Haaland als Lewandowski-Ersatz? Das sagt Fjörtoft

Haaland als Lewandowski-Ersatz? Das sagt Fjörtoft

Er gilt bei Eintracht Frankfurt noch immer als Klub-Ikone - und sein Meinung ist bis heute gefragt, seitdem Jan Aage Fjörtoft von Herbst 1998 bis Frühjahr 2001 bei Eintracht Frankfurt gespielt hat.

Im SPORT1-Interview spricht Fjörtoft über Potenziale und Perspektiven der Frankfurter um Trainer Oliver Glasner, das Spiel der SGE gegen den FC Bayern (So., ab 17.30 Uhr im Liveticker) und Robert Lewandowski.

Auch über seine Landsmänner Erling Haaland bei Borussia Dortmund und Ole Gunnar Solskjaer als Coach von Manchester United hat der Norweger seine Meinung.

SPORT1: Jan Aage Fjörtoft, Eintracht Frankfurt hat ein „Norway Forum“ gegründet. Der Klub sieht sich als Brückenbauer in sportlicher, aber auch gesellschaftlicher Sicht. Können Sie uns die Idee dahinter verraten?

Jan Aage Fjörtoft: Die Eintracht hatte einige ehemalige Kollegen und mich gefragt, ob wir Markenbotschafter des Vereins werden wollen. Ich habe zugesagt und wollte mich in dem Amt auch praktisch betätigen. Ich baue ja schon seit über zehn Jahren Brücken zwischen Norwegen und Deutschland. Ich wohne in Norwegen, fühle mich sehr wohl in Deutschland und ich bin großer Fan von der Bundesliga und Frankfurt. Mein Plan war es, diese Beziehung zu systematisieren. Axel Hellmann (Vorstandssprecher Eintracht Frankfurt, Anm. D. Red.) hat zugesagt. Durch die Corona-Pandemie hat sich das Projekt verzögert. Aber ich wusste von Beginn an, dass Fußball auch in Sachen Medien, Kultur, Politik und Wirtschaft eine wichtige Rolle spielen kann. Das Stadion ist ein super Meetingpoint. Ich habe in meiner Karriere erlebt, welche Power der Fußball ausstrahlen kann. Frankfurt als Finanzmetropole hat deshalb sehr gut zu diesem Forum gepasst. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

SPORT1: Wie genau soll das Projekt mit Blick auf die Zukunft ablaufen?

Fjörtoft: Wir hatten eine erste Veranstaltung mit einer Ministerin und einem Botschafter aus Norwegen. Es ging dabei um Digitalisierung. Bei diesem Thema liegt Norwegen ganz weit vorne. Norwegische Firmen suchen generell Kontakt mit deutschen Unternehmen. Deutschland ist bei Themen wie Energie, Fisch, Technologie und Tourismus einer der wichtigsten Partner des Landes. Der Vorteil für die Eintracht ist die Positionierung der eigenen Marke. Der Deutsche Bank Park ist der wichtigste Business-to-Business-Meetingpoint in der Region. Die norwegische Ministerin war bei einer Stadionführung überrascht, dass ein Fußballverein nicht nur ein Fußballverein ist, sondern auch in Sachen Digitalisierung eine wichtige Rolle spielt. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Fjörtoft: Borré und Lammers benötigen „mehr Selbstverständnis“

SPORT1: Obwohl Sie nur rund zweieinhalb Jahre bei der Eintracht waren, ist ihre Beziehung sehr eng zu dem Klub. Wie nehmen Sie die aktuelle Entwicklung wahr?

Fjörtoft: Die Eintracht hat mit dem neuen Trainer Oliver Glasner und Sportvorstand Markus Krösche viel Klasse geholt. Aber die Mannschaft braucht Erfolgserlebnisse. Nur dann glauben alle Beteiligten daran, dass das Projekt funktionieren kann. Derzeit geht die 1:1-Serie in der Bundesliga allen auf die Nerven. Der Verein muss in dieser Phase eine gute Mischung erzwingen und Ruhe bewahren. Ich sehe keine sportliche Krise, sondern die Suche nach einem Erfolgserlebnis. Der Last-Minute-Sieg in der Europa League gegen Royal Antwerpen kann dabei helfen. (SERVICE: Bundesliga-Spielplan zum Ausdrucken)

SPORT1: Mit André Silva hat die Eintracht jedoch ihren Topstürmer verloren. Wie gefallen Ihnen die Ersatzleute Sam Lammers und Rafael Borré?

