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Ski-Queen-Debatte: Höfl-Riesch nimmt Stellung

Ski-Queen-Debatte: Höfl-Riesch nimmt Stellung

In den nächsten Tagen wird Cortina d'Ampezzo zum Mittelpunkt der Alpin-Welt (Alle Infos zur Alpinen Ski-WM)

Im italienischen Wintersport-Ort finden die 46. Weltmeisterschaften statt. Die Vorfreude auf dieses Ereignis ist zwar durch Corona und einige schwere Verletzungen etwas getrübt, aber Maria Höfl-Riesch blickt dennoch erwartungsvoll auf die Titelkämpfe.

Die Olympiasiegerin aus Garmisch-Partenkirchen spricht im SPORT1-Interview über die Chancen der Deutschen, die schweren Stürze in den letzten Wochen und ihre ehemalige Rivalin Lindsey Vonn.

SPORT1: Frau Höfl-Riesch, vorneweg erst mal gefragt: Wie geht's Ihnen eigentlich gegenwärtig?

Maria Höfl-Riesch: Naja, normalerweise fahre ich viel Ski, denn hier in Österreich haben die Skigebiete ja geöffnet, wenn auch sehr eingeschränkt, was Lifte betrifft, und auch ohne geöffnete Hütten. Deshalb ist das in diesen Zeiten natürlich nicht dasselbe. Allerdings habe ich mir vor wenigen Tagen ohnehin den Außenknöchel gebrochen, deswegen bin ich an die Coach gefesselt. Das zieht einen dann noch ein bisschen mehr runter, wenn wegen Corona eh schon alles recht trist ist. Die nächsten zwei, drei Wochen werde ich leider nicht so beweglich sein.

SPORT1: Dann gute Besserung! Beweglicher sind hoffentlich die deutschen Fahrer bei der anstehenden Ski-WM. Was erwarten Sie von den DSV-Athleten?

Höfl-Riesch: Das Speed-Team bei den Herren sehe ich ganz gut und auch breit aufgestellt. Zwar ohne einen absoluten Topfavoriten auf die Medaillen, aber einige haben doch schon gezeigt, dass sie durchaus ganz vorne mitmischen können. Eine WM hat oft ihre eigenen Gesetze: Wenn bei einem Andi Sander oder Romed Baumann alles zusammenpasst, dann können sie aufs Podest fahren. Dasselbe gilt für Linus Straßer mit seinen Erfolgen noch vor ein paar Wochen. Zuletzt hatte er zwar auch ein paar Ausfälle, vielleicht aber nimmt ihm das den Druck, wenn er jetzt eben kein Pflichtanwärter auf eine Medaille ist. Aber auch die Österreicher haben einige starke Talente in ihren Reihen wie zum Beispiel Daniel Danklmaier und Daniel Hemetsberger. Oder im Slalom mit Fabio Gstrein und Adrian Pertl.

Medaille für Höfl-Riesch "möglich"

SPORT1: Eine deutsche Medaille erwarten Sie aber nicht wirklich?

Höfl-Riesch: Sie ist möglich, aber erwarten darf man Medaillen ohnehin nie. Man muss am Wettkampftag da erst mal runterfahren und alle schlagen. Da kann dann so viel passieren: Ein kleiner Fehler, und alles ist vorbei.

SPORT1: Genau das ist Josef Ferstl passiert, der in Garmisch gestürzt ist. Wie schwer wiegt für Sie sein Ausfall für die WM?

Höfl-Riesch:Der verletzungsbedingte Ausfall von Josef Ferstl ist natürlich extrem bitter für das Team, vor allem aber für ihn persönlich. Er war in so einer aufsteigenden Form und dann dieses Pech so kurz vor der WM. Trotzdem hatte er irgendwie auch Glück, denn bei diesem schlimmen Sturz hätte noch weitaus mehr passieren können. Ich drücke ihm die Daumen, dass alles gut verheilt und er bald wieder fit wird.

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SPORT1: In der jüngeren Vergangenheit gab es erneut einige böse Stürze, man denke vor allem an das Chaos auf der Streif Ende Januar. Fährt der Skisport inzwischen endgültig zu sehr am Limit?

Höfl-Riesch: Die Diskussion gibt es ja schon seit Jahren. Man vergisst immer ein bisschen, dass es Stürze und Verletzungen in der Vergangenheit ja schon immer gab. Aber es stellt sich grundsätzlich natürlich die Frage: An welchen Stellschrauben können wir noch drehen, um das Risiko zumindest ein bisschen zu minimieren. Es wurde ja auch schon sehr vieles versucht, seien es Veränderungen bei den Regularien, beim Material oder den Rennanzügen. Aber die goldene Formel wurde leider noch nicht entdeckt.

Zu viele Stürze, zu viele Wettbewerbe?

