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Jose Mourinho in Manchester entlassen: Der Meister verbrannter Erde

Manchester United hat sich von Trainer Jose Mourinho getrennt. Ein Schritt, der zu spät kommt – und den Portugiesen weit mehr kosten könnte als seinen aktuellen Job. Denn: Wer würde sich The Special One jetzt noch antun?

Jose Mourinho ist nicht mehr Trainer bei Manchester United. Bild: Getty Images
Jose Mourinho ist nicht mehr Trainer bei Manchester United. Bild: Getty Images

Am Ende brauchte es also ein Desaster. Eines, das noch einmal viel mehr schmerzte als all das Gerumpel und alle Fehlschläge in den vergangenen Wochen zusammen. Manchester United verlor am Sonntag mit 1:3 gegen Erzfeind Liverpool. Obwohl: Nein, Manchester verlor nicht, es wurde vorgeführt, in den Boden gestampft. “Man stelle sich einen schlechten Plan vor, der schlecht ausgeführt wird, von jemandem, der schlecht darin ist, schlechte Pläne auszuführen”, fasste Journalist Barney Roray das Spiel der Red Devils zusammen.

Für Jose Mourinho, den selbsternannten Special One, war es das letzte Spiel als Trainer von United. “Manchester United teilt mit, dass Jose Mourinho den Klub verlassen hat. Wir danken ihm für seine Arbeit während der Zeit bei Manchester United und wünschen ihm Erfolg in der Zukunft”, verkündete der Klub so unemotional es nur ging auf Twitter.

Nun ist die Beurlaubung des Portugiesen aber keine dieser beliebigen Trainerentlassungen, nach der sich der Geschasste kurz schüttelt, um direkt beim nächsten Verein zu unterschreiben. Der 55-Jährige könnte an diesem Dienstagmorgen weit mehr verloren haben, als nur seinen Job in Manchester. Mehr als die Jagd nach Titeln machte es sich Mourinho in den vergangenen Jahren nämlich zur Aufgabe, immer und überall verbrannte Erde zu hinterlassen.

Die Frage muss also erlaubt sein: Welcher Topklub würde sich Mourinho noch antun?

Jose Mourinho stand einst für Titel

Anfang des Jahrzehnts war der Portugiese noch der Trainer in Europa. 2004 gewann er mit Porto sensationell die Champions League, bei Chelsea brauchte er zwischen 2004 und 2007 dreieinhalb Jahre, um mit sechs Titeln zum erfolgreichsten Trainer der Klubgeschichte zu werden, in der folgenden Saison holte er mit Inter Mailand die Meisterschaft und im Jahr darauf das erste Triple der Vereinsgeschichte.

Mourinho stand für Titel. Und weil man als Trainer “immer eine Lücke in seiner Karriere haben wird”, wenn man nicht bei Real Madrid war (ganz besonders gilt das natürlich für den größten Coach der Welt), wechselte er nach Spanien. Was auf dem Papier die perfekte Symbiose war, sollte der Anfang vom Ende des Mythos Mourinho werden.

Der Portugiese holte zwar die Meisterschaft, überwarf sich aber schon bald mit Sergio Ramos, Iker Casillas und Cristiano Ronaldo – den Führungsspielern, den lebenden Ikonen der Königlichen. Er spaltete auch die Fans in Madritistas und Mourinhistas, und musste schließlich gehen. Auch bei seiner Rückkehr zu Chelsea holte er die Meisterschaft, verscherzte es sich aber mit Eigentümer Roman Abramowitsch, und musste gehen.

“Uniteds Spieler ertrinken in Jose Mourinhos Meer an Negativität”

Zu Manchester United kam er 2016 nach wie vor als großer Name, seine Tricks hatten sich über die Zeit aber abgenutzt. Die Selbstherrlichkeit des Special Ones, der sich mit allem und jedem anlegte, machte Mourinho erst zum Phänomen. Es funktionierte aber nur, solange auch Erfolg da war.

Sein miserables Verhältnissen zu Reportern, die Kleinkriege mit anderen Trainern – mit Pep Guardiola, Antonio Conte, mit Arsene Wenger (“Voyeur”, “Spezialist im Scheitern”) oder Tito Vilanova (“Penis”), zu seiner Zeit in Inter mit den Übungsleitern der halben Serie A -, oder Verschwörungstheorien: es war schon lange nicht mehr der verrückte wie brillante Fußballexperte Mourinho, der das alles sagte. Sondern ein miesepetriger Trainer, der mit seinem antiquierten, zwanghaft defensiven Fußball nun mit Manchester United einen der größten Klubs der Welt an die Wand fuhr.

Dessen möglicher Rauswurf wurde seit Wochen diskutiert. Entscheidende Spannungen mit der Klubführung gab es schon im Sommer, als Mourinho sich öffentlich über die Transferaktivitäten beschwerte. “Dieser Moment am Anfang der Saison”, sagte United-Legende Gary Neville jetzt, “als der Vorstand von einigen von Mourinhos Wunschspielern abrückte – in diesem Moment bis du als Coach am Ende”. Für die Klubführung selbst soll dagegen ein Hauptgrund für die Entlassung gewesen sein, dass Mourinho für 400 Millionen Pfund Spieler holen konnte – die nicht funktionierten.

Den Rückhalt der selbigen hatte der 55-Jährige wohl schon länger verloren. Mit Paul Pogba, dem 105-Millionen-Einkauf, lieferte sich Mourinho eine öffentliche Fehde, am Ende setzte er den hochbegabten Mittelfeld-Mann nur noch auf die Bank. Manchester United war seit geraumer Zeit mehr eine Seifenoper als ein Fußballklub. “Uniteds Spieler ertrinken in Jose Mourinhos Meer an Negativität”, schrieb der Guardian Anfang des Monats.


Mourinho: Wie geht es nach der Entlassung weiter?

Nun hat United reagiert, auf der Insel ist man sich einig: viel zu spät. In der Liga ist man nach 17 Spielen 19 Punkte hinter der Tabellenspitze, mit einem negativen Torverhältnis.

Die Red Devils haben einen langen Weg vor sich – zurück zu attraktivem Fußball, zurück in andere Tabellenregionen. Und Mourinho? Der wird – zumindest auf dem Niveau, auf dem sich der Portugiese selbst sieht – zumindest vorerst keinen Job mehr finden.

“Ich denke, England ist der beste Ort, um im Fußball zu arbeiten”, hat Mourinho einmal gesagt. Die Big Five in England wollen aber wohl erst einmal nichts mehr mit The Special One zu tun haben. In Spanien scheiden Real Madrid (Ex-Klub), Barcelona (Erzfeind des Ex-Klubs) und Atletico (Stadtrivale des Ex-Klubs) aus, PSG hat keinen Bedarf und der FC Bayern würde sich den Portugiesen wohl nicht antun. Mit Inter machte der 55-Jährige im Moment des größten Triumphes eigenhändig Schluss, Juventus ist aktuell glücklich – und hat Ronaldo.

Optionen blieben dennoch genug. Dazu müsste Mourinho aber Ansprüche und Selbstwahrnehmung zurückschraube: eine Rückkehr in die portugiesische Heimat, ein Engagement als Nationaltrainer, ein Engagement in einer Geld-Liga wie China oder ein guter Mittelfeldklub. Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, hat Mourinho ja jetzt. Und mit der kolportierten Abfindung von 25 Millionen Euro lässt sich diese auch einigermaßen angenehm gestalten.