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Hradecky: "Bosz ist der intelligenteste Trainer"

Hradecky: "Bosz ist der intelligenteste Trainer"

Gute Laune ist bei Gesprächen mit Lukas Hradecky Programm.

Der Torhüter von Bayer Leverkusen hat stets ein Lächeln auf den Lippen, ein kleines Späßchen bleibt niemals aus. Doch die (teils selbstkritischen) Worte von Hradecky haben Gewicht.

Vor dem Duell bei seinem Ex-Klub Eintracht Frankfurt(Bundesliga: Eintracht Frankfurt - Bayer 04 Leverkusen, Sa. ab 15.30 Uhr im LIVETICKER) nahm sich der Finne bei SPORT1 Zeit und blickte zurück - aber auch nach vorne.

SPORT1: Herr Hradecky, die Weihnachtsferien waren nur sehr kurz. Konnten Sie die freie Zeit dennoch etwas genießen?

Lukas Hradecky: Ja, das konnte ich. Wir waren glücklich, dass wir durch die Verlegung des DFB-Pokal-Spiels nach Hause fahren konnten. Das war für uns alle wichtig. Ich konnte Körper und Kopf mal baumeln lassen und war bei meiner Familie. Man ist ja privilegiert, wenn man in dieser Zeit nach Hause fahren kann und seine Familie sehen darf.

Hradecky über Spielniveau: "Wir brauchen die Fans"

SPORT1: Die Pause war diesmal wirklich extrem kurz. Das neue Jahr startet aber gleich mit einem emotionalen Kracher gegen Ihren Ex-Klub Eintracht Frankfurt. Bislang konnten Sie an alter Wirkungsstätte nicht gewinnen. Welche Gründe sehen Sie dafür?

Hradecky: Ich habe noch immer einen guten Kontakt zu Jan Zimmermann (Torwarttrainer Eintracht Frankfurt, Anm. d. Red.), er war ja damals schon mein Kollege. Wir haben uns darüber unterhalten und es stimmt, dass ich mit Leverkusen noch nicht in Frankfurt gewonnen habe. Die Eintracht spielt gegen Topmannschaften immer sehr stark auf. Vor allem bei Heimspielen tun sie den Gegnern weh, ich erinnere mich nur an das 5:1 gegen den FC Bayern München. Aber auch Gladbach oder Dortmund hatten bei ihren Unentschieden in diesem Jahr etwas Glück. Größere Klubs hatten in Frankfurt immer Probleme. Das ist uns bekannt, aber wir wollen unsere starke Serie aus dem alten Jahr fortsetzen.

SPORT1: Bayer reist als Tabellenzweiter bei der Eintracht an. Nehmen Sie die Favoritenrolle an? (Die Tabelle der Bundesliga)

Hradecky: Tabellarisch kann man davon sprechen, dass wir die Favoritenrolle innehaben. Aber die Eintracht hat Stabilität gezeigt und die Mannschaft hat Qualität. Frankfurt hat bislang in dieser Saison nur zweimal verloren. Was aber auffällt: Es ist für uns alle zwar ein Vorteil, wenn die Zuschauer dabei sind. Aber die Eintracht ist mit ihren Fans im Rücken normalerweise noch schwerer zu schlagen.

SPORT1: Sie sprechen das Thema Zuschauer an. Wie schwer fällt das Fußballspielen ohne Publikum?

Hradecky: Ich glaube, dass jeder begriffen hat, dass wir nicht nur für die Fans spielen, die ins Stadion kommen. Wir brauchen die Fans auf der anderen Seite auch, um unsere Qualitäten komplett abzurufen. Klar gab es Geisterspiele auf gutem Niveau, aber der Fußball lebt von vollen Stadien, wir Spieler wollen und brauchen diese Emotionen und den Austausch mit den Fans. Ich hoffe, dass sich die Situation 2021 verändert und wir wieder vor Zuschauern spielen dürfen.

Hradecky über seinen Ex-Klub: Das zeigt die Größe der Eintracht

SPORT1: Wie intensiv verfolgen Sie weiterhin ihren Ex-Klub?

Hradecky: Ich habe nicht so viele Spiele live gesehen. Aber wenn ich die Zeit habe und die Eintracht spielt, dann schalte ich ein und schaue mit den Extra-Gedanken an die früheren Jahre zu. Ich bin stolz auf die Zeit in Frankfurt und blicke gerne zurück. Aber natürlich will ich am Samstag trotzdem gewinnen (lacht). (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga)

SPORT1: Profis, die den Klub wechseln, werden danach bei ihren ersten Besuchen mal mit mehr oder weniger lauten Pfiffen begrüßt. Sie bekamen allerdings Applaus und viel Zuspruch. Was bedeutet Ihnen diese Wertschätzung?

