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Guardiolas Zick-Zack-Kurs

Guardiolas Zick-Zack-Kurs

Vordergründig sieht alles super aus beim FC Bayern nach der Lewandowski-Gala gegen Wolfsburg. Aber der Rekordmeister zeigt zwei Gesichter – und der Trainer hat keine klare Linie.

Von Nico Stankewitz

Das Wolfsburg-Spiel endete im Triumph und mit dieser verrückten Lewandowski-Show im zweiten Durchgang – und damit waren alle Bayern-Schlagzeilen der Woche geschrieben. Wer sich das Spiel genauer betrachtet, hat allerdings so etwas wie ein Spiegelbild der bisherigen Saison gesehen. In der ersten Hälfte sah man eine zwar elegante, aber hilflos wirkende Bayern-Elf, die zwar 45 Minuten viel Ballbesitz hatte und viele Pässe spielte, aber die Wolfsburger im Grunde nicht in Verlegenheit bringen konnte. Das 0:1 zur Pause war nicht nur verdient, sondern der deutsche Meister schlich förmlich in die Kabine, man war besorgt in der Allianz-Arena.

In Halbzeit zwei sorgten die Umstellungen für diese rasante Leistungsexplosion, aber es lohnt sich trotzdem zunächst einen Blick auf den ersten Abschnitt zu werfen. Pep Guardiola bevorzugt ja offensichtlich zentrale Mittelfeldspieler und hat beim FC Bayern etwa acht potenzielle 6er im Kader. Zu seinen bevorzugten Varianten gehört es, möglichst viele dieser sehr vielseitigen Spielertypen in die Elf zu bekommen, in diesem Fall mit Alaba, Lahm, Xabi Alonso, Vidal und Thiago gleich fünf davon. Wenn man die bisherigen sechs Bundesligaspiele, dazu das Pokalspiel und die Champions League-Begegnung in Piräus analysiert, wird ganz deutlich, dass Bayern immer am stärksten ist, wenn die Flügel klar besetzt sind mit einem Mittelstürmer und einem offensiven Mittelfeldspieler dazwischen. Thiago und Vidal bringen ihre stärksten Leistungen, wenn sie etwas weiter aus der Tiefe kommen, Alaba hat auch als Innenverteidiger überzeugt, ist aber links klar stärker als Bernat, Lahm ist es ein bärenstarker Mann in der Zentrale, aber rechts eben auch die bessere Alternative zu Rafinha.

Gefährliche Taktik-Spielerei des Trainers

Der Bang-Effekt nach der Pause wurde durch passgenaue Wechsel erzwungen: Mit Martinez für Bernat rückte Alaba nach links, ohne Thiago hatten Müller und Götze viel mehr Platz und mit Lewandowski auch die perfekte Anspielstation in vorderster Front. Nun endlich kam die wirkliche Stärke dieser Mannschaft zum Vorschein, denn dieser Bayern-Kader ist im Sommer perfekt verstärkt worden. Mit Vidal kam eine fabelhafte Ergänzung für den zentralen Bereich, mit Douglas Costa und Kingsley Coman eine neue, verjüngte Flügelzange, die als Alternative oder Backup für die Altstars Robben und Ribery bereit steht. Deutschlands Rekordmeister hat jetzt das stärkste Aufgebot der vergangenen Jahre, in der Breite noch besser als das Triple-Team von 2013.

Die große Frage: Wird der taktische Zick-Zack-Kurs am Ende der Saison die Ziele der Bayern gefährden? Die Qualität der Einzelspieler ist fraglos so hoch, dass man denken könnte, es ist fast egal, wie am Ende gespielt wird – Wolfsburg als erster schwererer Prüfstein hat aber bei allem Jubel gezeigt, dass dem nicht so ist. Und Guardiolas Taktik-Spielereien sind gefährlich. Bayern ist zwar schwer auszurechnen, aber oft waren es bisher einzelne Geniestreiche von Müller, Costa oder Lewandowski, die in dieser ersten Saisonphase die Spiele entschieden haben. Rotation und taktische Experimente können sinnvoll sein – aber Guardiola bringt seine eigene Mannschaft viel zu oft ohne Not in Schwierigkeiten.

Falsche Anfangsstrategie und kein Lerneffekt

Experten lobten den Coach zu Recht für die Umstellungen in der Halbzeit – aber die völlig verfehlte Anfangsstrategie war in der allgemeinen Begeisterung kein Thema mehr. Nicht immer wird man mit zwei Wechseln einen so krassen Kurswechsel erreichen wie am Mittwoch, allmählich müsste beim Trainer ein Lerneffekt einsetzen und zu größerer Stabilität führen. Der größte Erfolg der Clubgeschichte gelang 2013, als Jupp Heynckes das Team mit ganz ruhiger Hand führte und über die Saison nicht nur eine Stammelf, sondern auch ein stabiles System etablierte.

Klar, nach 8 Siegen aus 8 Spielen ist das Jammern auf hohem Niveau – aber es gibt trotz der allgemeinen Zufriedenheit in München schon Alarmzeichen an der Säbener Straße. Pep Guardiola steht schon wieder vor einer höchst anspruchsvollen Woche mit Spielen gegen die unbequemen Mainzer, die kroatischen Nobodys von Dinamo Zagreb in der Champions League sowie der wiedererstarkten Borussia aus Dortmund. Und der BVB verfolgt unter Thomas Tuchel einen klaren Plan, hier bilden sich gerade Automatismen die beim Titelverteidiger im Moment so nicht erkennbar sind. Und schon in dieser Woche gilt, dass jeder Punktverlust auch ein Kratzer im Lack des experimentierfreudigen Trainers ist.