Kommentar: Diese 6 Themen gehen wegen Corona unter

Schön anzusehen, besonders bei der Hitze: Ein Eisberg in der Antarktis (Bild: REUTERS/Ueslei Marcelino)
Schön anzusehen, besonders bei der Hitze: Ein Eisberg in der Antarktis (Bild: REUTERS/Ueslei Marcelino)

Maske auf, Maske runter, ist die Pandemie noch da oder wieder da? Die Diskussionen über Covid-19 verdrängen andere Fragen – dabei sind die auch wichtig.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine Breaking News dieser Tage ist, dass ein Bundestagsabgeordneter einen Polizeieinsatz auslöst: Weil Stephan „Nussschnecke“ Brandner von der AfD im ICE naschte und sich dann einen Disput mit dem Schaffner über den fehlenden Atemschutz leistete. Wir waren ja nicht dabei, aber am Ende des Gesprächs rief der Schaffner die Polizei.

Es macht auch Sinn, über das Verhalten von AfD-Politikern zu sinnieren. Das menschliche Gehirn hat immerhin Speicherkapazitäten von 2,5 Millionen Gigabyte – das entspricht einer riesigen Bibliothek und hat Platz für Nussschnecken verschiedener Art.

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Dennoch sieben wir das meiste aus. Was an akustischen und visuellen Informationen auf uns täglich einprasselt, ist einfach zu viel. Das Gehirn sortiert, filtert und lässt nur Bruchstücke hinein. Da fällt also Manches herunter.

Eigentlich ist auf unser Gehirn Verlass. Wichtiges erkennt es schon. Doch wenn ich mir die Nachrichtenseiten dieser Tage anschaue, kommen mir Zweifel: Da sind doch schon recht viele Backwaren im Regal. Anderes, durchaus Alarmierendes, findet man nur weiter hinten, in der Grabbelkiste.

Liegen bleiben zum Beispiel sechs aktuelle Meldungen, die erst einmal nichts miteinander zu tun haben:

  • Die Bauern erwarten diesen Sommer die dritte schlechte Ernte in Folge. Wenig Regen, Saharahitze – nur die Weinbauern freuen sich, vor allem die in Schleswig-Holstein. Für die anderen ist es zum Heulen.

  • Im Death Valley in Kalifornien wird es traditionell heiß, deshalb der Name. Doch nun haben Wissenschaftler Rekordtemperaturen gemessen: 54,4 Grad Celsius. Perfekt für das Niedriggaren von Schmorfleisch. Für den Rest eher schlecht.

  • Die Arktis wird grün. In der sibirischen Polarzone wurden an einem Ort 38 Grad Celsius gemessen. Die Folge sind Waldbrände, Rauchhimmel und Eisbären, die einpacken können.

Was diese Meldungen gemeinsam haben, ist ihr Ursprung. Sie haben nicht nur mit dem Klimawandel zu tun, sondern er ist der Grund für diesen Wetterschlamassel. Doch derzeit ist dies nur Randnotizen wert.

Die Pandemie und die nötigen Debatten verdrängen andere Probleme: Längst tun wir alle, die Politik und wir Bürger, nicht genug gegen den Klimawandel. Wir behandeln ihn nicht wie eine akute Krise. Aber er ist eine konkrete Katastrophe.

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Stattdessen verulken Kolumnisten „Fridays for Future“ als “Freitags-Revolutionäre“ und fragen User im Netz hämisch, wie das nun mit den Demos laufen soll.

Zum Glück gibt es heute einen wichtigen Termin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trifft sich in Berlin mit einigen Klimaaktivistinnen, darunter Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Zwar sind der warmen Worte genug gewechselt. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Stimmt, eine Meldung fehlt noch:

  • In zwei Tagen, am 22. August, ist der Erdüberlastungstag. Der was? Ab diesem Tag können wir bis Jahresende zählen, was wir zu viel an nachwachsenden Rohstoffen verbrauchen. Die wachsen nämlich nicht so schnell, wie der Markt es will.

Ach ja, eine Nachricht haben wir noch:

  • Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass die Politik das Containern verbieten darf. Wer also in Mülltonnen nach Essen sucht, das schon weggeschmissen wurde, macht sich strafbar. Welch ein Quatsch. Jedes Jahr werden weltweit Lebensmittel im Wert von 1,2 Billionen Dollar vernichtet, in Deutschland sind es 18 Millionen Tonnen jährlich; das entspricht einem vollen Lkw pro Minute. Beim Verbot des Containerns geht es vor allem um die Angst vor Klagen, denn Firmen wie Supermärkte haften für die Entsorgung. Aber will mir jemand ernsthaft weismachen, diese Problematik ließe sich nicht versicherungstechnisch klären? Wo wir uns gegen alles Mögliche versichern lassen können, vom Klimawandel einmal abgesehen?

Wenn ewiges Eis verschwindet, ist das mehr als ein Symbol. Es steht für die sich verändernde Welt, für das Rutschen von Gewohntem - eigentlich ein Thema für Politiker, auch der AfD; beklagen die doch den Untergang alter Ordnungen. Stattdessen werden Nussschnecken geknabbert. Der Appetit ist mir vergangen.

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