Hradecky: Vielleicht liegt es daran, dass ich meine Leistung in Frankfurt gebracht habe. Aber unabhängig davon hat die Eintracht großartige Fans. Egal, wie lange man dort gespielt hat, sie respektieren einen immer. Das zeigt die Größe des Klubs. Doch die Verbindungen waren nicht nur im Stadion da, auch mit meinen Nachbarn kam ich sehr gut aus. Ich habe nur gute Erinnerungen an Frankfurt. Die Leute in Hessen bleiben mir in positiver Erinnerung. Es war schön, dass ich drei Jahre dort sein durfte.

SPORT1: Dennoch hätte es auch einen Knick in der Beziehung geben können. Ihre Vertragsgespräche hatten sich lange hingezogen, zwischenzeitlich fielen Begriffe wie "Geldgeier". Hätten Sie rückblickend anders kommunizieren müssen?

Hradecky: Generell war das natürlich für uns alle keine optimale Situation. Ich habe daraus meine Schlüsse gezogen und gelernt. Aber die Grenzen der Beleidigungen wurden zu keinem Zeitpunkt überschritten. Mein Verhältnis zur Eintracht inklusive der Fans haben die Vorkommnisse jedenfalls nicht nachhaltig gestört.

Hradecky über den FC Bayern: Die haben dieses Gen

SPORT1: Blicken wir aber auf Bayer Leverkusen. Nur wenige Sekunden fehlten und Sie wären als Wintermeister in die kurze Pause gegangen. Haben Sie Angst vor einem Knick?

Hradecky: Danke für diese Erinnerung (lacht). Es war das letzte Spiel in 2020, und der Urlaub hat einfach mal gutgetan, weil die Niederlage schwer zu verdauen war. Wir müssen nun daraus lernen. Es darf uns nicht mehr passieren, dass wir uns selbst in solche Probleme bringen. Am Ende war es ein glückliches Tor, weil der Schuss von Robert Lewandowski auch noch abgefälscht war. Es gab vorher mehrere Momente, wo wir hätten den Ball weghauen müssen. Gleichzeitig sollten wir uns die starke Serie nicht deshalb kaputtreden, weil wir gegen die derzeit beste Mannschaft der Welt verloren haben.

SPORT1: Aber kann man beim FC Bayern auch etwas lernen? Bayer fehlte offenbar das letzte Quäntchen Gier und Wille an dem Tag.

Hradecky: Wenn man an den FC Bayern denkt, dann fällt einem sofort der Begriff "Siegeswille" ein. Und dann machen die gegen uns auch noch so ein typisches Bayern-Tor. Die haben dieses Gen einfach. Beide Mannschaften hatten viele Spiele in den Knochen, es war eigentlich ein 1:1-Spiel. Vielleicht hat uns am Ende wirklich diese letzte Überzeugung gefehlt, aber wir sind auf dem Weg dorthin.

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SPORT1: Auch Sie hatten einen kleinen Anteil an der Niederlage, beim Ausgleich unterlief Ihnen ein Patzer. Generell fällt aber auch schon mit Blick auf Frankfurter Zeiten auf, dass Sie mental extrem stabil wirken und sich schnell schütteln. Was ist Ihr Geheimnis?

Hradecky: Es ist schön, dass das so wahrgenommen wird. Natürlich ist das nicht ganz einfach, Fehler abzuschütteln. Ich bin aber lange in dem Geschäft dabei. Man muss Patzer als Chance sehen und lernen, wie man beim nächsten Mal besser agiert. Ich mache mir das immer wieder bewusst. Es ist zwar leichter gesagt als getan, aber ich mache einfach weiter. Daran habe ich selbst gearbeitet, ohne professionelle Hilfe. Mir reicht dann oft eine gesellige Runde mit meinem Vater und der Familie. Die machen dann Witze über den Fehler und damit hat es sich erledigt. Diese Kombination hat mir immer geholfen. Ich hatte 2020 aber ein paar unglückliche Momente zu viel. Daran arbeite ich und will es 2021 besser machen.

Kann Wirtz Havertz vergessen machen?

SPORT1: Ihre Vorderleute helfen Ihnen dabei bislang sehr gut. Dabei hat Bayer mit Kai Havertz und Kevin Volland zwei Stars verloren. Wie konnten Sie diese Lücke so gut schließen?

Hradecky: Eins zu eins sind Kai Havertz und Kevin Volland nicht zu ersetzen. Wir mussten einige Dinge an der Spielweise verändern. Spieler wie Nadiem Amiri und Kerem Demirbay haben inzwischen mehr Verantwortung übernommen. Lucas Alario war supereffektiv und hat viele Tore erzielt. Die Spieler haben sich nach den Abgängen von Havertz und Volland nicht unter Druck setzen lassen und einfach ihr Ding durchgezogen. Der Teamgeist hat geholfen, und durch die Rotation haben alle gemerkt, dass jeder Einzelne wichtig ist.

