Federer - Nadal: Die Geburtsstunde ihrer Rivalität

Rafael Nadal und Roger Federer beim Handshake nach ihrem epischen Fünf-Satz-Thriller im Wimbledon-Finale 2008

Die schmerzhaften Erinnerungen an jenen regnerischen Julitag im Jahr 2008 hat Roger Federer beinahe verdrängt.

"Es ist eines dieser Matches, die ich versucht habe, zu vergessen", sagt der Schweizer über sein legendäres Wimbledon-Finale gegen Rafael Nadal. Ein Finale, das zu den dramatischsten Tennis-Matches der Geschichte gehört und für Federer am Ende "eine meiner härtesten Niederlagen" bereit hielt. Elf Jahre später erhält er nun die Chance zur Revanche.

Denn wenn sich Federer und Nadal am Freitag im Halbfinale erneut auf dem ruhmreichen Centre Court der Anlage an der Londoner Church Road gegenüberstehen, ist es ihre erste Begegnung auf Rasen seit dem epischen Endspiel vom 6. Juli. Unglaublich beinahe, angesichts der Tatsache, dass es das Duell der beiden Dauerrivalen insgesamt bereits 39 Mal gegeben hat. Und der Tatsache, dass sie ab 2006 gleich dreimal in Folge den Wimbledon-Titel unter sich ausgespielt hatten.

Ein Mythos entsteht

"Es schien logisch, dass wir bald danach wieder gegeneinander spielen würden", sagt Federer. "Aber dann ist es einfach nicht passiert." Das mit 4:48 Stunden noch immer längste Finale der Wimbledon-Geschichte wurde zu einem Mythos, von dem zum zehnjährigen Jubiläum im Vorjahr sogar eine eineinhalbstündige TV-Doku ("Geniestreiche") erzählte. "Gegen Roger zu spielen, ist immer einmalig", sagt Nadal. "Es ist aufregend, nach elf Jahren zurück gegen ihn auf diesem Court zu sein."

Das Finale von damals gewann seine Faszination auch aus den Gegensätzen seiner Protagonisten. Auf der einen Seite Federer, der "Maestro", der Ästhet, der jede noch so simple Rückhand wie ein Kunstwerk zu zeichnen schien. Auf der anderen Nadal, der "Matador", der Arbeiter, der in knielangen Shorts, ärmellosem Shirt und mit wilder Langhaarmähne unermüdlich die Grundlinie entlang pflügte.

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Die Geburtsstunde ihrer Rivalität

Dazu kamen die äußeren Umstände. Erst wurde der Start wegen Regens verschoben, dann rettete Federer nach dem Verlust der ersten beiden Sätze eine Unterbrechung. In der Fortsetzung kämpfte er sich zurück, gewann zwei packende Tiebreaks, wehrte mehrere Matchbälle ab. Eine weitere Regenpause sorgte dafür, dass die letzten Ballwechsel in der tiefen Abenddämmerung gespielt wurden. Erst um 21:18 Uhr Ortszeit fand die dramatische Tennis-Schlacht ihr Ende.

Wie Nadal nach dem 6:4, 6:4, 6:7 (5:7), 6:7 (8:10), 9:7 dann ausgestreckt im aufgewühlten Staub des kaum noch vorhandenen Rasens lag, wurde von vielen als Symbolbild einer Zeitenwende interpretiert. Statt des sechsten Titels in Folge für "König Roger", hatte der Kronprinz Nadal den ersten Grand-Slam-Titel außerhalb seines Königreichs bei den French Open gewonnen. Es blieb allerdings eine Art optische Täuschung. Denn statt der Wachablösung war die Partie letztlich nur der Auftakt zur Ära ihrer Rivalität.

Federer wird menschlicher

"Die Niederlage hat mich menschlicher gemacht", sagt Federer im Rückblick. Der "zweite Abschnitt" seiner Karriere mit Familie und Kindern hat ihn zusätzlich geprägt. "Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch bis zu einem gewissen Grad." Die bitteren Erinnerungen an 2008 mögen ohnehin nur noch in Fragmenten vorhanden sein. Nun hat er zusätzlich die Chance, sie mit Positivem zu überschreiben.