Kommentar: Ist die Tuchel-Magie schon verpufft?

Thomas Tuchel sollte die Bayern zu alter Größe führen. Nach dem peinlichen Pokal-Aus ist das Triple bereits verpasst. Hat der neue Trainer seine Magie bereits verloren?

Ein Kommentar von Moritz Piehler

In Gedanken versunken: Thomas Tuchel steht nach dem Pokal-Aus unter noch größerem Druck. (Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images)
In Gedanken versunken: Thomas Tuchel steht nach dem Pokal-Aus unter noch größerem Druck. (Bild: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Die Gesichter der Bayern-Spieler nach dem Pokal-Viertelfinale gegen den SC Freiburg waren ziemlich lang. Ein frustrierter Joshua Kimmich fasste zusammen: "Man hat bei uns das Gefühl, dass es ein Tick zu wenig ist. Ein Tick zu wenig Leidenschaft, ein bisschen zu wenig Emotionen." Dabei ist es doch genau diese Motivationskunst, für die Tuchel an die Isar geholt wurde. Und während sich vermutlich viele neutrale Fans in Fußballdeutschland klammheimlich über die überraschende Niederlage des Rekordmeisters gefreut haben dürften, stellen sich an der Säbener Straße nun schneller als erhofft bereits ein paar kritische Fragen.

Das Triple ist für Bayern schon verloren

Von außen betrachtet, wirkte es wieder einmal wie Bayern-typischer Größenwahn, den teuren Trainer als Tabellenzweiter mit Chancen in allen Wettbewerben kurzfristig zu feuern und dafür einen Neuen ins kalte Wasser zu schmeißen. Die Vorgabe war klar: Das Triple ist das Saisonziel. Nachdem Thomas Tuchel den ersten Härtetest gegen den ärgsten Konkurrenten aus Dortmund gewonnen hatte, schien man in der Bayern-Führung alles richtig gemacht zu haben. Doch dann kam das DFB-Pokal-Viertelfinale und Christian Streich mit dem SC Freiburg. Und plötzlich sieht die Welt in München schon wieder ganz anders aus.

Druck auf Tuchel wächst

Thomas Tuchel selbst wirkte nach der Niederlage sachlich in der Analyse und versuchte, sich den überbordenden Druck, der mit dem FCB-Job einhergeht, nicht anmerken zu lassen. Doch es ist klar: Von den drei großen Aufgaben seiner ersten Amtswochen schien das Weiterkommen im Pokal noch die leichteste zu sein. Denn in der Champions League warten zwei Duelle mit Pep Guardiola und Manchester City. Sollten die Bayern dort scheitern, wäre nicht nur das Double passé, es würden auch größere Fragezeichen hinter dem Nagelsmann-Tuchel-Tausch auftauchen.

Tuchel und der DFB-Pokal: Der erste von drei Titeln ist bereits verloren. (Bild: Stefan Matzke - sampics/Getty Images)
Tuchel und der DFB-Pokal: Der erste von drei Titeln ist bereits verloren. (Bild: Stefan Matzke - sampics/Getty Images)

Dazu muss man sagen, dass auch der 4:2 Sieg über Dortmund im Spitzenspiel längst nicht so deutlich war, wie er anmutet. Bis zu dem haarsträubenden Torwartpatzer von Kobel zum 0:1 war der BVB auf Augenhöhe, auch dem 0:3 ging ein Kobel-Fehler voraus. Vielleicht wurden durch die Rückeroberung der Tabellenführung einige strukturelle Probleme in der Bayern-Mannschaft übertüncht. Die Quittung dafür gab es nun gegen Freiburg.

Schafft es Tuchel, die Bayern-Stars zu motivieren?

Tuchel ist als überpräparierter Perfektionist bekannt, der gerne die Kontrolle behält. Auch Mannschaften mit sehr kurzem Anlauf zu motivieren, gehört zu seinen großen Stärken, das hat er bei Chelsea bewiesen. Doch der FC Bayern befand sich nicht in einer Krise im eigentlichen Sinne, als Tuchel vor zwei Wochen übernahm. Es ging um kleine Stellschrauben, um ein knirschendes Mannschaftsgefüge und offenbar um Unmut zwischen den Bayern-Chefs und Nagelsmann.

Insofern muss Tuchels Herangehensweise eine andere sein, als gewohnt. Es muss ihm gelingen, die Nagelsmann-Fans unter den Spielern, von denen es durchaus einige gab, von sich zu überzeugen. Er muss es in kürzester Zeit schaffen, aus dem Star-Ensemble wieder ein funktionierendes Kollektiv zu schmieden. Denn sonst bekommen die Bayern selbst gegen Gegner wie Freiburg, die aus einem ebensolchen Kollektiv bestehen, arge Schwierigkeiten. Bis auf Leipzig wartet auf den FCB ein vermeintlich einfaches Restprogramm in der Bundesliga. Doch bei nur zwei Punkten Vorsprung auf den BVB darf man sich eigentlich keinen Patzer mehr erlauben.

Sollte der FC Bayern am Ende mit nur einem oder gar keinem Titel dastehen, hätte das Image des Übertrainers Tuchel argen Schaden genommen. Und das der Bayern-Führung auch.

Im Video: Hat Thomas Tuchel das Triple-Gen für den FC Bayern München?