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Forscher: Das sind die Gründe für Schwedens hohe Corona-Zahlen

Schwedens Umgang mit der Corona-Pandemie ist ein besonderer. Einer Studie zufolge habe sich dieser Sonderweg aber nur bedingt auf die Infektions- und Todeszahlen in dem Land ausgewirkt.

Der schwedische Sonderweg in der Corona-Krise wurde weltweit mit großer Aufmerksamkeit beobachtet. (Symbolbild: Getty)
Der schwedische Sonderweg in der Corona-Krise wurde weltweit mit großer Aufmerksamkeit beobachtet. (Symbolbild: Getty)

Das skandinavische Land beschritt im europäischen Vergleich von Beginn an einen anderen Weg zur Bekämpfung von Covid-19. Wenige gesetzliche Vorgaben, kaum Einschränkungen des öffentlichen Lebens und viel Selbstverantwortung der Bürger. Zunächst hielten viele diesen schwedischen Sonderweg für eine interessante Alternative zur restriktiven Politik der meisten anderen Länder. Doch dann begannen die Zahlen auch in Schweden zu steigen. Das kleine Land hat bei nur zehn Millionen Einwohnern mittlerweile fast 6.000 Todesopfer zu beklagen. Mit über 84.000 Infektionen liegt Schweden gemessen an der Einwohnerzahl ebenfalls am oberen Rand der Skala. Die Zahl der Toten ist auf die Einwohnerzahl gerechnet etwa fünfmal so hoch wie in Deutschland.

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Ein Diskussionspapier dreier Wissenschaftler aus den USA und Dänemark hat sich den Verlauf der Pandemie in Schweden angeschaut und die Todeszahlen analysiert. Dabei nennen die drei Ökonomen Daniel B.Klein, Joakim Book und Christian Bjørnskov sechzehn mögliche Faktoren, die bei der Ausbreitung des Virus und den hohen Opferzahlen eine Rolle gespielt haben könnten. Mit dem Sonderweg der Schweden haben die Zahlen laut ihrem Paper nur bedingt zu tun.

Drei der wichtigsten Faktoren

Der wichtigste Aspekt sei der sogenannte “Dry-Tinder”-Effekt, den die Wissenschaftler der Forstwissenschaft entlehnt haben. Wenn ein Wald in einem Jahr besonders wenig Waldbrände zu verzeichnen hat, steigt das Risiko im nächsten Jahr im Vergleich zu den benachbarten Wäldern, weil sich mehr trockenes Holz dort sammelt. Im Jahr 2019 waren im Vergleich zu den Jahren zuvor und im Vergleich zu den Nachbarländern besonders wenige Menschen in Schweden an Grippe gestorben. Dadurch habe sich die Zahl der älteren, geschwächten Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizierten, erhöht. Allein den “Dry-Tinder”-Effekt halten die Forscher für 25-50% der Todesfälle verantwortlich.

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Die schwedische Hauptstadt hat eine ungewöhnliche Häufung an Corona-Toten aufzuweisen. Dort starben 42 Prozent der Gesamtzahl, obwohl in Stockholm nur 20 Prozent der Landesbevölkerung leben. Die Forscher führen dies auf die Bevölkerungsdichte in der 1,8-Millionen-Stadt zurück. Unter anderem würde der dort gut genutzte öffentliche Nahverkehr besonders viel frequentiert, wo sich viele Menschen infiziert hätten. Wie sich dies im Falle eines Lockdowns aber geändert und möglicherweise auf die Fallzahlen ausgewirkt hätte, schreiben die Forscher nicht.

Der dritte wichtige Faktor, den die Wissenschaftler anführen, ist die Situation in den schwedischen Pflegeeinrichtungen. Fast 70 Prozent aller Todesfälle gab es in Seniorenheimen. Dort sei ein reger Austausch von Pflegekräften und damit eine hohe Fluktuation an Menschen von außerhalb üblich. Zudem habe man in den Einrichtungen langsamer damit begonnen, Covid-Patienten von anderen Bewohnern zu separieren. Auch seien die Pflegekräfte zu spät und zu wenig getestet worden, so das Ergebnis des Papers.

“Mindestens 75 Prozent”

Aus diesen Faktoren heraus kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die hohen Zahlen eben nur eingeschränkt im Zusammenhang mit den schwedischen Maßnahmen stünden. Ihr Fazit: Die meisten Menschen wären auch mit einem strengeren Lockdown gestorben. Im Vergleich zu den skandinavischen Nachbarn schrieben sie: “Wir glauben, dass Schwedens Covid-19-Todesrate mit vergleichbaren Lockdown-Maßnahmen wie in Dänemark, Norwegen und Finnland mindestens 75 Prozent der aktuellen Zahlen betragen würde.” Die Aussagen der drei Ökonomen dürften die Diskussion um den schwedischen Sonderweg erneut anheizen.

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