Kommentar: Erbärmlicher Kotau der FIFA

Die WM hat noch nicht mal angefangen und es geht schon los. Die FIFA verbietet der dänischen Mannschaft ein Trikot mit Menschenrechtsbotschaften. Das ist eigentlich kaum zum Aushalten.

Vor dem WM-Qualispiel gegen Island in Duisburg zeigte die DFB-Elf klare Kante. Ob sie das auch in Katar wagt? (Bild: REUTERS/Tobias Schwarz)
Vor dem WM-Qualispiel gegen Island in Duisburg zeigte die DFB-Elf klare Kante. Ob sie das auch in Katar wagt? (Bild: REUTERS/Tobias Schwarz)

Die skandinavischen Nationalteams gehörten zu denen, die sich am deutlichsten zur umstrittenen WM in Katar positionierten. Nun ist das, wie im Fall von Norwegen, natürlich deutlich leichter, wenn man ohnehin nicht qualifiziert ist. Doch auch die Dänen, die in Gruppe D gegen Frankreich, Australien und Tunesien antreten, wollten bei der Weltmeisterschaft ein Zeichen setzen. Sie wollten beim Turnier ein Trikot mit der Aufschrift "Menschenrechte für alle" tragen. Beim Training wohlgemerkt.

Hohle Marketing-Botschaften der FIFA

Und die FIFA? Zeigt sich wieder einmal von ihrer "besten" Seite. In vorauseilendem Gehorsam macht sie den Kotau aus Angst vor den Empfindlichkeiten des Gastgeberlandes und untersagte den Dänen diese Botschaft. Eine Botschaft, die eigentlich selbstverständlich sein sollte. Der Weltverband, der so gerne mit Schlagwort-Kampagnen wie "Diversity" und "Equality" wirbt, versteckt sich wie immer hinter der verschwurbelten Aussage, der Fußball solle doch bitte bloß nicht politisch sein. Dass er es längst ist, als globales Milliardengeschäft mit unglaublichen Einflussmöglichkeiten, wird dabei unterschlagen. Und dass eine Botschaft für grundlegende humanitäre Rechte, wie sie zum Beispiel in der UN-Menschenrechtscharta seit 1976 festgelegt ist, kein Fall von unangebrachter Politik ist, ebenfalls.

ZDF Doku Geheimsache Katar: Wie sich ein Land Anerkennung kaufen will

Stattdessen rief der mächtigste Sportverband der Welt seine Mitglieder dazu auf, sich "auf den Fußball zu konzentrieren" und den Sport nicht in jede "ideologische oder politische Schlacht" hineinzuziehen. Das Trikot-Verbot für die Dänen kam übrigens kurz nachdem der offizielle WM-Botschafter von Katar in einem ZDF-Interview Homosexualität als "geistigen Schaden" bezeichnet hatte. Die weiteren Verfehlungen, von Bestechungen bis zu den unmenschlichen Bedingungen der Arbeiter auf den Stadionbaustellen, sind ausreichend bekannt.

Sponsoren kneifen den Schwanz ein

Es scheint, als wären die einzigen, die wirklich Einfluss nehmen könnten, die großen Marken und Werbe-Partner. Doch die halten still. Im Falle von Dänemark übrigens stehen die Sponsoren hinter dem Team. Beim Turnier haben die Dänen ein schwarzes Alternativtrikot, um gegen Ausbeutung zu demonstrieren. Auf den Trikots ist das Wappen des Verbandes, der sich gegen die Ausrichtung in Katar stark gemacht hatte, und auch das Logo der Sportmarke Hummel kaum zu erkennen. Man wolle nicht sichtbar sein "bei einem Turnier, das Tausende Menschen das Leben gekostet hat", hieß es von Seiten des dänischen Ausstatters. Und Nike, adidas, Puma und Co.?

Die Verantwortlichen der FIFA und auch der Verbände sprechen immer davon, welch großen Einfluss die Turniere auf die Menschenrechtslage in Gastgeberländern nehmen können. Doch sie scheitern selbst schon an einem simplen Stück Stoff und knicken sofort ein. Das ist einfach nur erbärmlich und zeigt zehn Tage vor Turnierbeginn einmal mehr, wie falsch die Vergabe an Katar ist und wieviel man auf Aussagen der FIFA geben kann.

Leon Goretzka, so etwas wie das humanitäre Sprachrohr des deutschen Nationalteams, kündigte im Vorfeld des Turniers an, man werde beim DFB die Menschenrechtsthemen nicht ignorieren. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich andere Nationalmannschaften - auch und besonders die deutsche - nun nach der Ohrfeige für Dänemark verhalten. Auf Rückhalt aus Kreisen der FIFA kann man sich dabei nicht verlassen - das hat sie einmal mehr deutlich unter Beweis gestellt.

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