SPORT1: Gibt es aber möglicherweise eine größere Sturz-Anfälligkeit bedingt durch die Termin-Hatz, die durch die lange Corona-Zwangspause entstanden ist. Im Radsport wird das ja durchaus so gesehen…

Höfl-Riesch: Ich war eher von weniger Verletzungen ausgegangen, weil die Strapazen von den üblichen Übersee-Reisen weggefallen sind. Sonst geht es ja schon im November in die USA, wo die Athleten ein sehr intensives Trainings- und Wettkampfpensum absolvieren müssen und dann meist sehr geschlaucht nach Europa zurückkehren. Es ist von daher schwer zu sagen, ob diese Corona-Wolke vielleicht wie ein Schatten über allem schwebt, weil dadurch neue Stresssituationen entstanden sind aufgrund des ständigen Testens und vielem mehr. Vielleicht schlägt das auch auf die Psyche.

SPORT1: Wird Ihrer Meinung nach denn aber genug getan, um die Sicherheit der Sportler zu gewährleisten?

Höfl-Riesch: Ich denke schon, dass sich die Verantwortlichen viele Gedanken machen, das Thema ist natürlich sehr komplex und nicht einfach zu lösen. Aber es gäbe schon noch weitere Ansätze, zum Beispiel durch die Kurssetzung, um so die Geschwindigkeiten zu regulieren. Nicht zuletzt aber gehen Skisportler zwangsläufig immer ein gewisses Risiko ein.

SPORT1:Felix Neureuther hat unlängst kritisiert, es gäbe zu viele Wettbewerbsformate

Höfl-Riesch: Ich finde auch, dass es mittlerweile ein bisschen unübersichtlich geworden ist. Da gehört manches verschlankt. Auf der anderen Seite soll die Sportart aber auch noch attraktiver werden, so dass logischerweise neue Wege ausprobiert werden. Und der Parallelwettbewerb ist im Weltcup mittlerweile ja auch beliebt – die Zuschauer sehen das gern, auch wenn sich über die sportliche Wertigkeit streiten lässt.

Höfl-Riesch: So ist mein Verhältnis zu Vonn

SPORT1:Lindsey Vonn macht sich große Sorgen um den Skisport, weil gegenwärtig ja keine Zuschauer an den Strecken erlaubt und im TV die Einschaltquoten rückläufig sind.

Höfl-Riesch: Diese Entwicklung schreitet leider tatsächlich seit Jahren schon voran, nicht erst seit Corona. Es braucht da gerade für die jungen Leute wieder mehr Attraktivität. Sonst verliert der Skisport weiter an Relevanz in der heutigen viel schnell-lebigeren Zeit als zu meiner Kindheit. Man muss deshalb nachdenken über Lösungen wie zum Beispiel eine zentrale Vermarktung - anstatt dass Rechte wie bisher teils bei den Nationalverbänden angesiedelt sind, dann wieder bei Marketing-Unternehmen. Auch wenn der Skisport damit nicht vergleichbar ist, aber wenn man dagegen schaut, wie das beim Fußball läuft…

SPORT1: Fehlen derzeit auch die ganz großen Namen nach den Abgängen von Stars wie etwa Bode Miller, Marcel Hirscher und Aksel Lund Svindal?

Höfl-Riesch: Dass man mit diesen Stars nicht mehr mitfiebern kann, mag ein Punkt sein. Dass da eben echte Typen fehlen – ein Vorwurf, der ja selbst im deutschen Fußball immer wieder anklingt, wo offenbar ebenso die großen Ausnahme-Persönlichkeiten nicht mehr aufzufinden sind.

SPORT1: Auf der anderen Seite wiederum hält es Lindsey Vonn für unangebracht, dass in den Medien eine Mikaela Shiffrin als die beste Skifahrerin aller Zeiten gefeiert wird.

Höfl-Riesch: Ich an Lindsey Vonns Stelle würde mich vielleicht auch ärgern, denn sie hat den Skisport ja über Jahre sehr geprägt. Dass sie sich den Titel als die große Ski-Queen der vergangenen Jahre nicht so gern abjagen lassen möchte, kann ich schon nachvollziehen. Aber man muss auch anerkennen, dass Mikaela Shiffrin Lindseys Erbe ganz gut weiterführt – und dass sie auch noch ein paar Jahre Zeit hat, um weiterhin sehr erfolgreich zu sein und Rekorde brechen kann.

SPORT1: Wie ist denn aktuell Ihr Verhältnis zu Lindsey Vonn?

Höfl-Riesch: Weil sie in Amerika lebt, haben wir uns schon ewig nicht gesehen. Ab und zu sind wir per WhatsApp in Kontakt. Aber mit der Distanz ist es schwierig, ein enges Verhältnis zu pflegen.