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„Kartenspiele...? Hatte ich jetzt eigentlich nicht so Bock drauf“

Im Jahr 2016 machte Raphael "BunnyHoppor" Peltzer das erste Mal in der Hearthstone-Szene von sich reden. Der dritte/vierte Platz bei der HCT - Europe Winter Championship war der Startschuss für eine bis heute andauernde, extrem erfolgreiche eSports-Karriere. Seitdem ist der gebürtige Kölner eine feste Größe im Hearthstone-Universum, der bei den wichtigen Turnieren regelmäßig um die Topplatzierungen mitspielt.

Seit Januar 2020 steht der 27-jährige bei Team Liquid unter Vertrag. Im Zuge der Eröffnung des neuen Trainingszentrums traf SPORT1 den besten deutschen Hearthstone-Spieler auf einen Plausch per Zoom-Call.

Liebe auf den ersten Blick? Fehlanzeige.

"Kartenspiele..? Da hatte ich jetzt eigentlich nicht so Bock drauf."

Nicht unbedingt ein Satz, den man von jemandem erwartet, der seit Jahren zu den Elite-Spielern eines digitalen Kartenspiels gehört. Doch in einer Zeit vor Hearthstone war Bunny leidenschaftlicher Battlefield-II-Zocker. Der Umstieg vom Shotguns, Sturmgewehren und Granaten hin zu Karten erfolgte erst später, zu dem Bunny von einem Bekannten mehr oder weniger überredet werden musste.

Heute ist das einzige, das aus der Battlefield-Zeit geblieben ist, nur der Name: "Tatsächlich kommt das aus einer Zeit, in der ich viel Battlefield II gespielt habe. Zu diesem Zeitpunkt haben dort viele Leute das Movement missbraucht. Sowas wie "dolphin diven" oder eben auch "bunnyhopping" - um dort gut sein zu können, musste man das draufhaben, wurde dafür aber auch oftmals von den gegnerischen Spielern angeflamed. Daraus entstand dann eigentlich nur ein Spaßaccount mit dem Namen "BunnyHoppor", weil ich mir dachte, "Wenn du eh schon BunnyHoppor heißt, können die Leute dich nicht mehr so gut flamen."" erzählte Bunny lachend.

Die Entstehungsgeschichte ist fast so kurios, wie die Tatsache, das Bunny erstmal keine Lust auf Hearthstone hatte. Doch genau dieser Umstand führte dazu, dass Bunny diesen ursprünglichen Spaßaccount später benutze, als er sich das erste Mal bei Hearthstone anmeldete: "Jahre später hat mich jemand dazu gebracht Hearthstone zocken. Ich dachte mir erst "Kartenspiele..? Da hatte ich jetzt eigentlich nicht so Bock drauf". Habe es dann aber doch mal angefangen und dafür meinen BunnyHoppor-Account verwendet".

Bunnys Main-Account "Ruphi" - angelehnt an seinen eigenen und den Namen des Anführers der Strohhut-Bande aus dem Manga "One Piece" - wollte er vorerst für so etwas unspektakuläres wie Hearthstone nicht einsetzen.

Letztendlich kam es wie es kommen musste, Kartenspiele machten ihm doch Spaß und Bunny gewann direkt das erste Hearthstone-Turnier, an dem er teilgenommen hatte. Als danach die Frage aufkam, ob er nun nicht doch zu seinem Main-Account wechseln wollen würde, habe er nach eigener Aussage wohl zu lange überlegt und so ist der Name BunnyHoppor letztendlich geblieben.

Ob das nun gut oder schlecht ist, sei mal dahingestellt. In Sachen Marketing macht es der Name "BunnyHoppor" auf jeden Fall einfacher. Die Frage welches Emoji bei welchem Tweet verwendet werden soll, erübrigt sich: "Irgendwas mit Hasen nehmen – dann passt das schon" meinte Bunny lapidar.

