Inter vs. Milan - Derby della Madonnina

Mailand - die Königin der Lombardei.

Die Stadt mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern liegt malerisch in der Po-Ebene und ist als zweitgrößte Stadt Italiens ein Wirtschafts- und Kulturzentrum. Vor allem in der Mode ist Mailand einer der Hotspots auf dieser Welt.

Aber es gibt nicht nur das mondäne und kulturelle Mailand, es gibt auch das bodenständige und laute Mailand. Spätestens, wenn sich gleichzeitig Tausende Milanées (Einwohner Mailands, Anm.d.Red.) in Rot-Schwarz und Schwarz-Blau auf den Weg ins Fußballstadion machen, weiß man, es ist wieder Zeit für das Mailänder Derby.

Die Einzigartigkeit des Mailänder Derbys

Zwei Mal im Jahr entscheidet sich, wer in der Stadt das Sagen hat. Sind es die Fans des AC Milan oder von Inter Mailand? Im direkten Duell wird die Antwort gefunden.

Aber nicht nur in Mailand freut man sich auf diese Spiele, das Mailänder Derby gehört aufgrund seiner langen Geschichte und der ruhmreichen Vergangenheit beider Klubs zu einer der bekanntesten Rivalitäten der Welt.

Einige Eigenschaften verleihen der Mailänder Statmeisterschaft sogar einen Glanz, der es zu einem einzigartigen Aufeinandertreffen zweier Klubs aus ein und derselben Stadt macht.

Kaum Gewalt in Mailand

Der Superclásico zwischen Boca Juniors und River Plate kann nur unter größtem Polizeischutz stattfinden. Krawalle und Tote gehören zur Tagesordnung. Das Aufeinandertreffen der argentinischen Topklubs im Finale der Copa Libertadores 2018 musste nach Ausschreitungen vor dem Rückspiel sogar in Madrid ausgetragen werden.

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Das Mailänder Derby hingegen wird von Ausschreitungen zumeist verschont. Was aber nicht heißen soll, dass die Derbys emotionslos und ohne Stimmung ablaufen. Ganz im Gegenteil, schon Tage vorher sorgt das Spiel in der ganzen Stadt für Spannung und Gesprächsthemen. Die Ultra-Gruppierungen beider Klubs übertreffen sich jährlich mit ihren Choreographien.

Doch auch in Mailand ist Gewalt nicht vollkommen auszuschließen. Der negative Höhepunkt der bisherigen Geschichte ist das Aufeinandertreffen im Viertelfinale der Chmapions League 2005/06. Im Rückspiel warfen Inter-Fans Feuerwerkskörper auf das Spielfeld und trafen Milan-Torwart Dida am Kopf. Die UEFA bestrafte Inter daraufhin mit der damaligen Rekordstrafe von 200.000 Euro.

1949: Die Geburtsstunde von MilanInter United

Doch es gibt auch Beispiele für das friedliche Ausleben der Rivalität. So spielte zum 50. Vereinsjubiläum des AC Milan eine gemeinsame Mannschaft aus Milan- und Inter-Spielern gegen FK Austria Wien. Zwar ging das Spiel 3:4 verloren, aber die speziell für dieses Spiel angefertigten Trikots mit einem Brustring in den Farben Rot, Schwarz und Blau auf weißem Grund demonstrierten die gemeinsame Vergangenheit.

1969 wiederholte man dieses Ereignis und trat als MilanInter United zu Ehren der neuen Städepartnerschaft zwischen Mailand und Lyon an. Dieses Match konnte man mit 7:1 gegen Olympique Lyon für sich entscheiden.

Auch der FC Bayern München durfte schon gegen ein gemeinsames Mailänder Team antreten. Im Dezember 1980 spielte der deutsche Rekordmeister gegen MilanInter United, um Geld für die Opfer des Erdbebens von Irpinia zu sammeln.

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Doch bei aller Gemeinsamkeit, am Ende bleibt die Rivalität der beiden Vereine bestehen. Aber im Gegensatz zu anderen Derbys teilt die Fußballliebe Mailand nicht in seine Stadtteile auf. Inter- und Milan-Fans verteilen sich gleichmäßig über die ganze Stadt. Teilweise laufen die Trennungslinien durch ganze Familien. Ein Umstand, der zum Beispiel in Rom gänzlich undenkbar wäre.

Man wird als Inter- oder Milan-Fan geboren

Gründe für die Liebe zu einem Verein liegen daher nicht so sehr in geographischen oder kulturellen Gegensätzen. Man wird einfach als Interista oder Milanista geboren und bleibt das dann ein Leben lang. Denn der Verein ist eine Herzensangelegenheit für jeden Mailänder und die Rivalität sitzt tief.

In der Welt beschrieb der ehemalige AC-Stürmer Oliver Bierhoff die Situation so: "Manchmal, selbst heute noch, wenn ich in ein Restaurant gehe, kommt ein Ober vom Nachbartisch rüber und sagt: 'Hey, passt auf: Dein Ober ist Interista. Nicht, dass er euch was ins Essen mischt."

