Real gegen Bayern: So sexy kann Fußball sein

Das Rückspiel im Halbfinale der Champions League zwischen dem FC Bayern München und Real Madrid hatte aus deutscher Sicht das falsche Ende. Und doch dürfen solche Partien in der europäischen Königsklasse gerne wieder die Regel werden.

Thomas Müller blieb ohne Torerfolg gegen Real Madrid. (Bild: Getty Images)
Thomas Müller blieb ohne Torerfolg gegen Real Madrid. (Bild: Getty Images)

Nach rund sechs Minuten Nachspielzeit hatte Cüneyt Cakir in Madrid genug gesehen und beendete die Partie zwischen Real Madrid und dem FC Bayern. Der deutsche Fan hätte sich gerne ein paar mehr Minuten gewünscht – und das nicht nur aufgrund des Ergebnisses.

Tatsächlich hätten die 95 Minuten im Santiago Bernabeu auch gerne zu 120 Minuten werden dürfen, denn beide Mannschaften lieferten sich einen echten Kampf mit offenem Visier.

Die Ausgangslage hatte von Anfang an für eine spannende Ansetzung gesorgt. Die Bayern mussten Tore erzielen und waren durch Joshua Kimmich früh in Führung gegangen. Das brachte Real in Bedrängnis und schon entwickelte sich ein Spiel, wie es seit Jahren in der Champions League nicht mehr vorgekommen ist.

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Das beste Spiel seit fünf Jahren?

Zwei Mannschaft auf dem höchsten Niveau mit dem absoluten Willen, Tore zu erzielen. Konter wechselten sich mit längeren Passstafetten ab, beide Trainer hatten ihren Spielern ein aggressives und aktives Verteidigen vorgeschrieben.

Die Bayern mussten offensiv agieren, während die Spanier aufgrund eigener defensiver Mängel durchaus dazu gezwungen waren, ihr Heil im Sturm zu suchen. Herauskam ein beeindruckendes, temporeiches und bis zum Schlusspfiff spannendes Spiel.

Dass der FC Bayern am Ende ausschied, ging vor allem auf eine mangelhafte Chancenverwertung zurück. Karl-Heinz Rummenigge sprach dennoch im Anschluss vom besten Spiel seit fünf Jahren, auch Trainer Jupp Heynckes war angetan von der Leistung seiner Mannschaft.

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Der Jubel nach Abpfiff kannte bei Real Madrid keine Grenzen. (Bild: Getty Images)
Der Jubel nach Abpfiff kannte bei Real Madrid keine Grenzen. (Bild: Getty Images)

Emotionen auf beiden Seiten

Alle paar Minuten ging ein Raunen durchs Stadion. Dann, wenn Franck Ribery wieder mit einem schnellen Dribbling in den Strafraum zog, wenn Cristiano Ronaldo einen Trick ansetzte oder Keylor Navas eine seiner starken Paraden zeigte.

Niklas Süle wurde zum Turm in der Schlacht und musste doch zusehen, wie ein individueller Fehler von Corentin Tolisso und Sven Ulreich dem in den letzten Tagen und Wochen so stark kritisierten Karim Benzema zu seinem zweiten Treffer verhalf.

Nicht nur der Franzose wurde auf dem Platz emotional. James Rodriguez kämpfte nach seinem Treffer gegen den Ex-Verein mit der Fassung, Thomas Müller trommelte vor Wut mit beiden Fäusten auf den Boden. Und ganz nebenbei erlebte Heynckes sein allerletztes Spiel auf internationaler Bühne.

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Fußball wie aus dem Bilderbuch

Es war ein Abend wie aus dem Bilderbuch: Toller Fußball, Kampf, Emotionen, Abschiede und Freude nah beieinander. So wünscht man sich die Champions League – ganz besonders in einem Halbfinale. Zu oft war in den letzten Jahren das Rückspiel zu einem Wettstreit von Defensive und der tickenden Uhr geworden, zu oft wurden Spiele von Taktik geprägt und von Pressing zerstört.

Das Spiel zwischen den Bayern und Real machte schlichtweg Spaß, es begeisterte die Zuschauer bis zur allerletzten Sekunde im Stadion oder vor dem TV-Bildschirm. Nicht zuletzt auch aufgrund der enormen Fairness auf dem Rasen.

Vergessen blieben die Zeiten, in denen Marcelo in seine Gegenspieler krachte, bei jedem Foul laustark eine Karte gefordert wurde und Sergio Ramos mit Franck Ribery aneinandergeriet. Dafür war am Dienstagabend im Santiago Bernabeu schlicht kein Platz, zu viel Fußball wurde gespielt.

Die Bayern kämpften tapfer, wurden aber Opfer individueller Fehler. (Bild: Getty Images)
Die Bayern kämpften tapfer, wurden aber Opfer individueller Fehler. (Bild: Getty Images)

Selbst das Zeitspiel fällt nicht ins Gewicht

Dass die Madrilenen sich am Ende mit Zeitspiel über die letzten 20 Minuten retteten, fällt dabei nicht mehr schwer ins Gewicht. Mal zweigte Navas beim Abstoß eine halbe Minute ab, mal musste sich Marco Asensio noch die Schienbeinschoner aus dem Stutzen fischen, bevor er zur Bank trabte.

Wer will es ihnen verdenken? Die Bayern hätten das Gleiche getan, wenn sie auf der Siegerstraße gewesen wären. Und so will man Real eigentlich nur vorwerfen, dass sie dem Fan von diesem Fußball-Fest wertvolle Sekunden geraubt haben.

Es bleibt die Hoffnung, dass im Finale der Champions League Ähnliches geboten werden wird. Real Madrid wird ohne Zweifel wieder einiges aufbieten – bliebe nur die Frage, ob der FC Liverpool respektive der AS Rom genauso mitmacht wie der FC Bayern im Halbfinale.