Fjörtoft: Raffael Borré hat sein Tor schon bekommen, Sam Lammers auch. Aber sie benötigen schnell noch mehr Treffer für ihr Selbstverständnis. Das Team funktioniert besser, wenn du Angreifer hast, die regelmäßig treffen. Die Eintracht hat mit André Silva 28 Tore verloren. In der Vergangenheit hat der Verein immer sensationellen Ersatz gefunden. Ob es der Eintracht diesmal gelingt, lässt sich noch nicht sagen. Stürmer, die Tore schießen, werden weltweit gesucht. Das ist kein leichtes Unterfangen.

Fjörtoft: Frankfurt „hat sich gut verstärkt“

SPORT1: Aktuell gibt es eine Systemdiskussion. Kann Eintracht Frankfurt nur in der Dreierkette erfolgreich sein?

Fjörtoft: Für ein Erfolgserlebnis kann die Mannschaft auch mit Sechserkette oder sieben Stürmern spielen – das System ist zweitrangig. Die aktuelle Unentschieden-Serie in der Bundesliga ist vor allem Kopfsache. Die Systemdiskussion ist nur eine Konsequenz, weil in der Liga das Erfolgserlebnis fehlt. Die Ergebnisse haben aber nichts mit dem System zu tun.

SPORT1: Der Umbruch bei der Eintracht war gewaltig. Wie bewerten Sie die Arbeit von Trainer Oliver Glasner und Sportvorstand Markus Krösche in diesen ersten Monaten?

Fjörtoft: Eintracht Frankfurt hat mit Fredi Bobic und Adi Hütter zwei Schlüsselfiguren verloren. Sie haben bei der Nachfolgersuche mit Oliver Glasner und Markus Krösche ins oberste Regal gegriffen. Im Fußball ist es aber am Ende ganz einfach: Wenn du Spiele gewinnst, dann machst du alles richtig und wenn du nicht gewinnst, dann machst du vieles falsch. So sind die Mechanismen in dem Business. Prinzipiell hat sich die Eintracht aber gut verstärkt. Glasner kam von Champions-League-Teilnehmer Wolfsburg und Krösche vom Red-Bull-Konzern, wo er sein Können bewiesen hat. Jetzt muss die Eintracht Spiele gewinnen.

Fjörtoft: So würde ich Eintracht-Stars motivieren

SPORT1: Der Saisonstart war trotz Sieges gegen Antwerpen wackelig. Nun führt die Reise zum Duell beim FC Bayern. Sie waren der letzte Siegtorschütze der Eintracht in München. Trauen Sie den Frankfurtern tatsächlich ein „Wunder“ zu? (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

Fjörtoft: Ich hoffe, dass mich nach dem Spiel ein Stürmer anruft und sagt, dass er mich als letzter Siegtorschütze in München abgelöst hat (lacht). Ich gebe diese Ehre gerne ab. Diese Spiele gegen den FC Bayern sind die einfachsten. Jeder Punkt in der Allianz Arena ist ein Bonus. Alle glauben, dass die Auswärtsmannschaften hoch verlieren. Es ist ein super Test für die Mentalität der Spieler. Sie können sich mit den besten Profis der Welt messen. In München musst du nicht gewinnen, sondern dort kannst du gewinnen. Der FC Bayern ist natürlich haushoher Favorit, doch gerade das macht die Lage etwas einfacher für die Eintracht.

SPORT1: Natürlich waren Oliver Kahn, Stefan Effenberg oder Giovane Elber zu früheren Zeiten Topstars, die über dem Niveau der Liga schwebten. Doch der FC Bayern schien vor 20 Jahren auch daheim besiegbar. Inzwischen ist der Klub Abonnementmeister. Wie würden Sie die Spieler für diese Partie motivieren?

Fjörtoft: Ich würde hinten mit Martin Hinteregger und Co. anfangen und sagen: ‚Stellt euch vor, dass Robert Lewandowski keine Tore schießt und ihr den besten Stürmer der Welt im Griff hattet.‘“ Den Mittelfeldspielern würde ich erklären: ‚Mit Joshua Kimmich und Leon Goretzka hat der FC Bayern zwei der weltweit besten Achter auf dem Platz. Vielleicht spielen sie an diesem Tag fünf Prozent schlechter und ihr spielt zehn Prozent besser. Dann habt ihr mit Kimmich den vielleicht zukünftigen Kapitän der Nationalmannschaft ausgeschaltet. ' Für die Stürmer wäre es ein Ansporn, wenn sie mit Manuel Neuer den besten Torhüter der Welt überwinden könnten. Fußballer sollten eigentlich immer Lust darauf haben, gegen die besten Spieler der Welt spielen zu dürfen.

