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Fußball-WM 2022: US-Fußballverband ändert Iran-Flagge, um Frauenrechtsbewegung zu unterstützen, und macht dann nach Kritik einen Rückzieher

Ein Fußballfan hält vor dem Fußballspiel der WM-Gruppe B zwischen Wales und Iran im Ahmad Bin Ali-Stadion in Al Rayyan, Katar, am Freitag, 25. November 2022, eine iranische Flagge hoch. (AP Photo/Francisco Seco)
Ein Fußballfan hält vor dem Fußballspiel der WM-Gruppe B zwischen Wales und Iran im Ahmad Bin Ali-Stadion in Al Rayyan, Katar, am Freitag, 25. November 2022, eine iranische Flagge hoch. (AP Photo/Francisco Seco)

DOHA, Katar –Die United States Soccer Federation (der US-amerikanische Fußballverband) hat bei der Fußballweltmeisterschaft 2022 einen geopolitischen Sturm ausgelöst, indem sie vor dem entscheidenden Spiel der Gruppe B zwischen den beiden Nationen in sozialen Medien die iranische Flagge veränderte.

Der US-Fußballverbanderklärte am Sonntag, dass die Änderung – das Emblem der Islamischen Republik wurde aus der grün-weiß-roten Flagge entfernt – beabsichtigt war und ein Zeichen der „Unterstützung für Frauen im Iran sei, die für grundlegende Menschenrechte kämpfen“. Die Änderung wurde in den sozialen Medien von Bürgerinnen und Bürgern, die für diese Rechte kämpfen, gewürdigt, brüskierte aber wenige Tage vor dem Spiel am Dienstag das iranische Regime.

Als die iranischen Behörden von den Grafiken Wind bekamen, kam es vor allem in Online-Kommentaren, aber auch in offiziellen Kreisen zu heftigen Gegenreaktionen. Und am Sonntagabend, wenige Stunden vor dem Training der US-Mannschaft, wurden die Beiträge mit den Grafiken, wie ein Sprecher der US-Fußballnationalmannschaft sagte, nach „internen“ Diskussionen gelöscht.

Sie wurden ursprünglich vor dem Hintergrund der anhaltenden Demonstrationen gepostet, die seit dem Tod von Mahsa Amini, den Iran in Aufruhr versetzen. Die 22-jährige Frau war im September verhaftet worden, weil sie angeblich ihr Kopftuch zu locker trug. Die nahezu beispiellose Welle des Protests gegen das repressive iranische Regime und für die Rechte der Frauen führte zu einem raschen Durchgreifen der Sicherheitskräfte des Landes. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Activists in Iran wurden seit dem Ausbruch der Proteste mindestens 450 Menschen getötet und über 18.000 verhaftet.

Die Verantwortlichen des US-Fußballverbandesentschieden sich, ihre Solidarität zu bekunden, ohne die US-Spieler oder den Trainer der Herren-Nationalmannschaft, Gregg Berhalter, zu konsultieren, sagte ein Sprecher des US-Fußballverbandes. Man habe sich mit iranisch-amerikanischen Experten beraten, aber nicht mit der US-Regierung, so zwei Quellen gegenüber Yahoo Sports. Ein Sprecher des US-Außenministeriums bestätigte in einer Erklärung, dass es „keine Koordination bei dieser Aktion“ gegeben habe.

Die veränderte Flagge tauchte weniger als zwei Stunden nach dem Freitagsspiel gegen England in Twitter- und Instagram-Posts auf. Sie zeigte die dreifarbige iranische Flagge, ließ aber das Emblem weg, das normalerweise in der Mitte zu sehen ist. Mindestens eine Grafik schien auch den Schriftzug „Allahu akbar“am unteren Rand des Grüns und am oberen Rand des Rots der Flagge, wegzulassen, was übersetzt „Gott ist am größten“ bedeutet.

DieseAuslassungen hat einige Iraner verärgert. Der US-Fußballverband hat nicht direkt von den iranischen Behörden gehört, aber die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Tasnim News Agency berichtete, dass der iranische Fußballverband eine Beschwerde bei der FIFA gegen die United States Soccer Federation einreichen würde und behauptete, dass der US-Verband „die Nationalflagge der Islamischen Republik Iran nicht respektiert“. (Die FIFA reagierte nicht auf eine Bitte um Stellungnahme.)

Andere staatliche iranische Medien beschuldigten den US-Fußballverband, „das Symbol Allahs“ von der Flagge entfernt zu haben.

