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Kommentar: Max Kruse ist kein Söldner

Der Fußballer verlässt überraschend Union Berlin. Nun wird er getadelt, als habe er den Sport verraten. Dabei folgt Max Kruse nur offen dem Prinzip, das sowieso herrscht. Kultkitsch hilft da auch nicht weiter.

Da jubelt er noch für Union Berlin: Max Kruse (rechts) Ende Janur beim Spiel gegen Mönchengladbach. Nun wechselt er den Verein (Bild: REUTERS/Thilo Schmuelgen)
Da jubelt er noch für Union Berlin: Max Kruse (rechts) Ende Janur beim Spiel gegen Mönchengladbach. Nun wechselt er den Verein (Bild: REUTERS/Thilo Schmuelgen)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Mancher Verein hätte gern einen Typen wie Max Kruse. Einen, der nicht nur Tore und deren Vorbereitungen liefert, sondern ein ganzes Spiel nach vorn schwappen lässt. Der sieht, was andere nicht blicken.

Nun zieht also dieser Kruse weiter. Nachdem er Union Berlin eineinhalb Jahre lang glücklich machte, folgt er einem finanziell besseren Angebot gen VfL Wolfsburg.

Das kommuniziert Kruse in seiner Art nachvollziehbar transparent – und das stellt ihn an den Pranger. Einen „Söldner“ nennt ihn ausgerechnet die „Bild“-Zeitung. Er lasse Spieler und Fans im Stich. Eine „Leck-mich-am Arsch-Mentalität“ hat das Blatt gewittert und stellt gar die Frage in den Raum, ob so Liebe zum Fußball aussieht.

Ja, genau so sieht sie aus. Wer sie nicht mag, schaut dann in den Amateurligen zu, und das tun übrigens nicht wenige Fans. Die Profifußballwelt regiert das Geld. Das nun Kruse vorzuwerfen, ist hanebüchen. Da haben sie bei „Bild“ das besonders große Fass mit den Krokodilstränen aufgemacht.

Klein gegen groß ist das altneue Normal

Bei Twitter herrschen gerade Wut, Trauer und Ungläubigkeit ob dieses Transfers. Kann ich gut nachvollziehen, als Anhänger von Werder Bremen hab ich das schon mal durch, als Kruse 2019 den Verein verließ; mit drastischen Folgen für die Hanseaten übrigens.

So weit muss es bei Union nicht kommen. Der Klub ist weitaus besser aufgestellt als Werder, mehr in die Tiefe hinein. Aber Union kämpft wie andere um die vorderen Plätze in der Bundesliga mit schmalem Etat. Da schmerzt es, wenn man die Spieler kriegt und sie ziehen lässt, weil sie woanders mehr verdienen. Bei Werder machten sie jahrelang gutes Geld damit, Talente an der Weser zu formen und diese einer Anlage gleich gewinnbringend weiter zu verkaufen. Irgendwann hatten sie mit dieser Strategie kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu, und nun berappeln sie sich in der zweiten Liga.

Bei Union hat man manchmal den Eindruck, dass sie sich für besonders kultig halten. Der Verein ist Kult, ein Magnet für eine ganze Region, herzlich. Aber er ist nicht kultiger als Arminia Bielefeld oder der VfB Stuttgart. Wenn man so tut, als wäre man der FC Bayern unter den Kultigen, ist das ziemlich uncool. Das Schicksal, das Union nun mit Kruses Abgang ereilt, teilt der Verein mit einer Menge anderer Klubs. Daraus nun eine herausragende Egoaktion zu zimmern, bildet schlicht die Realität in der Bundesliga nicht ab.

Reizfiguren haben es nicht leicht

Aber vielleicht kann man es ja mit Kruse machen. Zu wenig demütig, zu viel eigenständig läuft er durch die Vereine seiner Laufbahn – in der Wahrnehmung Mancher. Kruse befeuert die Phantasie, es mit dem Fußball nicht hundertprozentig zu nehmen, dass ihm anderes auch noch wichtig sein könnte: Nachtleben, Pokern, andere Sportarten. Daraus bei ihm einen mangelnden Fokus auf den Ball abzuleiten, ist angesichts seiner Leistungen kaum durchzuhalten. Vielleicht braucht es Reizfiguren wie ihn, um das System offenzulegen. Und in dem kämpfen eine Menge „Kult“-Vereine, was auch immer das sein mag, ums Überleben. Nicht immer sind die größeren Vereine, wie die „Werkselfs“ von Wolfsburg oder Leverkusen, die Redbullschmiede Leipzig oder die hochgetankten Dortmund und Bayern München die Bösewichte in diesem System. Kult können die zuweilen auch. Jedenfalls einem Kruse wegen seines Wechsels kein Herz und Verrat vorzuwerfen – das verrät kein Herz.

VIDEO: VfL Wolfsburg: Max Kruse kommt zurück zu den Wölfen