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"Interessiere mich nicht für das Gerede von Brazzo und Kahn"

Sepp Maier stand in seiner Karriere nur für den FC Bayern im Tor. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)

Nach seiner aktiven Laufbahn war er von 1988 bis 2004 Torwarttrainer bei der deutschen Nationalmannschaft und von 1994 bis 2008 in gleicher Funktion beim FC Bayern tätig. (NEWS: Das sagt Bayerns Sportvorstand zum Torwart-Knall)

Als langjähriger Torwarttrainer von Oliver Kahn beim Rekordmeister und beim DFB gibt es eine Parallele zu Manuel Neuer und dessen zuletzt bei den Münchnern geschassten Freund und Torwarttrainer Toni Tapalovic. (DATEN: Spielplan der Bundesliga)

Maier: Habe Neuer-Reaktion erwartet

Neuers Frust, der sich in einem ebenso denkwürdigen wie hochbrisanten Interview entlud, kann Maier daher nachempfinden. Auch der heute 78-Jährige wurde mal aussortiert - 2004 vom damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann.

Im großen SPORT1-Interview spricht Maier über den Neuer-Knall, das Taplovic-Aus sowie seine eigene Beurlaubung. (NEWS: Der heimliche Bayern-Boss)

SPORT1: Herr Maier, was sagen Sie zu dem Interview von Manuel Neuer, das für viel Wirbel gesorgt hat?

Sepp Maier: So eine Reaktion von Manu habe ich erwartet. Er musste dazu seinen Kommentar abgeben.

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SPORT1: Musste er?

Maier: Na klar, er ist der Kapitän des FC Bayern und darf doch seine Meinung sagen. Zudem ist er ein enger Freund von Tapalovic. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht.

SPORT1: Welche Meinung haben Sie zur Entlassung von Torwarttrainer Toni Tapalovic? (KOMMENTAR: Neuer-Interview war kein Fehler)

Maier: Sie war falsch. Toni sagte mir, dass intern nichts passiert ist. Keiner hat mit ihm geredet, was er falsch gemacht hat. Und dennoch wurde er rausgeschmissen. Die Jugend-Torhüter bei den Bayern waren auch alle enttäuscht.

Maier: Neuer darf seine Meinung sagen

SPORT1: Sportvorstand Hasan Salihamidzic sagte, Neuer habe seine persönlichen Interessen über die des Vereins gestellt. Wie sehen Sie das?

Maier: Was soll das denn? Manu darf doch seine Meinung sagen. Dann kann es Brazzo für richtig halten oder nicht. Manu ist ein mündiger Spieler und ein feiner und freier Mensch. (NEWS: Hainer rüffelt Neuer)

SPORT1: Sind Sie eher auf der Seite von Neuer?

Maier: So ist es. Ich bin natürlich auf der Seite von Manu. Das ist doch logisch. Ich war früher auch Torwart und von daher liegt mir Manu mehr am Herzen. Zudem kenne ich ihn und Tapalovic gut.

SPORT1: War‘s das für Neuer beim FC Bayern? (DATEN: Ergebnisse der Bundesliga)

Maier: Ich glaube es nicht. Das Wichtigste ist, dass er wieder fit werden muss. Es wird für Manu schwieriger werden. Das glaube ich schon.

SPORT1: Warum?

Maier: Mit Yann Sommer wurde ein klasse Torwart geholt. Mit Sven (Ulreich; Anm. d. Red.) wollte man nicht weitermachen. Ich hätte eher abgewartet, was mit Manu wird. Wenn er nicht zurückkommt, hätte man immer noch einen neuen Schlussmann verpflichten können. Aber da will ich Brazzo und Olli (Oliver Kahn; Anm. d. Red.) nicht reinreden. Die zwei wissen schon, was sie tun müssen und was sie besser lassen sollen.

SPORT1: Darf sich ein Kapitän so äußern?

Maier: Ja, warum denn nicht? Dafür ist er Kapitän. Ich habe früher auch meine Meinung gesagt, wenn mir etwas nicht gepasst hat. Zwar bin ich nicht so an die Öffentlichkeit gegangen, sondern habe es intern gesagt. Aber Manu hat dem FC Bayern schon so viele Spiele gerettet und immer Top-Leistungen gebracht, da darf er doch seine Enttäuschung zeigen. Das ist menschlich. Wir appellieren immer an die Menschlichkeit und dann verurteilen wir so etwas.

Maier nach Tapalovic-Aus: „Gibt nur Verlierer“

SPORT1: Neuer hat in seiner Karriere noch nie so ein brisantes Interview gegeben. Es war schon verwunderlich, oder?

