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“Man muss überlegen, ob man den mitnimmt zur WM”

Uli Borowka war als Profi ein knallharter Abwehrspieler. Dies brachte ihm den Spitznamen „Eisenfuß“ ein. Während und nach seiner Karriere kämpfte er auch gegen sich selbst und seine Alkoholsucht. Seit knapp 22 Jahren ist der 60-Jährige trocken. Heute kümmert sich Borowka um Menschen mit psychischen Problemen, gibt Lesungen in Kliniken, Vollzugsanstalten, Jugendzentren und Vereinsheimen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Bei Borussia Mönchengladbach wurde er 1981 zum Profi, mit Werder Bremen jeweils zweimal Deutscher Meister und Pokalsieger. 1992 gewann er mit Werder den Europapokal der Pokalsieger.

Vor dem Duell zwischen Werder und der Borussia am Samstagabend (Bundesliga: Werder Bremen - Borussia Mönchengladbach, 18.30 Uhr im LIVETICKER) spricht der 60-Jährige im SPORT1-Interview über seine Ex-Klubs und äußert harsche Kritik an Gladbachs ehemaligem Sportdirektor Max Eberl. Für Nationaltrainer Hansi Flick hat er einen Tipp.

SPORT1: Herr Borowka, aus aktuellem Anlass: Was sagen Sie zur Entlassung von Christian Stoll, der seit 25 Jahren Stadionsprecher von Werder Bremen war?

Uli Borowka: Wenn das an der Augsburg-Geschichte liegt, wo er etwas zum Schiri und zum vierten Offiziellen gesagt hat, finde ich das überzogen. Er ist natürlich eine gefühlte Ewigkeit bei Werder. Da hätte man anders mit ihm umgehen können, wenn es wirklich die Vorkommnisse von Augsburg waren. Er hätte ein blaues Auge verdient und dann ist es auch wieder gut. Aber keinen Rauswurf. Insgeheim aber denke ich, dass es das alleine nicht sein kann. Da sind vielleicht einige andere Sachen aufgekommen.

„Tradition wird nur noch gelebt, wenn sie gebraucht wird“

SPORT1: Schauen Sie noch mit besonderem Blick auf das Duell am Samstagabend im Weserstadion?

Borowka: Absolut. Es gibt nicht mehr so viele Spiele, die für mich einen besonderen Reiz haben. Aber das Duell meiner Ex-Klubs schaue ich mir wirklich gerne an. Es ist eine super Geschichte, dass sich beide Klubs jetzt wieder in der Bundesliga treffen. Werder und Borussia gehörten für mich schon immer dorthin. Es sind zwei tolle Traditionsvereine. Ich muss aber sagen, dass Tradition leider nur noch von den Vereinen gelebt wird, wenn sie gebraucht wird. Man sollte sich da mal ein Beispiel nehmen an Schalke 04. Da treffen sich die alten Recken immer noch und leben Tradition. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)

SPORT1: Wo war Ihre schönere Zeit?

Borowka: Ich hatte in beiden Klubs eine grandiose Zeit. Ohne die Ausbildung unter Jupp Heynckes bei der Borussia als junger Profi wäre ich nie Bundesliga-Profi geworden. Da kann ich für viele andere Gladbacher wie unter anderem Christian Hochstätter, Michael Frontzeck oder Schorsch Dreesen sprechen. Das haben wir alle Jupp zu verdanken. In Bremen hatte ich dann das Glück, dass ich die Titel ernten konnte. (lacht)

Wird Ole Werner der neue Rehhagel?

SPORT1: Otto Rehhagel und Thomas Schaaf haben in Bremen eine Ära geprägt. Trauen Sie Ole Werner das auch zu?

Borowka: Ich denke schon. Das sieht unter Werner gerade schon sehr rund aus. Die Mannschaft funktioniert von der Einstellung, die sie auf dem Platz zeigt. Das hat in den vergangenen Jahren nicht so funktioniert. Wenn die Einstellung nicht stimmt, läuft etwas falsch. Ich sehe bei Werder eine Truppe, die zusammen gewachsen ist. Qualitativ ist Werder nicht im oberen Drittel angesiedelt, aber das wird durch den Teamspirit wettgemacht. Das gefällt mir wirklich gut.

