Froome nach Crash und Rollstuhl: Mega-Coup oder PR-Gag?

Froome nach Crash und Rollstuhl: Mega-Coup oder PR-Gag?
Froome nach Crash und Rollstuhl: Mega-Coup oder PR-Gag?

Reift diese Radsport-Geschichte nun wirklich zum Mega-Coup? (NEWS: Alles zum Radsport)

Der große Chris Froome saß hibbelig wie ein kleiner Junge am ersten Schultag vor dem ungewohnten Logo seines neues Teams und schien vor Vorfreude fast zu platzen.

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"Als ich als Neo-Profi 2008 meine erste Tour de France gefahren bin, hat sie auch hier in Brest begonnen", sagte der viermalige Sieger des größten Radrennens der Welt drei Tage vor dem Auftakt in der Bretagne: "Jetzt schließt sich hier ein Kreis - und ich kann kaum erwarten, dass es losgeht."

Vor bald anderthalb Jahrzehnten stand der damals 23-Jährige im Trikot der kleinen Barloworld-Mannschaft am wilden Nordwest-Zipfel Frankreichs erstmals an der Startlinie der Tour und am Anfang einer Weltkarriere. (SERVICE: der Radsport-Kalender)

Dass Froome nun mit 36 noch einmal dort zur Frankreich-Rundfahrt zurückkehren darf, ist für ihn ein wundervolles Geschenk. "2019 habe ich die Tour aus dem Rollstuhl verfolgt - mich hat immer angetrieben, wieder hier zu sein."

Froome: Comeback nach Horror-Crash und Rollstuhl:

Das war nicht unbedingt zu erwarten nach diesem verhängnisvollen 12. Juni 2019. Jenem Tag, an dem Froome seine Karriere wortwörtlich an die Wand fuhr.

Einrollen für das Zeitfahren der Dauphine wollte er sich, dann lief die Nase, Froome nahm die Hände vom Lenker - und flog beim Putzversuch dank einer Windböe mit Tempo 60 ins Gemäuer. (SERVICE: Tour de France - die Etappen im Profil)

Die Folgen waren dramatisch: Teils offene Brüche an Oberschenkel, Brustbein, Halswirbeln. Intensivstation. "Ich bin froh, am Leben zu sein", sagte er später. Froome war wochenlang ans Bett gefesselt, musste das Gehen neu lernen.

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Aber er schaffte es wieder aufs Rad, feierte im Februar 2020 sein Comeback. Der Traum vom fünften Tour-Sieg lebte. Nur: Der Körper ist nicht mehr der alte, Froome meilenweit vom einstigen Ausnahme-Können entfernt. Für die Tour 2020 reichte es nicht, die folgende Vuelta brachte Platz 98.

Verneigung vor Froomes Lebensleistung - aber sonst?

Auch beim Israel-Start-up!-Nation-Team, bei dem der langjährige Sky/Ineos-Kapitän eine neue, langfristig angelegte und fürstlich entlohnte Beschäftigung gefunden hat, fährt er hoffnungslos hinterher. Dass Froome für die Tour nominiert wurde, ist Verneigung vor der Lebensleistung. "Wenn schon nicht als Leader, will ich dem Team mit meiner Erfahrung helfen", sagte Froome zur angedachten Edelhelfer-Rolle.

2022 aber soll der dann 37-Jährige wieder als Kapitän um den Tour-Sieg fahren, in einem Alter, in dem noch nie jemand das Rennen gewonnen hat.

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"Dafür haben wir ihn geholt. Er ist keine Werbefigur für uns, sondern ein Champion", sagt ISN-Miteigentümer Sylvan Adams unerschütterlich: "Wir glauben an Chris." Jenseits des Teams teilt kaum jemand diesen Glauben - es klingt eher wie ein rosaroter PR-Gag.

Der Glauben an sich selbst aber treibt Froome an. "Wirklich daran gezweifelt, wieder bei der Tour sein zu können, habe ich nicht. Irgendwann hatte ich die Gewissheit, dass körperlich alles in Ordnung ist. Und danach habe ich einfach alles versucht", sagte er.

Froome will Rad der Zeit zurückdrehen

Jetzt will er die Tour einfach nur genießen, so wie dereinst, als Froome erstmals von Brest aufbrach - damals schon gemeinsam mit seinem langjährigen Sky-Wegbegleiter Geraint Thomas - und letztlich 82. wurde. Heute wie damals soll die Bretagne der Auftakt zu besseren Jahren werden.

"Ich habe alles getan, um zurück zu sein", sagte Froome: "Nun will ich alles tun, um wieder in alte Form zu kommen." Und die Radwelt am Ende vielleicht tatsächlich noch einmal aus den Angeln zu heben.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)