein. Der reaktivierte Mannschaftsarzt reiste erstmals seit April 2015 mit zu einem Gruppenspiel der Champions League. Dass Müller-Wohlfahrt rund um das 2:1 der Bayern am Mittwochabend beim RSC Anderlecht tatsächlich so viel zu tun haben würde, war eine Ironie des Schicksals. Denn wenn der Mannschaftsarzt gebraucht wird, ist etwas passiert. Mittelfeldspieler Thiago verletzte sich schwer, fällt lange aus. Bei Arjen Robben, ebenfalls vorzeitig ausgewechselt, steht eine genaue Diagnose noch aus.

Thiago fällt mehrere Monate aus

Der 2:1-Erfolg in Belgien, trotz mittelmäßiger, ja teilweise schläfriger Leistung zustande gekommen, wurde nach Abpfiff schnell nebensächlich. Ebenso wie die Tatsache, dass der glückliche Erfolg der neunte Sieg im neunten Pflichtspiel seit der Rückkehr von Trainer Jupp Heynckes Anfang Oktober war. Auch das sich die Münchner dank der Treffer von Corentin Tolisso und Robert Lewandowski, der sein 50. Pflichtspieltor im Jahr 2017 erzielte, eine Ausgangsposition schufen, die ihnen im abschließenden Gruppenspiel am 5. Dezember in der Allianz Arena die Möglichkeit erhält, doch noch Tabellenerster zu werden, wurde zur Randnotiz. Dazu übrigens benötigen die Bayern gegen Paris St.Germain allerdings im kleinen Finale um den Gruppensieg einen Heimsieg mit vier Toren Unterschied, der den Vorteil brächte, in der ersten K.o.-Runde des Achtelfinales zunächst auswärts antreten zu können. Nach dem 0:3 im Hinspiel war Carlo Ancelotti entlassen worden.

Robben droht Mönchengladbach-Spiel zu verpassen

„Das ist mir im Moment relativ egal“, sagte der sichtlich geknickte Sportdirektor Hasan Salihamidzic nach Abpfiff in den Katakomben des Constant-Vanden-Stock-Stadions. „Thiago hat sich eine schwere Muskelverletzung zugezogen. Er fällt sicher länger aus, wahrscheinlich mehrere Monate“, so Salihamidzic. Noch während des Spiels hatte der Spanier das Stadion mit Krücken verlassen. Thiago musste kurz vor der Pause ausgewechselt werden. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt war auf den Platz gesprintet als wäre die Zeit stehen geblieben, konnte den verletzten Mittelfeldspieler aber nur noch in die Kabine begleiten. „Thiago hat eine Verletzung von der Länderspielpause mitgebracht. Er war vorm Spiel beschwerdefrei“, berichtete Heynckes und sagte: „Aber ich vermute, dass das jetzt zusammenhängt und befürchte eine schwere Muskelverletzung.“ Ein bitterer Ausfall für die Bayern, die schon seit Wochen auf Flügelstürmer Franck Ribéry und Offensiv-Allrounder Thomas Müller verzichten müssen. Kingsley Coman, der Ribéry-Ersatz, hatte das Abschlusstraining am Dienstag in Belgien abbrechen müssen. Es herrscht Notstand in der Offensive. Kaum auszudenken aus Bayern-Sicht wenn man am Samstag bei Verfolger Borussia Mönchengladbach, zuletzt wieder mit ansteigender Form, auch noch Rechtsaußen Arjen Robben ausfällt. Nach einem Sprint fasste sich der Holländer an den linken hinteren Oberschenkel, musste kurz nach der Pause wegen „leichter Muskelbeschwerden“ sofort raus.

Heynckes klagt: “Die Personaldecke wird immer dünner“

Ausgerechnet der Kapitän, der zuletzt zehn Partien hintereinander in der Startelf gestanden war. „Wir können uns im Moment eigentlich auch keine Ausfälle leisten. Die Personaldecke wird immer dünner“, sagte Heynckes, der noch auf einen Einsatz von Robben bei seinem Heimatverein Mönchengladbach hofft. „Wir müssen abwarten, Arjen glaubt nicht, dass es ganz so schwer ist.“ Wird Robben nicht rechtzeitig fit, bleibt Heynckes in der Offensive neben Torjäger Robert Lewandowski lediglich die Real-Leihgabe James Rodríguez, der jedoch kein dribbelnder Außenstürmer, sondern eher ein spielstarker Mittelfeldspieler ist. Also wird Heynckes, während seiner aktiven Karriere Mittelstürmer, improvisieren müssen. Corentin Tolisso kann rehcts offensiv spielen, Juan Bernat, nach seinem Comeback beim 3:0 gegen Augsburg in Anderlecht geschont, links vorne auflaufen. Beides wären Notlösungen.

Am Donnerstag geht es für die Bayern mit dem Bus direkt weiter nach Mönchengladbach, etwas mehr zwei Stunden Fahrtzeit sind eingeplant. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt wird alle (heilenden) Hände voll zu tun haben, um zumindest Robben fit zu bekommen. Es ist das zweite Comeback vom „Mull“, so sein Spitzname bei Bayern. Natürlich auf Wunsch von Manager Uli Hoeneß. Möglich gemacht durch den Rückzug von Mannschaftsarzt Volker Braun, der um die Auflösung seines Vertrages gebeten hatte. Ein delikater Zeitpunkt, da sich Muskelverletzungen beim Rekordmeister seltsam häufen.

Nun kommt es auf Rückkehrer “Mull” an

Die Bayern gehen am Stock bzw. auf Krücken und müssen sich in die Winterpause schleppen. Sieben Pflichtspiele bleiben bis Weihnachten, darunter die Highlights gegen Paris St.Germain, der Revanche für das 0:3 Ende September, und gegen Borussia Dortmund im DFB-Pokal-Achtelfinale (20.12.). Bisher ist für Heynckes alles nach Plan gelaufen. Angesichts der aktuellen Verletztenseuche kann man sich kaum vorstellen, dass der „Wunderheiler“ Jupp ungeschlagen in die Winterpause geht. Was auch am anderen „Wunderheiler“ liegt, dem drei Jahre älteren.