Da kann Joshua noch so sehr mit seinen Gürteln winken

Es war so ein Kampf, von denen es mehr geben sollte. Das Duell im Schwergewicht am vergangenen Wochenende in Las Vegas war Balsam auf die Seele vieler Boxfans weltweit. Endlich wieder ein Kampf, der begeistert.

Egal, welchem der beiden Boxer man die Daumen gedrückt hatte, unterm Strich war der Sieg von Tyson Fury eine boxerische Demonstration, der Abbruch nach 1:39 Minuten in Runde 7 mehr als gerechtfertigt.

Dass Ex-Weltmeister Deontay Wilder mittlerweile seinen Trainer gefeuert hat und seine schwache Vorstellung im Ring auf seine schwere Walk-In-Kostümierung schiebt – geschenkt. Niederlagen müssen schöngeredet werden und schuld sind meistens die anderen. Auch das hat im Boxen Tradition.

Fury gewinnt Kampf um WBC-Titel

Dass es ein begeisterndes Duell war, wird also in Erinnerung bleiben. Aber um welche Gürtel ging es dabei noch gleich?

Offiziell vor allem um den WM-Titel des WBC (World Boxing Council). Das ist der grüne Ledergürtel des in Mexiko ansässigen Weltverbands, der schon die Hüften großer Champions schmückte. Die Ahnengalerie ist episch: Muhammad Ali, Geoge Foreman, Joe Frazier, Mike Tyson, Vitali Klitschko, Lennox Lewis – mehr Glanz geht nicht.

Aber Fury hatte auch noch einen anderen Gürtel mit im Ring: den des Fachmagazins The Ring. Das Magazin mit dem bescheidenen Untertitel "die Bibel des Boxens" vergibt ebenfalls Gürtel. Seit der Verlag, in dem The Ring erscheint, jedoch vom Box-Promoter Oscar de la Hoya gekauft wurde, wird die Objektivität der Berichterstattung immer wieder kritisch hinterfragt.

Der aufmerksame Zuhörer konnte aber noch einen weiteren Titel raushören: Ringsprecher Jimmy Lennon Jr. verkündete auch den "Lineal Champion"-Status, den Tyson Fury mit dem Sieg ebenfalls wiedererhielt.

Fury wieder der "lineare Champion"

Was genau verbirgt sich dahinter? Der "lineare Champion" ist derjenige Boxer, der den anerkannten Weltmeister besiegen konnte, ganz gleich ob der noch im Besitz des WM-Gürtels war oder nicht. Im englischen sehr prägnant mit "The man who beat the man" erklärt.

Einziges Kriterium: Er darf den Titel nicht im Ring verloren haben, sondern beispielsweise am "grünen Tisch". So geschehen bei George Foreman, der erst sehr umstritten Axel Schulz bezwingen konnte, zum angeordneten Rückkampf aber nicht mehr antrat. Der Titel wurde vakant, aber Foreman durfte sich weiter als Champion fühlen, weil er den Titel eben nicht in einem Wettkampf verloren hatte.

Die Reihenfolge sah dann wie folgt aus: Foreman verliert gegen Briggs, der verliert gegen Lennox Lewis, der trat zurück. Damit wurde dieser "Ehrentitel" vakant, gelang über kurze Umwege zu Wladimir Klitschko, der ihn an Tyson Fury verlor.

Nach dessen Rücktritt im Jahre 2016 war dieser "Titel" vakant, am letzten Wochenende setzte Fury sich wieder auf diesen Thron und beantwortet somit die Frage, wer denn nun aktuell der beste/stärkste/wichtigste Weltmeister im Schwergewicht ist: Tyson Fury ist "The Man". Da kann ein Anthony Joshua noch so sehr mit seinem WBO/IBF/IBO- und WBA-Gürtel winken.

Transparenz im Boxen fehlt

Es sind also nicht die Gürtel der Weltverbände allein, die einen Boxweltmeister zu einem Champion machen. Der sportliche Wert eines Kampfes hat auch andere Zutaten.

Man hat es nicht leicht, als Fan den Überblick zu behalten: mindestens vier Weltverbände küren in 17 Gewichtsklassen ihre Champions.

Dazu noch "Silber"-Titel, oder "Super"-Champions, oder "Interims"-Titelträger. Es gibt also mindestens 68 "Weltmeister", die Dunkelziffer liegt höher. Während also die einen noch versuchen, den Überblick zu behalten, sorgen andere für Durchblick und mehr Transparenz im Dickicht der Titel und neu geschaffenen Gürtel.

Allen voran die WBSS (World Boxing Super Series). Ein Glücksfall für das Boxen und die Fans weltweit.

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Denn der neue "Lineal Champion" im Cruisergewicht wird in Kürze ermittelt - im Finale der WBSS. Wenn am 21. März in Riga Mairis Briedis und Yunier Dorticos gegeneinander antreten, wird der Sieger zwar nicht der alleinige Weltmeister in diesem Gewichtslimit sein. Aber der "Lineal Champion", der "wahre Champion". "The Man" eben.