Politik verblasst in den Fangruppierungen

Auch die Politik spielt nur eine untergeordnete Rolle. Zwar liegen die Ursprünge der Milan-Fans in den Arbeitervierteln der Stadt und sind daher - trotz der Berlusconi-Vergangenheit - eher links eingestellt. Die Interista hingegen kamen zu Beginn aus der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht.

So wurden die Inter-Fans in den 1920ern auch oft als "Motoretta" bezeichnet, da sie aus der wohlhabenderen Bevölkerungsschicht kamen, die mit dem Auto zu den Spielen fahren konnte. Die Milanista hingegen, die hauptsächlich aus der Arbeiterschicht stammten, benutzten öffentliche Verkehrsmittel und wurden deswegen auch als "Tramvai" bezeichnet.

Aber diese Grenzen sind heute nahezu verwischt und spielen keine Rolle mehr.

Vergangenheit und Stadion als Ursprung der Rivalität

Der Hauptgrund der Rivalität liegt in der Vergangenheit. Zum einen ist Inter eine Abspaltung des AC Milan, zum anderen teilen sich beide Vereine ein Stadion.

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Am 16. Dezember 1899 gründeten die Briten Alfred Edwards und Herbert Kilpin den Milan Cricket and Foot-Ball Club. Nur 17 Monate nach seiner Gründung feierte man bereits die erste italienische Meisterschaft und hatte sich in der Beletage des italienischen Fußballs etabliert.

1908: Die Geburtsstunde der Rivalität

Doch im März 1908 spalteten sich Mitglieder des AC Mailands ab, da diese das Verbot von Ausländern im Verein ablehnten. Aus Protest daraus gründeten sie ihren eigenen Verein und nannten diesen Internationale - Inter Mailand war geboren und die Saat der Rivalität gelegt.

Zu Beginn wurde der ungeliebte Ableger von den Milanista aber nur verachtet. Zu groß war die sportliche Dominanz der Rossoneri. Bis 1913 ging Milan stets als Sieger vom Platz. Einzige Ausnahme bildete die Saison 1909/10, als Inter beide Spiele mit 5:0 bzw. 5:1 für sich entscheiden konnte. Das wurde aber eher als Ausrutscher vermerkt.

Selbst die titellose Zeit Milans nach dem 1. Weltkrieg und die Titelsammlung Inters in dieser Phase änderte nichts an der Einstellung der Milanista.

1930: Das Derby-Fieber beginnt

Zu einer richtigen Rivalität entwickelte sich das Derby erst in den 1930er Jahren. Dort hängte Inter seinen übermächtigen Rivalen erstmals im direkten Vergleich ab und blieb von 1929 bis 1937 in siebzehn aufeinanderfolgenden Spielen ungeschlagen (zehn Siege, sieben Remis). Der bis heute bestehende Derby-Rekord traf Milan ins Herz.

Seitdem ist es ein Derby auf Augenhöhe und hat für beide Fanlager eine große Bedeutung im Kampf um die sportliche Vorherrschaft über die Stadt.

1980: Die deutsch-niederländische Komponente

Eine besondere Brisanz bekam die Rivalität in den 80er und 90er Jahren, als zusätzlich zu dem Derby-Charakter auch noch die deutsch-niederländische Erzrivalität eine Rolle spielte. Für den AC Milan liefen damals die Oranje-Stars Ruud Gullit, Marco van Basten und Frank Rijkaard auf, während im Inter-Trikot die deutschen Nationalspieler Andreas Brehme, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann zu sehen waren.

Selbst bei der WM 1990 zeigte sich die Rivalität. In einem äußerst hitzigen Achtelfinale Deutschlands gegen die Niederlande mit Spuckattacken und teils üblen Foulspielen waren die Sympathien auf der Tribüne klar verteilt. Die Interista feuerte das DFB-Team an, während die Milanista zu ihren Stars in Oranje hielten.

Giuseppe Meaza oder San Siro?

Zusätzlich zu der Vergangenheit spielt aber auch die Stadion-Situation eine große Rolle in der Rivalität. Beide Teams teilen sich das Giuseppe Meaza Stadion im Stadtteil San Siro. Da Giuseppe Meaza jedoch den Großteil seiner Karriere für Inter spielte, weigern sich die Milanista bis heute, das Stadion bei seinem richtigen Namen zu nennen.

Für die Fans in Rot und Schwarz ist das Stadion das San Siro.

Auch innerhalb des Stadions sind die Grenzen klar geregelt. Die Curva Nord gehört traditionell den Nerazzurri, in der Curva Sud sind die Rossoneri beheimatet. Aber selbst beim Derby della Madonnina - das Mailänder Derby, benannt nach der vergoldeten Madonnenstatue auf dem Mailänder Dom - bleibt es zumeist friedlich.

Die Mailänder Ultras

Das ist auch ein Verdienst der Fossa dei Leoni. Diese ehemalige Ultra-Gruppierung des AC Milans gab sich 1968 als erstes ein Manifest und füllte den Ultra-Gedanken mit Leben und Regeln. Bis heute sind die Mailänder Derbys deswegen auch besonders farbenfroh und zeigen teils atemberaubende Choreographien und Pyrotechniken.

Heute halten die Boys San Milano (Inter Mailand) und die Ultras Milan (AC Milan) diese Tradition am Leben.