John Bolton in ARD-Interview: "Trump ist ein Störfall des amerikanischen Systems"

John Bolton wurde vom Verbündeten zum erbitterten Widersacher Donald Trumps. Dem ARD-Kulturmagazin "ttt - titel thesen temperamente" gab der zurückgetretene Nationale Sicherheitsberater ein Exklusiv-Interview, in dem er den US-Präsidenten frontal angreift.

519 Tage diente er dem US-Präsidenten als Sicherheitsberater. Im September 2019 trat John Bolton von seinem Amt zurück. Was zum Zerwürfnis zwischen dem als Hardliner geltenden Diplomaten und Donald Trump geführt hat, lässt sich nachlesen auf über 600 Seiten, die kein gutes Haar lassen am Mann im Weißen Haus. "Der Raum, in dem alles geschah", hat Bolton seinen Erinnerungsbericht genannt. Dem ARD-Kulturmagazin "ttt - titel thesen temperamente" gab er ein exklusives Interview, das am Sonntagabend im Ersten ausgestrahlt wurde.

"Er hat keinerlei Philosophie", greift Bolton den Präsidenten im ARD-Bericht frontal an. Trump sei kein Konservativer und auch kein Liberaler - "er ist überhaupt nichts". In Amerika gebe es ein schönes Sprichwort, das seine Art des Regierens beschreibe: 'Wenn du nicht weißt, wo es langgeht, ist jede Straße die richtige." Warum es überhaupt zur Zusammenarbeit kam? "Ich dachte, es gibt eine Arbeitsbasis", rechtfertigt sich der seinerseits hoch umstrittene Neokonsvervative Bolton. "Und ich hoffte auch, er werde im Amt seriös werden und begreifen, dass Entscheidungen, bei denen es um Leben und Tod geht, nicht von seiner Dienstagsmorgen-Laune abhängig sein sollten." Die Hoffnung hat sich schnell zerschlagen.

"Das Beste was ich über meine Tätigkeit sagen kann, ist, dass wir versucht haben, die Zahl der Fehler zu minimieren. Aber das war mehr Glückssache", gesteht der Ex-Sicherheitsberater vor den ARD-Kameras. Trump habe "kein großes Interesse dazuzulernen", denn er glaube, er habe ein natürliches Talent, "ein Bauchgefühl, mit dem er alles versteht", erläutert Bolton. In seiner Wahrnehmung glaube der Präsident, er könne "die Nationale Sicherheit genauso händeln wie seine Immobiliengeschäfte in Manhattan".

"Der Gipfel war für mich, als er die Taliban nach Camp David einlud"

Eine Idee nahm Bolton seinem Vorgesetzten besonders übel: "Der Gipfel für mich war, als Trump, um Afghanistan zu befrieden, die Taliban nach Camp David einlud." Doch das sei "eben nur die letzte von vielen Fehlentscheidungen" gewesen. Am 10. September 2019 reichte John Bolton seinen Rücktritt als Nationaler Sicherheitsberater ein. Monate vor Beginn der Coronakrise. Doch auch zu ihr hat US-Hardliner eine Einschätzung.

"Da Trump keinerlei Idee vom Regieren hat, versteht er auch nicht, was falsch ist an seinem Umgang mit Corona", urteilt Bolton im "ttt"-Interview. "Er denkt zum Beispiel, er kann den Gouverneuren reinreden, was sie zu tun haben. Aber das ist nun mal nicht das, was die Verfassung vorschreibt." Trump, so glaubt sein Ex-Sicherheitsberater, werde für eine Wiederwahl im November alles tun. Bolton selbst scheint entgegen seiner politischen Überzeugung auf einen Sieg des demokratischen Herausforderers Joe Biden zu hoffen.

"Die Lektion, die die Welt aus dieser Präsidentschaft mitnehmen sollte, ist: Trump ist ein Störfall des amerikanischen Systems, nicht das 'neue Normal'", bekräftigt Bolton. "Wenn er im November verliert und Biden übernimmt, wird es eine andere Politik geben - auch wenn die mir nicht gefällt -, doch vor allem werden die Amerikaner wieder wissen, dass sie einen amerikanischen Präsidenten vor sich haben."