Hamburgs Nein zu Olympia ist kein Beinbruch

Hamburgs Nein zu Olympia ist kein Beinbruch

Katerstimmung am Tor zur Welt: Im Referendum entschieden sich die Hamburger gegen eine Olympia-Bewerbung. Das ist kein Beinbruch. Denn die Spiele sind weniger wichtig als Mancher denkt.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ein Gewinner des Hamburger Referendums vom vergangenen Sonntag steht fest: Es ist die Demokratie. Es gab einen echten Wahlkampf, mit intensivem, zumeist sachlichem Argumentationsaustausch. Die Wahlbeteiligung war höher als sonst – und am Ende konnten sich die Hanseaten ein bisschen fühlen wie die Bürger des antiken Athens, die nach den Voten in ihre Häuser zurückkehrten.

Deshalb sollten Jubel und Katzenjammer nicht allzu laut ausfallen. Die Gegner einer Olympia-Bewerbung müssen letztendlich einräumen: Keiner weiß, was eine Spielausrichtung der Stadt nicht doch gebracht hätte. Keiner kann genau ermessen, für wie viele Miese am Ende der Steuerzahler hätte einstehen müssen. Alles Weitere lässt sich kommentieren mit dem berühmten Ausspruch eines nicht mehr ganz so berühmten Kanzlerkandidaten: Hätte, hätte, Fahrradkette.

Das Bewerberteam hatte nämlich einige vernünftige Ideen. Das Konzept schien – und das war schon selbst eine Premiere – seriös durchgerechnet und kein haltloses Versprechen wie bei Olympiabewerbungen schon historisch üblich. Auch stadtplanerisch hätte mit der Gestaltung eines neuen Kiezes an der Elbe die Hansestadt einen Schub nach vorn erhalten.

Die immensen Kosten waren letztlich ein Grund gegen die Bewerbung.
Die immensen Kosten waren letztlich ein Grund gegen die Bewerbung.

Die Krise der dicken alten Männer

Das Votum dagegen ergibt aber auch Sinn. Natürliche Entwicklungen sind für eine Stadt oft verträglicher als Schubser wie eine Olympiabewerbung. Und überhaupt sollte sich die Sportwelt fragen, inwiefern es einfach so weitergehen sollte mit diesen glamourösen Megaevents: Solange die Sportverbände, von den traditionell korrupten Olympiamanagern bis hin zum letztendlich auch gestrauchelten ehemaligen Saubermann Deutscher Fußballbund, nicht radikal auf Transparenz, auf ein Ende der Mauscheleien und Selbstbereicherungen setzen, riskieren sie immer mehr die Ablehnung der Bürger. Warum sich krumm machen für die dicken alten Männer an der Spitze der Kreise?

Und auch das Klagelied, das mancher Kommentator jetzt anstimmt, ist verfehlt. Barcelona sei erst zur Weltstadt mit den Olympischen Spielen gereift? Unsinn. Die WM 2006 in Deutschland sei die Party des Lebens gewesen? Lächerlich. Das Fazit von Olympiastädten ist ernüchternd: Entweder die Spiele haben ihnen nicht allzu sehr geschadet, oder diese Orte standen am Ende mit Schulden und riesigen, nicht mehr genutzten Bauten da. Hamburger sind nicht dumm. Warum sich auf solche offene Rechnungen einlassen?
Rückzug ist kein Beweis für Unvernunft

Verlierer dagegen sind die Sportler. Für sie würden Spiele in Deutschland endlich mehr Wahrnehmung bedeuten. Mehr Förderung und Beifall. Für sie ist die Absage bitter und passt in eine Zeit, in der der Leichtathletik und vielen anderen „Randsportarten“ das Scheinwerferlicht entzogen wird.

Das Nein ist indes auch kein Votum gegen „positive Aufmerksamkeit“ oder für Zagheit – oder gar im Sinne der Terrorgruppe „Islamischer Staat“, die Angst einjagen will. Den Spielen würde mehr Gewicht verliehen als sie tatsächlich haben. Unsere westliche Welt wird immer große Ereignisse feiern, und der IS wird immer Gelegenheit haben, sie stören zu wollen; dafür braucht es Olympia nicht. Die Hamburger sind vielleicht gerade zufrieden mit dem, wie es ist. Ist das, in diesen stürmischen Zeiten, nicht auch ein gutes Signal?