SPORT1: Bereiten Ihnen die vielen Gegentore aber nicht Kopfschmerzen?

Borowka: Oh ja. Das ist nicht schön. Aber dieses Problem gibt es schon seit vielen Jahren. Die Abwehr hatte bei Werder in der Vergangenheit immer wieder Aussetzer. Und es fehlt ein klassischer Sechser. Das ist für mich mit die wichtigste Position. Da wäre es schön gewesen, wenn man darauf im Sommer mehr Augenmerk gelegt hätte.

SPORT1: Nur drei Klubs haben mehr Gegentore als Werder bekommen.

Borowka: Das tut mir als früherer Abwehrspieler natürlich weh. Die vielen Gegentore ziehen sich wie schon erwähnt seit Jahren wie ein roter Faden durch Werders Abwehr. Die Fehler jetzt wurden defensiv auch schon vor dem Abstieg gemacht. Damals gab es daheim ein 0:5 gegen Mainz. Entscheidende Zweikämpfe werden verloren und man steht schlecht zum Gegenspieler. Das ist für mich ein No-Go. Wenn Du 60 Gegentore kriegst, wirst Du immer unten drin hängen. Oder Du hast einen Wunderstürmer und gewinnst die Spiele 3:2.

SPORT1: Das ist aber eine deutliche Kritik an Geschäftsführer Frank Baumann.

Borowka: Ich will da gar keine Kritik üben. Das fing ja schon unter Florian Kohfeldt an, als man ohne Sechser spielte. Alle Mannschaften, die im oberen Drittel spielen, haben einen oder zwei grandiose Sechser. Da will ich gar nicht von Kimmich oder Goretzka reden oder früher von Schweinsteiger, van Bommel, Kehl. Werder hatte damals Votava und Eilts. Ohne diese Leute, sprich starke Spieler auf der Sechser-Position, wirst du keinen Blumentopf gewinnen. Werder hat es verpasst, da gute Spieler zu finden.

SPORT1: Wie sehen Sie Ole Werner?

Borowka: Er kam natürlich durch einen unglücklichen Zufall zu Werder, weil ein anderer Trainer seinen Impfpass gefälscht hatte. Werner passt sehr gut zu Werder. Er macht alles richtig. Von der Außendarstellung bis zur Arbeit mit dem Team. Da sehe ich Jungs auf dem Rasen, die füreinander rennen und kämpfen. Werner könnte einer für die nächsten Jahre werden. Da entwickelt sich etwas. Vielleicht wird er der neue Rehhagel.

Borowka lobt Gladbachs neuen Trainer Farke

SPORT1: Lassen Sie uns über die Gladbacher reden. Kann man mit Daniel Farke wieder von Europa träumen?

Borowka: Sicher. Ob es dann auch umgesetzt wird, sei mal dahingestellt. Die ersten Spiele stimmen mich optimistisch. Die Mannschaft ist gefestigt und die Stürmer sind wieder in der Spur. In der Offensive wurden in den vergangenen ein, zwei Jahren eher schlechte Leistungen gebracht. In Gladbach ist wieder etwas zusammengewachsen, was sicher mit Farke zusammenhängt. Man muss aber auch sagen, dass es so wie in der alten Saison nicht weitergehen konnte. Das war ein richtig schlechtes Jahr. Da passte alles nicht mehr zusammen. Erst das mit dem Trainer, dann die Sache mit Eberl. Das hat dem Klub nicht gut getan. Jetzt ist Borussia wieder in der Spur und ich glaube man ist wieder für eine Überraschung gut, wenn es um die oberen Plätze geht.

