Das hochbrisante Olympia-Aus eines Wunderduos

Das hochbrisante Olympia-Aus eines Wunderduos
Das hochbrisante Olympia-Aus eines Wunderduos

Das Aufsehen war groß, als sie sich auf spektakuläre Weise zur Gold-Favoritin bei Olympia erhob. Inzwischen ist es noch größer geworden.

Die 18 Jahre alte Christine Mboma aus Namibia, Weltjahresbeste über 400 Meter, darf in Tokio nicht auf dieser Strecke antreten - ebenso wenig wie Altersgenossin Beatrice Masilingi.

Der Grund: Bei den beiden wurde ein erhöhter Testosteronwert festgestellt.

Die schnellsten Läuferinnen dürfen in Tokio nicht starten

Das Startverbot sorgt für Wirbel, weil es die derzeit weltweit schnellsten Läuferinnen über die 400-Meter-Distanz trifft.

Mboma hatte Ende Juni beim Meeting im polnischen Bydgoszcz in 48,54 Sekunden eine neue Jahresweltbestleistung aufgestellt. Ihre Trainingspartnerin Masilingi war nach 49,53 Sekunden im Ziel und lief damit ebenfalls in den Favoritenkreis für Tokio.

Nun aber sind sie beide für Tokio gesperrt - für alle Mittelstrecken von 400 Meter bis 1500 Meter. Diese Sperre könnten sie nur umgehen, indem sie ihren Testosteronwert medikamentös oder durch einen chirurgischen Eingriff senken lassen. Dies sieht eine Regel des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF vor.

Die Entscheidung sorgt weltweit für Gesprächsstoff, auch über den Sport hinaus, denn sie berührt das empfindliche Thema der Geschlechteridentität und -vielfalt - und wie Sportarten mit strikter Trennung zwischen Mann und Frau auf möglichst fairen Weise damit umgehen können.

Der Streit ist voller Fallstricke: Auf der einen Seite steht der Sport unter Druck, der zunehmenden Sensibilität für Diversität gerecht zu werden, auf der anderen Seite unter dem Druck, Wettbewerbsverzerrung zu verhindern - und auch kein Einfallstor für ebenso unfaires wie gefährliches Hormon-Doping zu bieten.

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Erinnerungen an Fall Caster Semenya

Der Fall der beiden Teenagerinnen erinnert frappierend an den von Caster Semenya. Die zweimalige Olympiasiegerin in ihrer Spezialdiszplin 800 Meter ist derzeit ebenfalls gesperrt und geht dagegen gegen die Regel der IAAF vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor.

Auch Masilingi will ihren Testosteronwert nicht medizinisch senken lassen. "Ich würde die Art und Weise, wie sich mein Körper entwickelt, ruinieren", sagte Masilingi: "Wenn ich etwas anderes ausprobiere, könnte es passieren, dass etwas mit meinem Körper schiefgeht."

Testosteron ist ein Hormon, das die Anzahl der roten Blutkörperchen erhöht. Je mehr sogenannte Erythrozyten eine Person hat, desto mehr Sauerstoff kann zu den Muskeln transportiert werden. Dadurch kann sie schneller und länger zu laufen.

Männer haben normalerweise einen höheren Testosteronspiegel als Frauen, weshalb sie in der Leichtathletik im Durchschnitt auf bessere Leistungswerte kommen - auf den Langstrecken sind die Regeln weniger strikt, weil sich der Unterschied dort eher relativiert.

Vor dem Beginn der Olympischen Spiele hat die Testosteron-Debatte wieder an Fahrt gewonnen - und die Kritik wird an den Regelungen wird lauter.

Auch von Botha, dem Trainer der beiden namibischen Läuferinnen. "Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt. Nicht wenige Menschen in Afrika glauben, dass diese Regel nur für Afrika gilt", sagte er und stellt klar: "Für mich sind sie Mädchen."