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Kommentar: Heute wird der Weltfußball zu Grabe getragen

Der Weltfußballverband FIFA hat seit heute einen neuen Präsidenten: Es ist der alte. Gianni Infantino ist der Inbegriff eines lächerlichen Despoten. Die Pille bleibt dabei auf der Strecke. Eigentlich bleibt nur eins: Den Laden verlassen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Als würde er sich selbst applaudieren: FIFA-Präsident Gianni Infantino beim Weltkongress am Donnerstag in Kigali (Bild: REUTERS/Jean Bizimana)
Als würde er sich selbst applaudieren: FIFA-Präsident Gianni Infantino beim Weltkongress am Donnerstag in Kigali (Bild: REUTERS/Jean Bizimana)

Nachdem man Sepp Blatter als FIFA-König endlich losgeworden war, dachten viele im Jahr 2016, dass es nun nicht schlimmer werden könne. Wir alle wurden bitter belehrt.

Blatter, der schon ein ausgemachter Champion in Korruption und Kungelei war, erscheint im Vergleich zu seinem Nachfolger fast als Waisenknabe: Gianni Infantino ist nicht nur ein Eigengewächs aus dem Maschinenraum des Weltfußballverbands, ein Kind der inneren Bürokratie: Er hat auch dem negativen Erbe Blatters noch böse Spitzen hinzugefügt. Blatter hat man zuweilen belächelt. Bei Infantino bleibt einem der Spott im Halse stecken.

Infantino wurde also heute wiedergewählt. Per Akklamation, versteht sich. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Dies kaum, weil es an geeigneten Personen gemangelt hätte – Infantino hatte schlicht die Delegierten in seiner Tasche. Denn der Schweizer hat die FIFA in den vergangenen Jahren genügend Geld verdienen lassen, das er nun großzügig wie ein König verteilte und sich damit Gefolgschaft sicherte. Die FIFA regiert, als steckte sie noch im Mittelalter.

Elf Freunde? Das war einmal

Infantinos Kurs zahlt sich aus, und zwar für ihn selbst. Seine enge Anbindung an Autokraten und Diktatoren sorgte für neue Geldflüsse; der Mann aus dem Wallis hat verstanden, dass sich mit diesem Modell einiges scheffeln lässt: Wer in der Politik Dreck am Stecken hat (weil man Kriege führt, Journalisten zerstückelt oder generell auf Menschenrechte pfeift), benutzt gern den Sport, um sich rein zu waschen, um wenigstens bei etwas zu glänzen; und der Fußball bietet die bestmögliche Bühne zum Sportswashing. Auf die hat Infantino eine Lizenz. Er verkauft sie meistbietend.

Mega-WM mit noch mehr Spielen: FIFA auf Expansionskurs

Mit Fußball hat das natürlich nichts zu tun. Die Funktionäre denken nur noch an die eigene Tasche. Deshalb planen sie auch, die nächsten WM-Turniere mit noch mehr Mannschaften auszustatten, denn mehr Spiele bedeuten mehr Geld. Die demokratische Prinzip der FIFA, nach dem jedes Land genau eine Stimme hat, würde funktionieren, würden sich die Gewählten nicht wie Gangster aufführen. So aber kann Infantino die Repräsentanten von Minifußballnationen einsacken und damit Stimmen für sich dauerhaft verbuchen. Ein Ausweg aus diesem System ist nicht in Sicht. Es wäre ja auch nicht geholfen, würden die Europäer den Weltverband kapern; demokratisch wäre dies ebenso wenig.

Solange es aber keine Fehlerkultur, keine Selbstkritik und keine neue Generation an Funktionären gibt, ist der organisierte Weltfußball nur eine Schande. Ein Weg ist, erstmal aus ihm auszutreten.

Nur die Notbremse hilft

Dann muss man sich nicht mehr auf die Zunge beißen, wenn Infantino, wie heute geschehen, in die Menge ruft: „Alle, die mich lieben, alle die mich hassen, ich weiß, es gibt da ein paar - ich liebe euch alle.“ Damit folgt er einem ungewollten Vorbild, nämlich dem Stasi-Chef Erich Mielke, der gegen Ende der DDR rief: „Ich liebe, ich liebe doch alle, alle Menschen…“

Man muss nicht das Herz aus dem Körper reißen wollen, wenn Infantino, wie heute geschehen, die Weltmeisterschaft in Qatar tatsächlich als „beste WM der Geschichte" pries – womöglich für sich selbst, aber für den Rest?

Mit Infantino ist kein Staat zu machen, in diesem Fußball-Königreich. Seine Wiederwahl hat den Weltfußball zu Grabe getragen. Soll er doch unter sich bleiben.