SPORT1: Sie haben Max Eberl angesprochen. Er war lange der Baumeister von Borussias Erfolg. Nach seiner krankheitsbedingten Pause wird er ab dem 1. Dezember neuer starker Mann im sportlichen Bereich bei RB Leipzig. Dafür gab es einiges an Kritik. Was sagen Sie dazu?

Borowka: Mir hat die ganze Geschichte gar nicht gefallen. Es gibt zu viele Fragezeichen. Ich habe Eberl immer sehr geschätzt für seine offene und ehrliche Art. Er hat stets zu 100 Prozent für Borussia gestanden, forderte stets, dass man sich mit dem Verein identifiziert. Ehrlichkeit stand ganz oben bei ihm. Das hat Eberl jetzt komplett verspielt. Unabhängig von der Krankheit. Das möchte ich ganz klar sagen. Aber es sind zu viele Fragen offen. Ich kann diese Art und Weise von Eberl nicht nachvollziehen.

SPORT1: Das klingt hart…

Borowka: Das ist meine Meinung. Wenn man schwer krank ist, dann muss man eine gewisse Zeit in eine Klinik und sich helfen lassen. Aber nochmal: Ich möchte das unabhängig von der Krankheit sehen. Eberl war in Gladbach ein super Manager und stand für vieles. Dass er dann alles über den Haufen wirft, was er früher mal gesagt hat von wegen ‚Nach mir die Sintflut‘, das finde ich nicht okay. Da hat sich Eberl wie ein Politiker verhalten. Während einer Wahl versprechen diese Leute immer etwas und wenn sie gewählt sind, können sie sich an nichts mehr erinnern.

SPORT1: Sie können also die Gladbach-Fans verstehen, die auf die Barrikaden gegangen sind?

Borowka: Ich kann das verstehen. Aber wie das dann nur auf die Krankheit bezogen wird, ist nicht in Ordnung. Das verurteile ich und möchte es differenziert sehen.

SPORT1: Was hätten Sie Eberl besser abgenommen?

Borowka: Der Fußball hat jetzt noch mehr an Kredit verloren. Man kämpft für Glaubwürdigkeit und das hat Eberl jetzt über den Haufen geworfen. Auch was seine Aussagen über RB betrifft. Es wäre vielleicht ratsam gewesen, wenn er eine Zeitlang ins Ausland gewechselt wäre.

SPORT1: Freuen Sie sich denn, dass Eberl wieder da ist?

Borowka: Mir ist das egal. Ich habe meine Meinung dazu und da ist keine Freude, da ist kein gar nichts. Es ist für mich auch in den nächsten Jahren absolut uninteressant, ob Eberl bei RB Leipzig ist oder nicht.

Diesen Spieler muss Flick auf dem Zettel haben

SPORT1: Welcher Spieler bei Werder gefällt Ihnen besonders?

Borowka: Bei Werder ist es Niclas Füllkrug. Ich freue mich für ihn und hoffe, dass der Junge verletzungsfrei durch die Saison kommt. Im Moment ist Füllkrug Werders Lebensversicherung. Er hatte einige schwere Jahre, jetzt wirkt er topfit und ich muss ganz ehrlich sagen, dass er eher in die Nationalmannschaft gehört als ein Timo Werner, der nichts auf die Platte bringt. Da muss man überlegen, ob man den mitnimmt zur WM. Dem DFB-Team fehlt ein Stoßstürmer. Da würde ich Füllkrug Werner vorziehen.

SPORT1: Welcher Spieler begeistert Sie bei Gladbach?

Borowka: Da muss ich Yann Sommer nennen. Er überzeugt seit vielen Jahren. Wer mich seit langem auch erfreut, ist Lars Stindl, der stets tolle Leistungen auf dem Platz zeigt, Verantwortung übernimmt und das Team mitzieht. Er baut keinen Mist und marschiert immer vorne weg. Und Stindl hat eine klare Meinung. Diese Spieler haben Borussia all die Jahre sehr gut getan.

SPORT1: Wie geht es aus am Samstag?

Borowka: Ich tippe ein 3:3.

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