Maier: Das stimmt. Aber es steht ihm zu. Er ist kein Jungprofi mehr, sondern der Welttorhüter. Die ganze Sache ist etwas blöd gelaufen. Und es gibt nur Verlierer. Ich habe mit Tapalovic gesprochen und er ist natürlich sehr enttäuscht vom Verein. Warum hat man ihm nichts erklärt? Das verstehe ich nicht und das ist nicht Bayern-like. Diese Trennung hat mich sehr an 2004 bei mir erinnert. Das ist fast identisch mit dem, was sich jetzt gerade beim FC Bayern abspielt.

SPORT1: Sie sprechen es an. Damals wurden Sie von Bundestrainer Jürgen Klinsmann rasiert.

Maier: Das war für mich auch ein Schlag ins Gesicht wie jetzt für Tapalovic und Neuer. Ich war 20 Jahre beim DFB Torwarttrainer. Also fast doppelt so lang wie Tapalovic. Das ganze Theater geht nicht spurlos an ihm und Neuer vorüber.

SPORT1: Haben Sie sich mit Klinsmann ausgesprochen?

Maier: Ich habe keinen Groll mehr gegen den DFB und Klinsmann. Wir beide haben uns ausgesprochen und da ist nichts hängen geblieben. Heute reden wir nett miteinander, wenn wir uns sehen. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)

SPORT1: Sie haben damals Oliver Kahn beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft trainiert. Wie hat er reagiert, als Sie gehen mussten?

Maier: Olli konnte gar nicht reagieren. Er wollte unbedingt bei der WM 2006 in Deutschland dabei sein. Wer weiß, was passiert wäre, wenn er sich dazu geäußert hätte. Wir hatten das intern so besprochen, dass nur ich etwas sage und er seinen Mund halten soll. (NEWS: Das sagt Müller zur Neuer-Debatte)

SPORT1: Aber er war damals ähnlich geschockt wie jetzt Neuer?

Maier: Ja klar. Es war auch eine andere Kategorie, denn es ging um eine WM, die Olli nicht gefährden wollte. Das war eine andere Sache als das jetzt.

„Tapalovic ist traurig und enttäuscht“

SPORT1: Wie geht es Tapalovic?

Maier: Ich habe mit ihm und Neuer ein sehr gutes Verhältnis. Wir telefonieren ab und zu miteinander oder schicken uns WhatsApp-Nachrichten. Man muss aber auch die Lage der Bayern verstehen. Tapalovic ist traurig und enttäuscht. Das hat er mir gesagt. Vor allem, weil er nicht erfahren hat, warum er gehen musste. Tapalovic hat sich nichts zu Schulden kommen lassen.

SPORT1: Wie haben Sie in den vergangenen Tagen die Reaktion der Bayern-Bosse erlebt?

Maier: Ich interessiere mich nicht für das Gerede von Brazzo und Kahn. Ich mache mir nach diesem Interview von Neuer schon meine Gedanken. Jeder hat in seiner Verantwortung recht. Jeder trägt in dieser Geschichte Verantwortung. Brazzo und Olli haben recht, Manu und Tapalovic aber auch.

SPORT1: Gibt es in der Sache nur Verlierer?

Maier: Ja. Leider. Ich habe immer mehr zu meinen Kollegen gehalten als zur Vorstandschaft. Ich war Torhüter und da fühle ich mich natürlich mehr zu Neuer und Tapalovic hingezogen. Das war damals genauso, da habe ich mehr zu Olli gehalten als zu Klinsmann oder Bierhoff (der ehemalige DFB-Direktor Oliver Bierhoff; Anm. d. Red.)

SPORT1: Glauben Sie, dass es am Ende heißt: Trainer Julian Nagelsmann oder Neuer muss den Verein verlassen?

Maier: Das ist Blödsinn. Das geht doch nicht. Sind wir jetzt im Kindergarten? Beide sind erwachsen. Entweder Manu oder der Trainer - wo sind wir eigentlich?

SPORT1: Ist das Tischtuch zwischen den beiden also noch nicht ganz zerschnitten?

Maier: Ganz sicher nicht. Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Manu wird beim FC Bayern bleiben, davon bin ich überzeugt. Jetzt gibt es Schwierigkeiten untereinander, aber Manu wird wieder fit sein und auch wieder bei den Bayern spielen. (KOMMENTAR: Neuer-Interview war kein Fehler)

SPORT1: Es gab auch Meinungen, die gesagt haben, Neuer hätte keine Lust mehr auf den FC Bayern.

Maier: Wenn so etwas passiert wie jetzt, dann muss Manu doch als guter Freund seine Meinung sagen dürfen. Das muss man ihm einfach zugestehen. Er ist total enttäuscht und hat so lange mit Tapalovic eng zusammen gearbeitet, da ist es klar, dass Manu die Trennung nicht gut findet.