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Flutlicht an! "Mehr Goretzkas würden dem Fußball guttun"

Flutlicht an! "Mehr Goretzkas würden dem Fußball guttun"

"Aufgewachsen mit der Generation Kahn rund um die legendäre 2001er-Mannschaft. Sozialisiert mit der Generation Lahmsteiger." So lautet die Selbstbeschreibung von Justin Kraft in seiner Kurzbiografie des Blogs "Mia San Rot".

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Spieler wie Torhüter Oliver Kahn, Giovane Élber, Stefan Effenberg oder Bixente Lizarazu hätten ihn "für diesen Klub begeistert", Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger sieht er als Mitbegründer einer flachen Hierarchie sowohl in ihrem Klub als auch der Nationalmannschaft, für die er damals die Zeit gekommen sah.

"Es sind zwei Typen und Menschen gewesen beim FC Bayern, die ich in ihrem Führungsstil sehr geschätzt habe", erklärt Kraft seine Faszination für die beiden Spieler, deren Namen er zu seinem Twitterhandle verschmolzen hat: Lahmsteiger.

Kraft: Fan-Perspektive bedeutet nicht die rosarote Brille

"Generation Lahmsteiger" heißt auch eines der bislang vier Bücher, die Kraft verfasst hat, das erste davon mit Felix Haselsteiner. "Rot und weiß ein Leben lang. 111 Gründe für den FC Bayern" ist den beiden als Projekt über den Blog "Mia San Rot" quasi zugeflogen und erwies sich als perfektes Experimentierfeld.

"Es war auch eine Herausforderung, daraus ein bisschen auszubrechen", definiert Kraft ihren Anspruch, innerhalb der vielen "111er Bücher" im Fußball einen eigenen Ansatz zu finden. Und eine eigene Herangehensweise ist es auch, die den großen Bayern-Blog ausmacht: Mit Liebe zum Klub, aber deshalb niemals unkritisch, über ihn zu schreiben. Denn eine Fan-Perspektive, erklärt der Bayern-Anhänger, bedeute eben gerade nicht die rosarote Brille.

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Zum Fan wurde Kraft fern der bayerischen Fußballmetropole in seiner Heimat Brandenburg. Während der Vater beim Dorfverein im Tor Bälle abwehrte, schwärmten dessen Kumpels dem Junior von den Rotweißen vor – und der kam, verliebte sich und blieb. Längst interessiert ihn vor allem die taktische Seite des schönen Spiels, in die er sich immer tiefer reinfuchst und dabei ganz neue Sehgewohnheiten entwickelt.

"Generation Lahmsteiger" als "Fußballbuch des Jahres" nominiert

In seinem als "Fußballbuch des Jahres" von der Akademie für deutsche Fußballkultur nominierten "Generation Lahmsteiger" steht die ideale Symbiose von Taktik und Strategie im Mittelpunkt. Fazit des Herzensprojekts: "Man braucht eine fußballerische Identität, eine Philosophie."

Was aber, wenn zur Philosophie eines Vereins gehört, Trainingslager in Katar abzuhalten? Es sind Themen, bei denen Kraft nicht wegschaut. Er kritisiert, aber – und das ist ihm wichtig – erst, nachdem er zugehört hat. Den dialogischen Ansatz hat der junge Sportjournalist nicht nur bei der Frage, wo es ihm sein Verein schwermacht, im Gegenteil.

Zuzuhören, abzuwägen und schließlich fest und laut zu seiner Meinung zu stehen, ist ein Weg, für den er sich bewusst entschieden hat. Die Basis wurde ihm mitgegeben: "Ich würde schon von mir behaupten, dass ich da eine sehr gute Erziehung genossen habe.“

Die eigene Haltung musste sich aber erst entwickeln und da schreibt er dem sozialen Netzwerk Twitter positive Einflüsse zu.

Der Schritt dorthin habe ihm ab 2015 eine ganz neue Welt eröffnet, in der er gelernt und sich informiert habe und daran gewachsen sei. "Ich glaube, es braucht tatsächlich einen Klick im Kopf", beschreibt er die Entstehung eines Bewusstseins für eigene Privilegien, aus dem er im nächsten Schritt ein Selbstverständnis entwickelt hat, alles anzusprechen, was er unfair findet in der Welt.

Kraft: Spielerinnen finden oft zu wenig Gehör

Der Fußball ist dafür als Thema ebenso gut geeignet wie jedes andere, findet Kraft – und ist deswegen dankbar, wenn sich innerhalb dieses Sports Vorbilder finden. "Mehr Goretzkas würden dem Fußball auf jeden Fall guttun."

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Zugenommen hat nach seiner Beobachtung zuletzt vor allem der Anteil an Spielerinnen, die sich deutlich zu Wort melden, umso mehr ärgert es ihn, wie wenig Gehör diese oft finden. Als Beispiel nennt er einen Text von Lina Magull, in dem die Kapitänin des FC Bayern einen Aufbruch im Frauenfußball fordert und dessen Strukturen kritisiert.

Das mediale Echo darauf war gering. "Man stelle sich vor, was wäre los, wenn Manuel Neuer sich über die Strukturen bei der UEFA aufregen würde! Da hättest du sofort fünf Push-Nachrichten!"

Diese Ungleichbehandlung nicht länger hinzunehmen, hat Kraft sich zur Aufgabe gemacht.