Als Gladbach und Heynckes Schalke zweistellig zerlegte

Als Gladbach und Heynckes Schalke zweistellig zerlegte
Als Gladbach und Heynckes Schalke zweistellig zerlegte

Mit einem Knall kam die Bundesliga aus der damals noch sehr kurzen Winterpause.

Am 7. Januar 1967 kam es zum ersten zweistelligen Ergebnis seit ihrer Gründung dreieinhalb Jahre zuvor. Tore fielen in den ersten Jahren zwar am Fließband, 3,33 pro Spiel und damit fast zehn Prozent mehr als heute. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Doch selbst Prügelknabe Tasmania Berlin hatte im Vorjahr eine zweistellige Niederlage vermeiden können. Das war dann den ruhmreichen Schalkern vorbehalten. Sie wurden am Gladbacher Bökelberg zum Spielball der Fohlen-Elf, die damals noch ganz am Anfang einer großen Ära stand.

Schalke-Trainer Langner faltet Spieler zusammen

Sie spielte erst ihre zweite Bundesligasaison, während Schalke Gründungsmitglied war. Dennoch waren die Borussen als Tabellenfünfter favorisiert, denn Schalke (13.) spielte wieder mal gegen den Abstieg und hatte auswärts erst einen Punkt geholt.

S04-Trainer Fritz Langner hatte schon ein schlechtes Gefühl und faltete seine Schützlinge nach dem letzten Vorbereitungsspiel gegen Lok Moskau (0:3) zusammen.

„Zum Jahreswechsel knöpfte er sich jeden Spieler einzeln vor, ermahnte ihn im Hinblick auf die schwere zweite Serie zum sportlichen Lebenswandel“, schrieb das Sport Magazin zwei Tage vor dem Debakel vom Bökelberg. Doch die Umstände, die dieses Spiel überschatteten und wesentlich beeinflussten, waren ganz anderer – tragischer - Natur.

Frau von Manfred Kreuz stirbt mit 27 Jahren

Als Schalke an jenem Samstag auflief, fehlte überraschend Mittelfeldspieler Manfred Kreuz. Seine 27-jährige Frau war am Donnerstag an einem Virus verstorben. „Der Schock nach Rosemaries Tod war bei mir und der Mannschaft riesig, weil die Kameradschaft sehr groß war.“, sagte er später. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

Es war noch die Zeit, als das Wort von den elf Freunden in manchen Mannschaften seine Berechtigung hatte. Und so standen elf deprimierte Schalker gegen elf vor Spielfreude sprühende Borussen auf verlorenem Posten. Mit Josef Elting spielte zudem der Ersatztorwart, Langner wollte „den erfahreneren Mann“ einsetzen. Die abgesetzte Nummer 1, Norbert Nigbur, war angefressen. Hinterher wird er heilfroh gewesen sein, dass er diesen „Schneewalzer“ nicht hatte mittanzen müssen.

Elf Mal schlug der rote Ball im Kasten von Elting ein und das Sport Magazin behauptete ernsthaft: „Sicher sind die Knappen mit dieser Niederlage noch sehr zufrieden, weil sie wissen, dass es sogar 20 Tore hätten sein können.“

17.000 Zuschauer waren auch mit elf mehr als zufrieden und feierten ihre Borussia euphorisch. Bernd Rupp eröffnete nach einem Netzer-Freistoß den Torreigen (7.) und legte nach 21 Minuten nach. Ein Kopfball von Herbert Laumen (30.) und ein weiterer Rupp-Treffer (40.) sorgten schon zur Pause für klare Verhältnisse. Aber Borussia hatte noch lange nicht genug.

Friedel Rausch flehte: „Hört doch endlich auf“

Laumen erinnerte sich 2014: „Ich weiß noch, wie der Friedel Rausch bettelte: ‚Nun hört doch endlich auf mit dem Toreschießen‘. Aber wir in unserem jugendlichen Elan und mit unserem sportlichen Ehrgeiz waren nicht bereit zurückzustecken. Das hätten die Schalker ja auch nicht getan.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Netzer legte gleich nach Wiederanpfiff ein brillantes Solo aufs Schneeparkett – 5:0 (47.). Das Kunststück wiederholte er nach 68 Minuten, da hieß es schon 8:0. Dazwischen hatten sich erneut Laumen (57.) und Rupp (62.) gedrängelt.

Heynckes stellt historischen Spielstand her

Einer Kombination der beiden entfesselt auftrumpfenden Stürmer entsprang das 9:0, das Laumen köpfte (71.). In der 85. Minute wurde es erstmals zweistellig in der Bundesliga: Jupp Heynckes, der sich noch zurückgehalten hatte, stellte per Kopf den historischen Spielstand her und schloss in letzter Minute mit dem 11:0 ab.

Hinterher hatten die Borussen dann doch Mitleid. Netzer sagte: „Ich möchte nur wünschen, dass man bei Schalke diese hohe Niederlage so schnell wie möglich vergisst. Wenn es einmal 4:0 steht, dann läuft eben beim Gewinner alles richtig und dem Verlierer gelingt nichts mehr.“

Weniger einfühlsam kommentierte Borussias Ersatzkeeper Manfred Orzessek, 1958 noch Meister mit Schalke, das Geschehen: „Die haben für zehn Jahre genug.“

Die Lokal-Presse kritisierte Langner dafür, dass er keinen Spieler stur auf Netzer angesetzt habe. „Während etwa Klaus Fichtel Jupp Heynckes förmlich auf den Füßen stand, schaltete Netzer im Mittelfeld, oft sogar im Zeitlupentempo, wie er wollte.“ (WAZ)

Schalke revanchiert sich prompt im Pokal

Auf der Schalker Geschäftsstelle stapelten sich die bösen Briefe, die wohl ausgeblieben wären, hätten alle Schreiber die Vorgeschichte gekannt. Dass sie es besser können, bewiesen die Schalker ihrem Anhang bereits eine Woche später.

Denn wie es der Fußball-Gott wollte, musste Borussia im Pokal in die Glückauf-Kampfbahn – diesmal gewannen die Schalker mit 4:2. Manfred Kreuz wurde von den Fans auf Schultern vom Platz getragen. Solche Geschichten schreibt nur der Fußball.

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