Am Sonntagnachmittag in Katar hatte der US-Fußballverband die offizielle Flagge auf seinem Twitter-Bannerfoto wiederhergestellt, auf dem zuvor die veränderte Flagge zu sehen war. Ein Sprecher des US-Fußballverbandes sagte, dass dies – die veränderte Flagge nur vorübergehend zu verwenden – von Anfang an der Plan gewesen sei.

Doch am Sonntagabend schien der Verband Schadensbegrenzung zu betreiben. Der Kommunikationsbeauftragte Neil Buethe lief vor dem Trainingsgelände der Mannschaft in Al-Gharafa umher und telefonierte, eine Stunde bevor sich zwei Spieler zu einer Pressekonferenz mit Reportern treffen sollten.

Kurz vor der Pressekonferenz, die verschoben wurde, beschlossen die Verbandsfunktionäre, die Posts zu löschen. Ein Sprecher sagte jedoch, dass sie an ihrer Botschaft zur Unterstützung der Frauen, die für ihre Rechte im Iran kämpfen, festhielten. Auf die Frage, warum die Beiträge gelöscht wurden, antwortete der Sprecher: „Ich werde nicht ins Detail gehen. Wir haben die Entscheidung getroffen.“

Der Sprecher sagte, dass die Spieler der US-Fußballnationalmannschaft der Herren und Trainer Berhalter nicht an der Entscheidung beteiligt waren, die Beiträge zu löschen. Auf die Frage in einer Pressekonferenz, ob dies stimme, sagte Verteidiger Walker Zimmerman: „Das ist korrekt. Wir wussten bis jetzt nichts davon.“

Berhalter wird jedoch bei vielen nicht-fußballerischen Entscheidungen rund um die Mannschaft konsultiert, auch wenn es um die Medienberichterstattung geht, so auch diesen Monat in Katar. Er wird am Montag auf einer Pressekonferenz sprechen.

Die Atmosphäre auf der Pressekonferenz am Sonntag war indes angespannt. Zimmerman und sein Verteidigerkollege Tim Ream wählten ihre Worte mit Bedacht. Ihnen wurden unzähligeFragen zum Fußball gestellt, aber auch zahlreiche Fragen zu den Posts des Verbandes in den sozialen Medien und zur Situation im Iran. Sie bekräftigten mehrfach, dass sie „die Rechte der Frauen unterstützen“, wie Ream sagte, und dass sie „mit dem iranischen Volk mitfühlen“, sich aber auf die „Vorbereitung auf ein entscheidendes Spiel“ konzentrieren.

Während der Pressekonferenz beschuldigten iranische Reporter in der ersten Reihe mit erhobenen Händen den Pressesprecher des US-Fußballnationalmannschaft, Michael Kammarman, sie zum Schweigen zu bringen, indem er sie nicht zu Wort kommen ließe. Als einer der Reporter endlich eine Frage stellen konnte, die letzte der Pressekonferenz, sagte er: „Ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Pressesprecher der US-Fußballnationalmannschaft die internationalen Medien respektieren sollte. Dies ist die Weltmeisterschaft, nicht der MLS-Cup.“

Die Nervosität setzte sich fort, als um 20:30 Uhr die Trainingseinheit der US-Fußballnationalmannschaftbegann. Als der öffentlicheTeil endete, schrie ein Mitarbeiter des Kommunikationsteams einen anderen an. Es ist unklar, ob die Spannungen zu den Spielern durchgedrungen sind, aber die Atmosphäre um sie herum war angespannt.

Berhalter hat es bei dieser Weltmeisterschaft weitgehend vermieden, sich zu Politik und Menschenrechten zu äußern. Als er am Donnerstag vor dem England-Spiel auf die Regenbogen-Armbinden angesprochen wurde, verwies er vage auf eine teamweite Kampagne für soziale Gerechtigkeit und sagte dann: „Um ehrlich zu sein, sind wir jetzt, wo wir mitten im Turnier sind, den ganzen Tag im Büro, arbeiten und bereiten uns vor. Jetzt konzentrieren wir uns auf das Spiel und zwar auf die Frage: Wie können wir England schlagen?“

Nach dem 0:0-Unentschieden vom Freitag sagte er auf die Frage nach dem politischen Hintergrund des Iran-Spiels: „Ich gehe davon aus, dass das Spiel heiß umkämpft sein wird, weil beide Mannschaften in die nächste Runde einziehen wollen, nicht wegen der Politik oder der Beziehungen in unserem Land. Wir sind Fußballer. Wir werden kämpfen, sie werden kämpfen und das war's dann auch schon.“

Das Spiel wird am Dienstag um 22:00 Uhr Ortszeit (20 Uhr mitteleuropäische Zeit) angepfiffen, wobei die USA einen Sieg benötigen, um ins Achtelfinale einzuziehen.

Henry Bushnell