Fjörtoft: „Lewandowski wie van Basten ein Phänomen“

SPORT1: Mit Robert Lewandowski hat der Klub den aktuell wohl stärksten Mittelstürmer Europas in den eigenen Reihen. Was macht ihn so speziell?

Fjörtoft: Ich bin mit Marco van Basten aufgewachsen. Er war ein Phänomen, doch mit Robert Lewandowski wurde ein Stürmer geboren, der mit ihm auf einer Höhe ist. Seine Torjägereigenschaften sind das eine. Aber Lewandowski setzt seinen Körper ein, er hat eine unglaubliche Balance, Technik und er bringt seine Mitspieler in Position. Für mich ist er seit vielen Jahren klar die beste Nummer neun der Welt. Es ist phänomenal, wie sich Lewandowski immer wieder neu entwickelt. Er ist 33 Jahre alt und trotzdem siehst du immer diese Gier, Tore zu schießen und Spiele zu gewinnen. Das ist sehr beeindruckend.

SPORT1: Mit Ihrem Landsmann Erling Haaland spielt der zweite Topstürmer der Bundesliga in Dortmund. Glauben Sie wirklich, dass Haaland auch über den Sommer hinaus noch beim BVB bleibt?

Fjörtoft: Es wird viel über die Zukunft von Erling Haaland spekuliert. In diesem Sommer konnte Borussia Dortmund entscheiden. Durch die Klausel kann Haaland im nächsten Sommer entscheiden, wie es für ihn weitergeht.

Haaland zu Bayern? „Viel mit Timing zu tun“

SPORT1: Könnte sich der FC Bayern, sollte sich Haaland für einen Wechsel entscheiden, realistische Chancen ausrechnen?

Fjörtoft: Ein Wechsel hat viel mit Timing zu tun. Welchen nächsten Schritt möchte ein Spieler gehen? Die besten Spieler, zu denen auch Haaland gehört, verbindet eine Eigenschaft. Sie wollen sich weiterentwickeln, Titel gewinnen und viel Geld verdienen. Wo finden diese drei Komponenten am besten zueinander? In einem Jahr ist Haaland 22 Jahre alt und muss entscheiden, welcher Schritt richtig ist. Er hat mit Salzburg und Dortmund bislang die Entwicklungsarenen gesucht. Haaland wird auch diesmal nach der richtigen Mischung suchen.

SPORT1: Blicken wir noch auf einen weiteren Landsmann von Ihnen, Ole Gunnar Solskjaer. Er hat bei Manchester United ein absolutes Topteam zur Verfügung. Doch Solskjaer steht eigentlich in der Dauerkritik. Trauen Sie ihm mit Cristiano Ronaldo im Team dennoch den großen Wurf in der Liga zu?

Fjörtoft: Manchester United hat nach der Ära Sir Alex Ferguson auf dem Trainerstuhl alles versucht. Sie haben mit David Moyes erst eine Kopie von Ferguson geholt. Danach kam mit Louis van Gaal ein sehr starker Mann. Auf ihn folgte mit José Mourinho ein Trainer, der für Titelgewinne steht. Und anschließend zog Manchester mit Ole Gunnar Solskjaer einen Schüler von Ferguson hoch. Platz zwei in der vergangenen Saison war eine sehr gute Leistung von ihm. Er hat das Schiff von Mourinho übernommen und einem damals toten Team wieder Leben eingehaucht. Dann geht Solskjaer in diesem Sommer ins Bett und freut sich über die Stars, die er bekommen hat. Am nächsten Morgen wacht er auf und weiß, dass er mit Cristiano Ronaldo, Raphael Varane und Jadon Sancho Titel gewinnen muss. Der Druck wird somit noch größer. Er weiß aber, worum es geht. Das ist seine große Stärke, er kann mit Druck umgehen. Solskjaer ist sich darüber im Klaren, dass ihm nur Siege helfen. Das ist in Manchester und bei jedem anderen Verein auch so.

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