Weitaus wichtiger als das Marketing ist für das Profi-Dasein sowieso eine gewissenhafte Vorbereitung auf kommende Turniere. Wer jedes Mal direkt in Runde Eins ausscheidet, dem bringen auch all die Hasen-Emojis nichts.

Persönliches Gefühl über Winrates

Um sich optimal auf ein Turnier vorzubereiten, gilt es vorab zwei wichtige Fragen zu beantworten: Erstens in welchem Format wird gespielt und zweitens ist mir mein Gegner bekannt? Der Annahme, dass die Vorbereitung leichter wäre, wenn man seinen Gegner kennt, widerspricht Bunny klar: "Kennt man seinen Gegner nicht, ist die Vorbereitung meist ein wenig einfacher. Man kann sich somit nur auf sich konzentrieren und seine Strategie auf die eigenen Vorlieben ausrichten. Das bringt meist auch mehr Spaß mit sich, als auf Teufel komm raus zu versuchen seinen Gegner und dessen Strategie zu countern."

Geht es um das allgemeine Deck-Line-up, wird sich vorrangig an der aktuellen Meta orientiert. Dabei kristallisieren sich nicht nur die Decks raus, die man spielen möchte, sondern vor allem auch die, gegen die man nicht spielen möchte.

Da die meisten Hearthstone-Turniere inzwischen in einem Format ausgespielt werden, bei dem jeder Spieler über mindestens einen Deck-Bann verfügt, seien dies dann diejenigen Deckarchetypen, die man per Bann direkt zu Beginn des Matches aus dem Spiel nimmt.

Im letzten Schritt geht es dann mit potenziellen Turnier-Line-up auf die Ladder, um herauszufinden, wie gut die einzelnen Decks tatsächlich funktionieren und welchen Einfluss die Herein- und Herausnahme einzelner Tech-Karten die Winrates beeinflussen. Tech-Karten sind Karten, die aufgrund ihres Effekts nur gegen bestimmte Deck-Archetypen sehr gut, aber generell eher schwach sind.

Beispielsweise eine Karte zur Waffenzerstörung ist extrem gut gegen ein Deck, bei dem der Gegner viele Waffen benutzt. Gegen einen Archetyp, der keine Waffen spielt, ist sie schlichtweg nutzlos. Laut Bunny seien pro Deck maximal zwei bis fünf Tech-Karten das Maximum, da das Deck sonst zu schwach werden würde. Allgemein bestünden viele Decks aus einem Core-Packet, das bei vielen Spielern komplett identisch sei.

Daraus erkläre sich letztendlich auch, woher die teilweise großen Unterschiede zwischen Standard-Ladder-Decks und Turnier-Decks herkommen: "Das hat viel mit den Tech-Karten zu tun. Da man auf der Ladder generell darauf gefasst sein muss auf jeden der unterschiedlichen Deck-Archetypen zu treffen, spielt man dort entsprechend viele Tech-Karten, um gegen alles ein zumindest ausgeglichenes Match-up zu haben. Wenn ich aber in einem Turnier mit den üblichen Bann-Regeln spiele und beispielsweise den Warrior meines Gegners banne, muss ich keine Tech-Karten, die speziell auf den Warrior ausgerichtet sind, in meinem Deck haben. Entsprechend unterscheidet sich dann ein Turnier-Deck gegenüber einem Standard-Deck von der Ladder. Generell gilt, je weniger Tech-Karten es beinhalten muss, desto besser ist ein Deck" stellt Bunny klar.

Neben harten Zahlen und Statistiken gibt es laut Bunny aber noch einen weiteren Faktor, der eine große Rolle bei der Auswahl eines Turnier-Deck-Line-ups spielt: "Wichtig ist neben den Winrates aber vor allem auch das persönliche Gefühl, was die einzelnen Decks angeht. Es kann durchaus sein, dass man zwar viel gewinnt, aber dennoch das Gefühl hat, dass dies nur deswegen ist, weil man gerade das Glück auf seiner Seite hat. In der Regel geht es den meisten Hearthstone-Profis sowieso so, dass sie die ersten Decks, die sie spielen wollen, sofort wissen. Das letzte ist dann meist das, welches sich im Vergleich zu den anderen am wenigsten schlecht anfühlt."

