Kalous Tiefschläge erschüttern die Liga

Am Mittwoch geht es für die Bundesliga sprichwörtlich ums Überleben.

Dann berät Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder über weitere Lockerungen der Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Auf den Tisch soll dann auch das Hygiene-Konzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) kommen, das den Wiederanpfiff der Liga ermöglichen soll.

Ungeachtet einiger kritischer Kommentare wie von SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schien es lange Zeit, dass dieses Konzept die Hürden bewältigen könne. Zumindest so lange, bis Salomon Kalou ein Live-Video aus der Kabine des Bundesligisten Hertha BSC postete.

Dabei hatte das Arbeitsministerium schon ebenso grünes Licht gegeben wie die Sportminister-Konferenz der Bundesländer, die einem Neustart grundsätzlich zustimmte. Für die DFL und alle Befürworter eines Re-Starts hätte es bis zum vergangenen Freitag kaum besser laufen können.

Positive Tests werden umgedeutet

Am 1. Mai kam jedoch das erste Störfeuer.

Der 1. FC Köln gab an jenem Abend drei positiv getestete Personen - zwei Spiele und ein Physiotherapeut - bekannt, das Gesundheitsamt schickte sie in eine 14-tägige häusliche Quarantäne. Bevor das Fundament jedoch ernsthaft wackelte, deuteten verschieden Protagonisten den Befund kurzerhand um.

Es sei "kein Rückschlag für die geplante Wiederaufnahme der Bundesliga, ganz im Gegenteil", sagte FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle im Kölner Stadtanzeiger - und bekam Unterstützung vom Leiter der "Task Force Sportmedizin", Prof. Dr. Tim Meyer.

"Dies war der allererste Test", erklärte Meyer, der auch die Nationalmannschaft medizinisch betreut, bei SPORT1. "Wir haben jemanden gefunden, diese Personen werden ausgeschlossen. Soweit funktioniert das Ganze also zunächst einmal."

Lauterbachs Tweet ("Wer mit Covid-19 trainiert, riskiert Schäden an Lunge, Herz und Nieren. Ich wundere mich, dass Spieler das mit sich machen lassen") schien bereits zu verhallen, da meldete sich der Kölner Mittelfeldspieler Birge Verstaete in seiner belgischen Heimat zu Wort.

"Missverständlicher Eindruck": Verstraete rudert zurück

Birger Verstraete (Photo by TF-Images/Getty Images)
Birger Verstraete (Photo by TF-Images/Getty Images)

Es sei "bizarr", dass nicht die gesamte Kölner Mannschaft in Quarantäne geschickt werde, sagte Verstraete, der sich Sorgen um seine herzkranke Freundin machte, dem Sender VTM. Später, wohl auf Druck der Kölner Vereinsführung, ruderte der 26-Jährige zurück und gab an, es sei "in der Übersetzung ein missverständlicher Eindruck entstanden, der mir leid tut."

Dennoch ließ sich der Vorwurf nicht einfach aus der Welt schaffen und führte zu einer Diskussion um die Persönlichkeitsrechte der Spieler. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Verein seine Angestellten dazu zwingen kann, am Trainings- und Spielbetrieb teilzunehmen - selbst wenn diese Rechte für einige Zeit stark eingeschränkt sind.

Ja, sagte Jörg von Appen, einer der führenden deutschen Sportjuristen im Gespräch mit SPORT1. "Wenn der Verein alle geforderten Hygiene-Vorschriften einhält und die zuständigen Behörden den Trainings- und Spielbetrieb in der Bundesliga zulassen, kann einem Fußballprofi das Erscheinen am Arbeitsplatz angeordnet werden."

Stehen den Brot und Spielen, wie es Lauterbach nennt, also nichts mehr im Wege? Die Antwort lieferte am Montagnachmittag ein bizarres Video des Berliner Stürmers Salomon Kalou - eines, das der DFL einen echten Bärendienst erwies.

Kalous Video als Bärendienst für die DFL

Salomon Kalou (Photo by Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images)
Salomon Kalou (Photo by Simon Hofmann/Bongarts/Getty Images)

Der Ivorer postete das Live-Video auf Facebook und gab die strengen Hygieneregeln, an die sich die Bundesligisten halten sollen, der Lächerlichkeit preis. Kalou schüttelte Hände von Mitspielern, filmte, wie ein nicht ausreichend geschützter Mitarbeiter einen Abstrich bei Jordan Torunarigha nahm und beschwerte sich nebenbei noch um die hohen Kürzungen auf seinem Gehaltszettel.

Mit einer Stellungnahme, die auch Kalous Suspendierung beinhaltete, versuchte die Hertha-Führung, den Schaden zu begrenzen. "Ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir alle Beteiligten intensiv auf die Hygiene- und Abstandsregeln hingewiesen haben und auf deren konsequente Einhaltung achten", sagte Geschäftsführer Michael Preetz.

Weil aber im Video neben Kalou noch andere Spieler zu sehen sind, die die Vorgaben missachten, musste Preetz zähneknirschend die Schwächen der gesamten Umsetzung des Hygiene-Konzepts einräumen.

"Die Tatsache, dass andere Teammitglieder ihn nicht auf diese Verfehlung aufmerksam gemacht haben und stattdessen den Gruß per Handschlag erwidert haben, verdeutlicht, dass die regelmäßigen Hinweise auf die Abstands- und Hygieneregeln noch intensiver ausfallen müssen."

"Hierfür kann es keine Toleranz geben"

Für die DFL und diejenigen, die dem Wiederbeginn der Bundesliga herbeisehnen, ist der 25-minütige Stream mehr als nur ein peinliches Theaterstück. Nach SPORT1-Informationen hagelte es beim Verband Beschwerden über das verantwortungslose Verhalten eines Bundesligaprofis.

So unbekümmert, wie es in der Berliner Kabine zugeht, wird es auch in den 35 anderen Profivereinen sein - das dürfte der Tenor sein, der spätestens jetzt nur schwer zu widerlegen sein dürfte. In den sozialen Medien wird ein möglicher Wiedereinstieg der Liga bereits beerdigt, der Widerstand wächst weiter.

Das Gerüst, das sich die DFL in mühsamer Kleinarbeit aufgebaut hat, steht seit diesem Montagnachmittag wieder auf wackeligen Beinen - das weiß auch der Verband.

"Die Bilder von Salomon Kalou aus der Kabine von Hertha BSC sind absolut inakzeptabel", meldete sich die DFL in einer ersten Reaktion zu Wort. "Hierfür kann es keine Toleranz geben – auch mit Blick auf Spieler und Klubs, die sich an die Vorgaben halten, weil sie die Ernsthaftigkeit der Situation erfasst haben."

Wenn man das Bestreben der DFL auf einen möglichst schnellen Re-Start der Bundesliga mit dem Kampf eines Boxers vergleicht, dann musste sie am Montagnachmittag einen fiesen Leberhaken einstecken. Es ist zu hoffen, dass es nicht gleichzeitig der K.o. war.