Trainer ohne Zukunft, Stars ohne Verträge: Was wird aus Bayern?

Der erste Schuldige schien schnell ausgemacht nach dem bitteren wie vorzeitigen Aus der Basketballer des FC Bayern beim "Finalturnier dahoam" der easyCredit BBL - der schnelle Abwehrreflex kam ebenso prompt:

"Das wäre respektlos", sagte Geschäftsführer Marko Pesic, angesprochen auf die nun begonnene Diskussion um die Zukunft von Trainer Oliver Kostic, nachdem der Titelverteidiger beim Turnier an den MHP Riesen Ludwigsburg gescheitert war. (SPORT1 zeigt insgesamt sechs Spiele des Finalturniers der easyCredit BBL LIVE im TV auf SPORT1)

Er wolle weder den Spielern noch dem kompletten Trainerstab in der besonderen Situation einen Vorwurf machen, betonte der Ex-Nationalspieler. Und doch dürften die Münchner nicht umhinkommen, über Kostic nachzudenken.

Und auch die sportliche Leistung um Pesic und Sportdirektor Daniele Baiesi muss sich Fragen gefallen lassen.

Zu sehr zeigte auch der Nervenkrimi im Viertelfinal-Rückspiel gegen Ludwigsburg, in dem das 74:73 (45:36) zu wenig war, um die Pleite im ersten Duell mit dem krassen Außenseiter (83:87) auszuwetzen, wie limitiert die Bayern in der Mitte des Jahres 2020 sind - Corona hin oder her.

Allen voran der Trainer wird sich erklären müssen, warum der teuerste, beste und tiefste Kader der Liga in der entscheidenden Saisonphase in seine Einzelteile zerfällt und keine Lösungen findet.

Kostic übernahm für Trainer Radonjic

"Zunächst einmal gehen wir alle ins Hotel. Dann gehen wir nach Hause, um die Familien zu sehen. Dann natürlich gehen wir schlafen und morgen ist ein neuer Tag", wich Kostic bei MagentaSport den Fragen zu seiner Person aus.

Der 47 Jahre alte Serbe war nach der Trennung der Bayern von Dejan Radonjic erst im Januar vom Assistenten zum Chefcoach befördert worden. Was bei den Fußballern mit Hansi Flick als Nachfolger für Niko Kovac seit November hervorragend funktionierte, ging bei den Korbjägern gewaltig schief.

Es käme überraschend, sollten die Bayern sich nicht nach einer neuen dauerhaften Lösung umschauen.

Es verwunderte wenig, dass Uli Hoeneß angesichts des schlechtesten Bundesliga-Abschneiden seit der ersten Saison nach dem Wiederaufstieg wutentbrannt aus dem Audi Dome stapfte. Die Worte des Bayern-Ehrenpräsidenten zur Halbzeit, als er noch optimistisch an den Titel glaubte, blieben Makulatur. Die Münchner verplemperten einen zwischenzeitlichen Zwölf-Punkte-Vorsprung.

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Verkorkste Saison in Pokal, EuroLeague und BBL

Mehr noch: Auch von ihrem Turniermotto "Bay-Sammen" war im FCB-Team wenig zu spüren bei dessen erstem Aus in einem Playoff-Viertelfinale seit 2012. Trotz Heimvorteils, wenngleich der zugegebenermaßen angesichts der Geisterkulisse gering ausfiel.

Da halfen auch die hervorragenden Leistungen aus der abgebrochenen Hauptrunde nichts, in der Bayern in 21 Spielen nur zweimal verlor. Doch angesichts einer dürftigen EuroLeague-Saison ohne Chance auf die angestrebten Playoffs und dem Achtelfinal-K.o. im Pokal stehen die Münchner am Ende mit leeren Händen da.

Der große Favorit und Meister der vergangenen beiden Jahre wirkte weniger wie eine verschworene Gemeinschaft denn vielmehr wie ein Haufen Solisten, insbesondere in der Crunchtime, was bereits bei der Niederlage in der Gruppe gegen die EWE Baskets Oldenburg (81:89) deutlich wurde, als ein Anführer fehlte.