Eine alte Hearthstone-Tradition

Auch abseits der Turnier-Meta und seines Daseins als Profi-Spieler, ist Bunny mit dem allgemeinen Zustand des Spiels zufrieden. Vor allem die Implementierung der zehnten Klasse, die des Demon Hunters, gefiel ihm.

Zwar sei diese, als sie Anfang des Jahres herauskam, völlig overpowered gewesen, aber Blizzard habe dies dann schnell und gut geregelt, um die nötige Balance im Vergleich zu den anderen Klassen wiederherzustellen. Vor allem das Feature der nur ein Mana kostenden Helden-Fähigkeit sei sehr erfrischend.

Ganz anders verhält es sich mit der Priester-Klasse. Erst kürzlich retweetete Bunny einen Tweet, bei dem die Priester-Klasse quasi aus Hearthstone gelöscht wurde.

Auf Nachfrage von SPORT1 erklärte der 27-jährige seine Abneigung wie folgt: "Im Grunde genommen ist das eine Hearthstone-Tradition Priester zu hassen. Es ist eine ziemlich un-interaktive Klasse, vor allem für denjenigen, der dagegen spielen muss. Da die Klassen-Identität des Priesters hauptsächlich darauf basiert, dir Sachen wegzunehmen und dich letztendlich mit deinen eigenen Karten schlagen will ohne wirklich versucht selbst zu gewinnen, macht es meist absolut keinen Spaß gegen einen Priester zu spielen."

Dass die persönlichen Präferenzen und Abneigungen im Leben eines Profi-Hearthstone-Spielers nicht immer auschlaggebend dafür sein können, was letztendlich bei Turnieren gespielt wird, macht der letzte Satz Bunnys zum Priester-Thema deutlich: "Leider ist die Klasse zu gut, um sie nicht zu spielen" seufzte er.

BunnyHoppor x LoR ?

Viele interessante Klassen und weitaus spaßigere Matchups, als momentan ein Hearthstone-Spiel gegen den Priester, bietet Legends of Runeterra. Auch Bunny ist der anfängliche Hype rund um Riot Games neustem digitalem Kartenspiel nicht entgangen: "Ich habe das mal angespielt, mir angeschaut und fand es auch sehr interessant. Letztendlich war ich mir aber nicht sicher, ob das daran lag, dass das Spiel so gut ist oder ob das daher rührte, dass ich einfach viel Spaß daran habe neue Dinge, neue Abläufe zu lernen. Leider hatte ich, aufgrund meines Lebens als Hearthstone-Profis und dem damit verbundenen vollen Terminkalenders, nicht wirklich viel Zeit, um das Spiel weiter auszutesten."

Nachdem ein paar Wochen ins Land gegangen sind, war für Bunny aber auch klar, dass er auch unabhängig von seinem Terminkalender nicht mehr Zeit in Legends of Runeterra investieren wolle, da der Hype um Riots hauseigenes Kartenspiel seiner Meinung nach doch recht schnell abgeflacht sei.

Da auch bisher noch keine allzu großen Turniere ausgespielt und die Twitch-Zahlen weiter sinken, würde es für ihn als Profi-Spieler keinen Sinn ergeben, sich auf LoR zu fokussieren und damit seine Hearthstone-Karriere zu vernachlässigen. Auch wenn das schade sei, da Legends of Runeterra wirklich interessant ausgesehen habe.

Die Hearthstone-Fans können also aufatmen: Raphael "BunnyHoppor" Peltzer wird auch weiterhin im Gasthaus um die Toplatzierungen im spielen.

Und das, obwohl er erstmal eigentlich gar keinen Bock auf Kartenspiele hatte.