Kommentar: Deutsches Scheitern bei Fußballturnieren ist das neue Normal

Trauer nach dem Spiel: Die deutschen Fußballnationalspielerinnen nach dem Ausscheiden in der WM am vergangenen Donnerstag (Bild: REUTERS/Dan Peled)
Trauer nach dem Spiel: Die deutschen Fußballnationalspielerinnen nach dem Ausscheiden in der WM am vergangenen Donnerstag (Bild: REUTERS/Dan Peled)

Klar, es gab auch eine Menge Pech. Doch wie die Frauenmannschaft bei dieser WM rausflog, erinnerte arg ans Männerteam. Die Krise war schon vorher da. Nun muss man sich daran gewöhnen. Erst dann gelänge eine Abhilfe.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Das Gleichziehen mit den Männern wird sich die Elf von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg anders vorgestellt haben. Master im Desaster können sich viele der aktuellen Nationalspielerinnen und Nationalspieler nennen: Bei Gegenwind, den es im Fußball eigentlich so häufig gibt wie einen Gerichtstermin Donald Trumps, knicken sie ein. Dann sind die vielen Potenziale und Erfahrungen, die Talente und Tricks nicht mehr abrufbar. Warum? Das wird die Frage sein, die sich der deutsche Fußball in den kommenden Monaten stellt.

Erstes Vorrundenaus für Deutschland (03.08.2023, Grafik: dpa)
Erstes Vorrundenaus für Deutschland (03.08.2023, Grafik: dpa)

Frauen- und Männerteam schneiden historisch blamabel bei den großen Turnieren ab. Wir sind ja mindestens 80 Millionen Bundestrainer im Land, und da war es faszinierend zu beobachten, wie viele von uns vor diesen jeweiligen Wettbewerben doch recht einhellig die eindeutig überwiegenden Stärken der Mannschaften hervorhoben, uns überzeugt vom „Topf-Holen“ zeigten – und wie ebenfalls einhellig wir uns im Nachgang darüber klar waren, dass es natürlich nichts hätte werden können.

Man könnte an dieser Stelle lamentieren. Zufälle sind nie unverschämt, selbst nicht die bei den letzten beiden WM. Und sie wiegen schwerer, wenn es nicht gut läuft. So bewahrheitete sich die alte Weisheit von Jürgen Wegmann, denn „erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu“. Chancen muss man sich erspielen. Tore muss man machen. Doch beide Nationalteams zeigten eine Apathie genau dann, wenn sie diese am wenigsten gebrauchen konnten.

Früher, ja früher

Das hat bittere Folgen. Ein Freund von mir schrieb gestern, hoffentlich halb ironisch, „ich schau mir erst wieder ein Spiel an, wenn wir im Halbfinale stehen“. In der Zwischenzeit gibt es für die Fußballnation einen Platz auf der Couch. Aber liegend und analysierend.

Was fehlt, ist das Reißerische. Und was wir nicht benötigen, ist das Beschwören einer vermeintlich besseren Vergangenheit. Denn die Zeit liegt nicht allzu fern zurück, als zum Beispiel das Männerteam grottige Nullrunden schob, Sprichwort „Erich Ribbeck“. Die Älteren unter uns vermissen vielleicht einen Lothar Matthäus, der sich zu Beginn der WM 1990 gegen Jugoslawien das sprichwörtliche Herz und dann den Ball fasste, übern Platz zog und einen Fernschuss ins Tor hämmerte. Oder 2009 Birgit Prinz, die drei Monate nach einem Rippenbruch wieder auf dem Platz stand und ihr 123. Länderspieltor machte. Aber. Aber der Fußball hat sich geändert, ist schneller, technischer und strategischer geworden. Und in diesen neuen Tugenden sind die Spielerinnen und Spieler bestens ausgebildet. Nur fehlt ihnen eine Art Anschluss an den früheren so genannten „Arsch in der Hose“.

In der Kürze steckt nicht jede Würze

Die deutschen Nationalmannschaften brauchen mehr Typen, die bei Verantwortung keine Lähmungserscheinungen erleiden. Welche, die auch mal egoistisch sind. Eine Gier wird zwar immer postuliert, aber sie versandet irgendwo zwischen den 90 Minuten.

Vielleicht wurde in den vergangenen Jahren zu viel auf Raffinesse und auf Fußball als Uhrwerk aus vielen Zahnrädern gesetzt. Tiki-Taka erspielt sich nicht automatisch Tore. Und es wurde mit jedem Moment mulmiger, die deutsche „Platzüberlegenheit“ der vergangenen Spiele zu sehen, Ecke um Ecke, bei der nichts rumkam. Dieses ewige Kurzpassspiel, als stünden die Tore an der Seite.

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Nun bricht die Zeit der gefühlten Fakten an. Die Ära der Robin Gosens, die mehr Temperament ins Spiel bringen; bleibt zu hoffen, dass es dann mit der Technik nicht allzu hapert. Einen Gosens kann man sich tatsächlich backen. Das fängt indes in der Jugend an. Solange können wir uns zurücklehnen und weitermeckern, das macht ja auch keinen geringen Spaß.

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