Kommentar: Länderspiel absagen!

Kommentar: Länderspiel absagen!

Das Länderspiel zwischen Deutschland und Holland findet trotz des Terrors in Frankreich statt. Unser Autor Jens Fischer meint: Das ist sinnlos. Ein Kommentar.

Okay, dieses Spiel findet nun einmal statt. Deutschland gegen Holland, sportlich sinnlos, und überschattet von den schrecklichen Ereignissen vom vergangenen Freitag. Ein Spiel findet statt – und ich frage mich: Wieso? Am Sonntag saß ich vor dem Fernseher, und Timo Hildebrand kam zu Wort. Einstmals ein akzeptabler Keeper beim VfB Stuttgart, und am Freitag im Pariser Stadion, sagte er: „Das Spiel interessiert eigentlich niemanden. Es ist völlig irrelevant, ob es stattfindet.“ Und dann der entscheidende Satz: „Man darf sich die Zeit nehmen zu trauern, nachzudenken und muss nicht gleich wieder zur Tagesordnung übergehen.“ Richtig, Herr Hildebrand. Finde ich.

Es sind immer die gleichen Aussagen, die rechtfertigen, dass die Partie am Dienstagabend in Hannover angepfiffen wird. „Wir dürfen dem Terror nicht weichen und müssen ein klares Signal setzen, dass das Leben weitergeht“, sagt DFB-Interimspräsident Rainer Koch. Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff setzt auf Werte, nicht auf den Sport. Sportlich „niedriger zu bewerten“ sei das Spiel, so Bierhoff. Es ist ein wahnsinnig schwieriger Spagat, den die Verantwortlichen zu bewältigen haben. Aber, ganz ehrlich, warum ersparen sie sich diesen nicht einfach?

Wer will das sehen? Ich nicht!
Trauern – und spielen: Eine beinahe groteske Kombination, die meiner Meinung nach leicht aufzulösen wäre. Einfach mal absagen, denke ich mir. Innehalten. Verarbeiten. Nicht wieder ins das nächste Stadion hetzen. Sechs prominenten Spielern hat Bundestrainer Joachim Löw frei gegeben, Mustafi, Kramer, Kruse. Muss das sein? Wer will das sehen? Ich nicht. Nicht in diesen Tagen. Dabei bin ich mir zweifelsohne sicher, dass der DFB, und natürlich auch die Zuschauer in Hannover, alles Erdenkliche tun werden, dass an diesem Abend niemand die Gräuel von Paris vergisst. Dennoch: Es ist ein emotionaler Drahtseilakt, der eigentlich nicht sein muss.

Auch ich finde, dass man gegen den Terror ein Zeichen setzen muss, man nicht weichen und sich nicht einschüchtern lassen darf. Aber das tut ja auch niemand, wir machen doch sicher weiter. In drei Tagen geht es wieder rund in den deutschen Stadien, das Liga-Wochenende beginnt mit allen seinen Emotionen. Da wäre eine Woche Ruhe und Einkehr doch durchaus drin gewesen. Selbst Löw hätte diesen sportlich belanglosen Wettkampf am Sonntag noch am liebsten abgesagt – nicht die schlechteste Idee im ersten Empfinden.

Okay, dieses Spiel findet nun einmal statt. Das alte Sport-Mantra „The games must go on“ wird befolgt. Das kann man sicher machen, aber nicht nur aus einem Reflex heraus. „Wir werden in jeder Phase des Spiels mitfühlen und mittrauern“, meint Löw. Ich weiß nicht: Manchmal ist man am liebsten auch mit sich alleine.