Kommentar: Die Aufregung bei Borussia Dortmund über den Schiri ist viel Mimimi

Nach der Achtelfinal-Niederlage in der Champions League wütet Emre Can gegen den Schiedsrichter. Meine Güte: Wenn Fußballer mal endlich emotional werden – dann bitte doch nicht bei solchem Kram.

In der Kritik aus Dortmunder Sicht: Schiedsrichter Danny Makkelie bei der Partie Chelsea gegen BVB am vergangenen Dienstag (Bild: Reuters/Peter Cziborra)
In der Kritik aus Dortmunder Sicht: Schiedsrichter Danny Makkelie bei der Partie Chelsea gegen BVB am vergangenen Dienstag. (Bild: Reuters/Peter Cziborra)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Kurz vor dem Spiel hatte Emre Can noch über seine eigene Besserung gesprochen. "Ich habe über Dinge gemeckert, die ich nicht ändern konnte. Ich habe auf andere gezeigt und mir gedacht, ich bin nicht schuld" – so seine Bilanz aus der Winterpause heraus. Doch nun, nach dem Aus in der europäischen Königsklasse, war mal wieder schuld: ein anderer.

"Der Schiri. Der war heute schuld", regte sich Can nach dem Spiel auf. 1:0 hatte seine Borussia Dortmund noch das Hinspiel gewonnen, dann aber in der Rückpartie in England 0:2 verloren. Can: "Wie kann man in der Situation den zweiten Elfer geben? Wie geht das? Das geht einfach nicht! Ist mir scheißegal, wer da vorher reingelaufen ist. Der war das ganze Spiel arrogant – da geht es schon los. Wir haben hier unverdient auch wegen des Schiris verloren."

Was meinte er genau? Ein BVB-Spieler hatte im Strafraum eine gegnerische Flanke geblockt, allerdings mit der Hand weg vom Körper. Der Schiedsrichter zeigte auf den Elfmeterpunkt. Leute, die es wissen müssen, meinen, diese Entscheidung sei korrekt gewesen. Aber dann kam es noch dicker.

Böser, böser Schiri

Denn Chelseas Kai Havertz setzte den Strafstoß an den Pfosten. Weil aber ein BVB-Spieler zu früh aufs Tor zugelaufen war, ließ der Mann in Schwarz den Elfer wiederholen. Havertz traf zum 2:0-Endstand. Can regte dabei auf, dass eben auch einige Chelsea-Spieler vor dem Elfer in den Strafraum gelaufen waren – aber nach Experteneinschätzung sei das unerheblich. Warum dann also die Bambule?

Auch Dortmunds externer Berater Matthias Sammer knöpfte sich den Schiri vor: "Der Elfmeter plus Wiederholung – das ist ein handfester Skandal", sagte er im Fernsehen. "Für solche Konstellationen gibt es Persönlichkeit. Makkelie ist ein sehr, sehr arroganter Mensch. Als Schiedsrichter hast du auch eine bestimmte Ausstrahlung."

Und Can setzte noch einen drauf. "Wir spielen hier an der Stamford Bridge. Vielleicht hat er Angst vor den Fans, ich weiß es nicht. Aber dann soll die UEFA einen anderen Schiri schicken."

Fassen wir zusammen. Nach Can & Sammer war der Schiedsrichter: arrogant und angsterfüllt. Fehlerhaft obendrein. Und das nach einer Spielleistung des BVB, nach der sich viele einig waren, dass Chelsea nicht wirklich unverdient gewonnen hatte.

Parallelgesellschaft Profifußball

Es ist schon traurig. Seit einigen Jahren sind Interviews mit Fußballstars inhaltliche Nullsummen. Gar nichts wird da mehr gesagt. Die Profis drucksen herum, geben sich diplomatisch und kantenlos. Emotion zeigen sie dann aber zuweilen, wenn es gegen andere geht. Irgendwie kein guter Charakterzug.

Ich weiß, die alte Leier von "Früher war alles besser" ist ausgelaugt, aber in diesem Falle ein stimmender Klassiker. Die Zeit, in der Fußballer nicht von ihren Beratern komplett abgeschirmt wurden, ist gar nicht lange her. Es war eine Zeit, in der Profis ihre Interviews selbst autorisierten und nicht darin von einer Heerschar aus "Medienbeauftragten" und Beratern herumgefuhrwerkt wurde, dass vom gesagten Wort nur noch persilreiner Blechsprech übrig bleibt. Wenn sie heute ihre "wahre Haut" zeigen, möchte man die lieber nicht sehen, wie bei Manuel Neuer und seinem Wut-Interview, das selbst wie ein einziger Arroganzanfall wirkte. Die Blase, in der Fußballgötter früher lebten, war jedenfalls kleiner als die heutige.

Es wäre toll gewesen, wenn Dortmund in der Champions League weitergekommen wäre. Aber nun das K.O. dem Schiedsrichter in die Schuhe zu schieben, ist Emotion an der falschen Stelle. Ecken und Kanten können gern her, aber doch nicht bei solchem Mimimi.

Im Video: BVB hätte trotz Elfer-Eklat den Sack früher zu machen müssen | 2nach10