SPORT1: Welchen Faktor macht dabei auch der Trainer Peter Bosz aus?

Hradecky: Peter Bosz spielt für Bayer eine wichtige Rolle. Er ist der fußballintelligenteste Trainer, mit dem ich bislang zusammengearbeitet habe. Das Verhältnis zu den Spielern ist weltklasse, er führt viele Einzelgespräche. Diese Ruhe und Zufriedenheit färbt auf die gesamte Mannschaft ab und ist ein Grund für unseren guten Lauf.

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SPORT1: Peter Bosz fördert auch junge Talente. Florian Wirtz trumpft auf. Wagen Sie schon Vergleiche mit Kai Havertz?

Hradecky: Das ist natürlich nicht so einfach, wenn man mit Kai Havertz verglichen wird. Aber Florian Wirtz hat das sehr gut weggesteckt. Er ist erst 17 Jahre jung, und dass er gleich so starke Leistungen zeigt, ist auch für mich eine große Überraschung. Jeder hätte erwartet, dass er auch mal schwächer spielt oder sich einen Ausrutscher leistet. Aber bislang kann man nicht sagen, dass Florian auch nur einmal schlecht gespielt hat. Er hat schon ganz reifes Bundesliga-Niveau gezeigt.

SPORT1: Reifen Sie insgesamt langsam zu einer Topmannschaft heran?

Hradecky: Wenn wir vom FC Bayern München oder Borussia Dortmund sprechen, dann reden wir von Weltklassemannschaften. Wir wollen auch dazugehören. Wenn man regelmäßig seine Top-Leistung abruft, Titel gewinnt und in der Champions League spielt, dann zählt man irgendwann zu den großen Klubs. Das sind Sachen, die Zeit brauchen, aber wenn wir lange genug gut spielen und uns in den Top 4 halten, dann können wir zu so einer Mannschaft heranreifen.

Hradecky freut sich auf EM 2021 mit Finnland

SPORT1: Im Jahr 2021 steht auch die Europameisterschaft auf dem Programm. Was trauen Sie Finnland zu? Freuen Sie sich auf das Turnier?

Hradecky: Die Absage der Europameisterschaft war natürlich ein harter Schlag, den wir alle verdauen mussten. Im Jahr 2021 wird das Turnier dann aber hoffentlich die Kirsche auf der Torte sein. Wir freuen uns sehr auf das Turnier, die längere Pause hat uns vielleicht sogar gutgetan. In der Nations League konnten wir Erfahrung sammeln, uns steigern. Ich erwarte von uns ganz viel und hoffe, dass wir nicht nur eine Nebenrolle bei der EM einnehmen.

SPORT1: Das für alle Menschen so schwierige Corona-Jahr 2020 ist nun endgültig vorbei. Wie fällt ihr Resümee am Ende eines Jahres aus, das wohl niemand mehr vergessen wird?

Hradecky: Es war sportlich und auch persönlich für mich kein leichtes Jahr. Aber das Fehlen der menschlichen Kontakte hat auch ein neues Bewusstsein geschaffen. Manchmal hattest du vielleicht wenig Lust auf ein Interview, jetzt warst du froh über den Austausch. Oder der Besuch bei Oma war etwas ganz Besonderes. Das sind so Kleinigkeiten, die man wertschätzt. Ich war auch oft alleine. Normalerweise bekomme ich zu jedem Heimspiel viel Besuch von Freunden und Familie. Das alles hat mir gefehlt, dadurch konnte auch ich nicht wie sonst auf natürliche Art und Weise abschalten.

SPORT1: Zum Auftakt des neuen Jahres: Geben Sie doch bitte Antworten auf diese Thesen. Erstens: Bayer ist ein Titelkandidat!

Hradecky: Tabellarisch sieht das ganz gut aus. Aber immer dann, wenn wir selbst von einem Titelgewinn gesprochen haben, sind wir abgestürzt. Sorry Jungs, aber von mir gibt es deshalb nur die klassische Antwort: Wir müssen von Spiel zu Spiel schauen und ich hoffe, dass wir oben mitmischen können.

SPORT1: Zweitens: Bayer ist reif für den Gewinn der Europa League!

Hradecky: Letzte Saison sind wir definitiv zu früh aus dem Europa-League-Turnier ausgeschieden. Dieses Jahr wollen wir länger dabeibleiben. Viele Runden stehen nicht mehr an - wir wollen sehr weit kommen.

SPORT1: Drittens: Sie besiegen Ihren Ex-Klub Eintracht Frankfurt in der zweiten Pokalrunde!

Hradecky: Ja, das können wir schaffen. Wir haben in diesem Duell den Heimvorteil auf unserer Seite. Vielleicht geht es ja ins Elfmeterschießen, aber da habe ich schon gute Erfahrungen gesammelt. (lacht)