Nationalspieler Paul Zipser steuerte gegen Ludwigsburg zwar 16 Punkte bei, konnte das Ruder ohne Ex-NBA-Profi Greg Monroe (familiärer Krankheitsfall) und Shooting Guard Nihad Djedovic (verletzt) aber mitnichten herumreißen - das galt auch für Kapitän Danilo Barthel. "Es ist am Ende auch Willenssache", so Hoeneß.

Mehr noch: Es fehlt offenbar eine neue Spielkultur, die den Basketball der Bayern variabler macht. Dabei spricht Kostics Fazit Bände: "Die Jungs haben so gut gespielt, wie es aktuell möglich ist."

Bamberg als Vorbild?

Mancher Beobachter behauptet, im Verein habe sich eine "Wohlfühloase" herausgebildet. Misserfolge auf internationalem Parkett wurden akzeptiert, der Meister-Titel reichte den meisten. Aus Fortschritt wurde Stagnation und schließlich Rückschritt.

"In den letzten Jahren waren wir verwöhnt durch die Titelgewinne. Wir werden das aufarbeiten, was wir verbessern müssen", konstatierte Barthel.

Möglicherweise liegt genau da die Chance - den Status quo anzuerkennen und einen Umbruch einzuleiten, um die Entwicklung wieder in die richtige Richtung zu lenken. Möglicherweise bewirkt das Ausscheiden am Ende eine ähnlich positive Entwicklung wie die der Bamberger 2013/14, die einen Neuanfang wagten und danach stärker denn je wiederkehrten und dreimal in Folge Meister wurden.

Aber wie könnte der Umbruch in München gestaltet werden?

Der Großteil des Teams dürfte erhalten bleiben, zehn Spieler inklusive der verliehenen Profis besitzen noch einen Vertrag für die kommende Saison oder darüber hinaus.

Verträge von Barthel und Lo laufen aus

Vom Kerngerüst der Mannschaft sind das Vladimir Lucic, Zipser und Djedovic. Die Verträge von Barthel und Lo laufen im Sommer aus. "Sein Zuhause ist München, dann werden wir sehen", gab sich Pesic beim Kapitän vorsichtig optimistisch, was eine Vertragsverlängerung betrifft.

Wegen der Coronakrise hatte Pesic aber Ende Mai im Gespräch mit SPORT1 erklärt, es gebe "überhaupt keine Verhandlungen mit irgendjemanden für die nächste Saison". Denn "wenn wir in Verhandlungen gehen, dann müssen wir das, was verhandelt wird, auch garantieren. Solange wir das nicht können, werden wir keine Verhandlungen führen", so Pesic.

Zuerst müsse man wissen, ab wann die Saison losgeht und wann wieder Zuschauer in die Halle kommen dürfen und Sponsorengespräche führen, sagte der 43-Jährige.

Zu klären gilt es auch die offene Frage auf der Center-Position, wo die Verträge von Monroe und Mathias Lessort, der in Monroes Abwesenheit zumindest ein kleiner Lichtblick war, enden. Ein weiteres Problem zeichnete sich in den vergangenen zwei, drei Jahren ab: Im Kader gibt es weder echten Konkurrenzkampf noch Raum für Entwicklung junger Spieler.

Neue Halle kommt

Der jüngste der Kerntruppe ist Zipser mit 26 Jahren, gefolgt von Lo, der dieses Jahr 28 wird.

An einer Verjüngung der Mannschaft führt kein Weg vorbei. Neben Guard-Talent Zan Mark Sisko (22), der im Dezember kam, könnte dabei auch Jason George (18 Jahre), 2,02 Meter großer Shooting Guard, der sein BBL-Debüt gegen Bonn feierte, eine Rolle spielen.

Gleichzeitig müssen die (Star-)Transfers sitzen, um auch in Europa wieder angreifen zu können.

So oder so wird es definitiv bald etwas Neues geben in Münchens Basketball-Universum: Die neue Halle soll im Spätsommer 2021 fertiggestellt werden.

Spätestens dort sollen Hoeneß Visionen von einer Dominanz wie bei den Fußballern und Erfolge in Europa Realität werden. Doch dazu muss nun einiges passieren.

Und dabei wird der Ehrenpräsident ganz genau hinsehen - auch auf Pesics Finger, der nun umso mehr unter Druck steht.