Italienischer Indiana Jones spürt Geisterstädte auf

Der Geologe Fabio Di Bitonto in Consonno. Foto: privat

Auch ohne den charakteristischen Hut und das Aussehen eines Filmstars ist der gebürtige Neapolitaner Fabio Di Bitonto ein Abenteurer ganz im Stil von Indiana Jones.

Doch im Gegensatz zu dem von Harrison Ford gespielten fiktiven Filmhelden sucht der 31-jährige Geologe nicht nach lang verloren geglaubten Schätzen. Er durchforstet ganz Italien nach verlassen Siedlungen und Dörfern.

«Es müsste etwa 6000 davon geben», sagt Di Bitonto der Deutschen Presse-Agentur. Dabei bezieht er sich auf eine bereits mehrere Jahre alte offizielle Schätzung. «Niemand weiß es genau. Manche Orte sind so klein, dass sie nicht einmal einen Namen haben.» 2000 dieser Geisterstädte hat Di Bitonto bislang ausfindig gemacht, ein Zehntel davon selbst besucht. «Ich finde die Orte mit Hilfe von Google Earth oder durch Mundpropaganda», erklärt er.

Die Früchte seiner Arbeit präsentiert der Italiener auf der Webseite «Paesi Fantasma» (Geisterstädte): Dort postet er Bilder, historische Fakten und Anreisebeschreibungen zu jedem Ort, den er besucht hat. Auf der Seite finden sich auch Informationen zu verlassenen Gebieten in der ganzen Welt. Ziel des Projekts sei es, an die Vergangenheit zu erinnern und Italiens historisches Erbe wiederzuentdecken, heißt es auf der Webseite.

Als im 20. Jahrhundert in Italien die Industrialisierung fortschritt, verließen viele Menschen ihre Dörfer: Das Stadtleben lockte mit Aussicht auf Arbeit und besseren Lebensbedingungen. Vor allem die ärmeren Regionen Süditaliens waren von der Landflucht betroffen. Doch auch zuvor waren Menschen aus den Gebieten geflohen, in denen es zu Erdrutschen, Erdbeben, Hochwasser oder Epidemien gekommen war. Sie verwandelten sich in unheimliche Orte wie die Gemeinde Craco in der süditalienischen Region Basilicata, die Mel Gibson in der «Passion Christi» als Filmkulisse diente.

«Wenn man diese Orte besucht, kann man noch immer etwas spüren», sagt Di Bitonto. Während des Zweiten Weltkriegs versteckten sich Widerstandskämpfer im Kampf gegen die Nazis in den verwaisten Dörfern. Auch sein Großvater habe der Bewegung angehört, sagt der Geologe.

Di Bitontos eigenfinanziertes Ein-Mann-Unternehmen startete vor vier Jahren. Mit einem weiteren Hobby-Entdecker aus Norditalien, mit dem er bis Oktober zusammenarbeitete, habe er sich zerstritten, sagt er. Seitdem versucht der 31-Jährige das Unternehmen trotz finanzieller Einschränkungen alleine am Laufen zu halten. Die Rahmenbedingungen für sein Projekt sind günstig: Seit den 1970er Jahren sind Dutzende italienischer Geisterstädte neu besiedelt worden. Städter fanden in ihnen ein zweites Zuhause fernab des Alltagstrotts, es entstanden Freilichtmuseen oder Gasthäuser für Touristen.

Das mittelalterliche Dorf Castelfalfi im Herzen der toskanischen Region Chianti wurde jüngst in ein Fünf-Sterne-Resort umgewandelt. Der deutsche Reiseveranstalter TUI investierte 250 Millionen Euro. Andere Projekte sind weitaus weniger prunkvoll. Vor den Toren Roms widmet sich das Ehepaar Romei der Siedlung Stazzano Vecchia, die nach einem Erdbeben im Jahr 1900 entvölkert zurückblieb.

«Wir haben uns auf den ersten Blick in den Ort verliebt», sagt Mila Romei. Seit 15 Jahren arbeiten sie und ihr Mann Claudio am Wiederaufbau einer Häusergruppe, die mindestens auf das Jahr 1000 zurückdatiert wird. «Aber das Restaurieren ist viel schwerer als gedacht», sagt Mila. Die über 60 Jahre alten Eheleute hatten ursprünglich ein luxuriöses Spa errichten wollen. «Wir mussten unsere Ambitionen zurückschrauben», sagt Mila und blickt lächelnd auf die bröckelnden Gemäuer.

Menschen wie die Romeis, die Geisterstädte retten wollen, möchte Di Bitonto mit professionellem Rat unterstützen. Er suche nach einem Investor, um sein Projekt fortsetzen zu können und nicht wie viele Italiener seiner Generation im Ausland nach Arbeit suchen zu müssen, sagt er. «Ich hoffe, dass ich mit den Geisterstädten weitermachen kann», sagt Di Bitonto.

Website Paesi Fantasma