Werbung

Kommentar: Es werden unvergleichliche Weihnachten

Die Mindestabstände jedenfalls hält der Weihnachtsmann ein - eben ein Vorbild (Bild: REUTERS/Amir Cohen)
Die Mindestabstände jedenfalls hält der Weihnachtsmann ein - ein Vorbild (Bild: REUTERS/Amir Cohen)

Teillockdown vielleicht bis kurz vor Heiligabend, dazwischen immer schrägere Vergleiche. Weihnacht wird komisch genug. Doch lassen wir mal die Kirche im Dorf.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Manche werden durchaus aufatmen, dass sie nicht die nervige Tante X oder den peinlichen Cousin Y in den Weihnachtstagen sehen werden – wie sonst „zwischen den Jahren“. Manche werden sich entspannt zurücklehnen, dass sie nicht zu Weihnachtsmärkten geschleppt werden, überfüllt wie in einer Sardinendose und dann noch überzuckerter Glühwein zu überteuerten Preisen. Manche haben Geschenkerei schon immer gehasst, oder den Clash zwischen Kindheitserinnerungen und Gegenwart, was zuweilen zum Streit des Jahres ausartet.

Aber manche werden all dies schmerzlich vermissen. Weihnachten wird dieses Jahr anders als die anderen zuvor. Hoffentlich eine Ausnahme. Ich persönlich mag diesen ekligen Weihnachtsmarktwein sehr, die fettigen Langos, die Traditionen mit der Familie, das Zusammensein. Und den Clash der Erinnerungen wird es eh geben, die brauchen keine gewohnten Bahnen, um sich bahn zu brechen.

Lesen Sie auch: Coronavirus: Die wichtigsten Meldungen des Tages

Dieses erstaunliche Jahr 2020 wird also am Ende auch noch denkwürdige Weihnachten zeitigen. Okay. Aber können wir alle einen Gang runterschalten, bittschön?

Was macht eigentlich...Friedrich Merz?

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zum Beispiel schaut auf den Kaffeesatz seiner Tasse und sagt uns voraus: „das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgeneration je erlebt hat“. Superlativen stehe ich generell skeptisch gegenüber. Auch Vergleiche hinken zuweilen, dazu gleich mehr. Aber seit 1945 ist zu Weihnachten schon eine Menge geschehen, zwar keine Weihnachtsflut wie im Jahr 1717, der Hungerwinter 1946/1947 soll indes auch nicht ohne gewesen sein, und der Härtegrad einer Weihnachtszeit ist ohnehin eine recht persönliche Angelegenheit.

Man muss allerdings das Intime nicht derart übertreiben, wie Friedrich Merz es pflegt. Der CDU-Mann will wie Laschet Kanzler werden, da heißt es auffallen. Und während Laschet also die Keule rausholt, lässt Merz über seine privaten Weihnachtspläne aufhorchen: „Ich persönlich sage: Es geht den Staat nichts an, wie ich mit meiner Familie Weihnachten feiere“, kernt er herum. „Da kann er mir Ratschläge geben, aber er mischt sich bitte nicht ein.“

Lesen Sie auch: Astrazeneca-Impfstoff zu 70 Prozent wirksam gegen Covid-19

Was hat Merz vor? Wie will er feiern? Er macht schon neugierig. Vielleicht hat er eine Raketenbasis im Keller und will am heiligen Abend zum Mond. Oder er rührt am größten Sauerbraten der Welt und lädt das halbe Sauerland dazu ein. Wer weiß, verwegen genug ist der Merz allemal. Mir persönlich ist jedenfalls nicht bekannt, inwiefern der Staat in meine Weihnachten hineinregieren will – abgesehen von etwaigen Plänen die Wohnhäuser der anderen Straßenseite mit Aktenordnern zu beschießen oder Superspreaderevents zu feiern. Der Staat wird mir jedenfalls nicht die Entscheidung abnehmen, ob ich die Fondue mit Käse oder mit Fleisch machen werde. Big Brother war schon mal härter drauf.

Das führt uns zu den „Querdenkern“. Gegen die sind Laschets Vergleich und Merz‘ Muskeltalk Kinderkram. Die „Querdenker“ machen keine Umstände, sie ziehen gleich zu Beginn ihrer Nummer das Nazi-Kaninchen aus dem Hut. Das schafft Aufsehen.

Wann kommen Zorro und Robin Hood?

Zum Kind, welches sich öffentlich auf einer „Querdenker“-Demobühne wie Anne Frank fühlte, weil es den Geburtstag leise feiern musste (zu viele eingeladen), hat sich nun eine junge Erwachsene gesellt, die auf eben solch einer Bühne ihre Rede mit den Worten begann: „Ich fühle mich wie Sophie Scholl…“. Nunja. Sie meinte das, weil sie Flugblätter verteilt und so. Für diesen Quatsch wurde sie in den sozialen Netzwerken recht hart kritisiert, aber immerhin wurde sie nicht verhaftet, vier Tage später zum Tod verurteilt und noch am selben Tag geköpft. So langsam dämmert mir übrigens, warum „Querdenker“ sich gelbe Sterne anheften und sich wie Opfer der echten Nazis von damals fühlen wollen: Klar, natürlich wähnen sie sich dadurch auf der „richtigen“ Seite, Widerstand ist cool. Und logisch, die dunkle deutsche Geschichte wollen sie damit verpacken und relativieren – ich darf keine Riesenparty feiern? Das ist ja wie im KZ! Und in dieser Entrüstung fühlt man sich wegen der Nazi-Großeltern gleich weniger mies.

An diesem Wochenende indes leuchtete mir ein, warum „Querdenker“ AUCH diese Nazivergleiche bemühen. Sie bilden eine Minderheit. Das werden sie immer bleiben. Ihre Ansichten sind derart abstrus, dass sie die Fußnoten in der Geschichte der Corona-Pandemie füllen werden. Diese Traurigkeit macht bitter und führt zu fieser Vergleicheritis.

Daher zum Fest eine Bitte. All diese Aufgeregtheiten sind wenig bekömmlich. Kennt jemand ein gutes Glühwein-Rezept?

Im Video: Merkel will armen Ländern bei Corona-Impfungen helfen