Kommentar: So massiv schaden wir uns durch Umweltverschmutzung selbst

Ein Park bei Castrop-Rauxel? Könnte sein, ist aber in Srinagar, Kaschmir. Die Welt ist schon schön. (Bild: REUTERS/Danish Ismail)
Ein Park bei Castrop-Rauxel? Könnte sein, ist aber in Srinagar, Kaschmir. Die Welt ist schon schön. (Bild: REUTERS/Danish Ismail)

Umweltverschmutzung trägt zu 13 Prozent aller Todesfälle in Europa bei. Wie wir leben, ist einfach nicht normal. Das sagen jedenfalls unsere Körper. Was können wir tun?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wenn du abends das Gesicht mit Wasser abwäschst und eine Schmiere auf deinen Handflächen fühlst – fragst du dich auch, was das alles wohl ist? Ob das alles nur Schweiß und Staub der Erde ist?

Schmutz ist kompliziert geworden. Da ist eine Menge drin. Und es tötet.

Ich bin kein Fan von Weltuntergängen und notorisch darin, ein Wasserglas nie als halbleer, sondern als halbvoll anzusehen. Doch was die Europäische Umweltagentur nun dokumentiert, verschlägt selbst den Appetit auf ein Glas Wasser.

Niedrige Umweltqualität tut nicht gut. Sie führt mitunter zu Krebserkrankungen, zu Atemproblemen und zu Gefährdungen des Herzkreislaufsystems – alle drei echte Killer für den Homo sapiens im 21. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung. Luftverschmutzung verursacht nach den Zahlen, welche die Agentur am vergangenen Montag veröffentlichte, 400.000 Tote in Europa, und zwar jedes Jahr.

Wie es anders laufen könnte

Lärmbelastung steht mit 12.000 Todesfällen an zweiter Stelle, gefolgt von Klimawandel, insbesondere Hitzewellen. Bei den irrwitzigen Zahlenspielen, die übrigens Coronagefahren-Leugner anbringen, von wegen Grippetote hier und Verkehrstote dort, warte ich noch auf die Statistik, wie viele Tote der Sommer 2020 durch Hitze in Deutschland forderte. Chemikalien sind, wo wir es nicht vermuten. Antibiotika gelangen in Abwasser und andere Körper, es bauen sich Resistenzen auf – und am Ende genesen wir nicht mehr von Krankheiten, die uns vor Jahrzehnten nicht umgehauen hätten.

Gerade habe ich für einen Moment die Augen geschlossen. Still ist es nicht, von wegen. Ich höre Autos, Motorroller, ein einziger Brei. Okay, ich bin gerade in Mailand, aber in deutschen Städten hört es sich nicht anders an. Ich machte die Augen auf und fragte mich, wie es anders laufen könnte.

Lesen Sie auch: Bericht: Luftverschmutzung größte Bedrohung für Gesundheit

Wir haben so viele schöne Häuser gebaut. Die Straßen sind breit. Aber wenn wir auf ihnen laufen wollen, geht das nur, wenn Lichter grün leuchten. In unserer Evolution aber ist angelegt, dass wir laufen und laufen. Der Mensch ist geworden, was er ist, indem er zig Jahrtausende lang jeden Tag gelaufen ist. Damals gab es keine Ampeln. Ich wünsche mir auch nicht die Zeiten zurück, in denen man sich vor Säbelzahntigern auf einen Eukalyptusbaum retten musste. Aber ein kleines bisschen unserer natürlichen Lebensqualität könnten wir uns zurückholen.

Es wäre schon sehr viel getan, wenn wir schnell unseren städtischen Lebensraum vergrößern. Dazu gehören die Straßen. Es ist Irrsinn und vernünftig nicht erklärbar, warum wir so viele Autos gebrauchen. Sie sind laut und verpesten die Luft, sie beanspruchen unseren Lebensraum; als wäre das Auto ein rivalisierendes Lebewesen, der Säbelzahntiger unserer Zeit.

Lösungen gibt es

Daher müssen die Innenstädte von Autos befreit werden. Sie müssen. Für den Transport von Gütern wird es immer eine Lösung geben. Aber wir selbst und unsere privaten Konsumgüter müssen intelligenter bewegt werden – durch den Ausbau eines Öffentlichen Nahverkehrs, durch Lastentaxis aller Art, sei es Fahrrad, Rikscha, Elektro – zum Glück ist der Mensch ein Ingenieur. Wir haben ja Lösungen. Wir müssen sie nur umsetzen. Es ist keine Option, wieder auf die Bäume zu steigen, besser nutzen wir unsere Intelligenz. Aber mehr Bäume brauchen wir schon, wir müssen unsere Städte begrünen und die Landwirtschaft abwechslungsreicher gestalten, mit diesen Monokulturen brechen. Schon mal allein in einem Maisfeld gestanden? Kein gutes Gefühl.

Lesen Sie auch: Kampf gegen Brände in Kalifornien

All dies ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. Denn die ärmeren Menschen in unseren Gesellschaften sind am meisten dem Lärm und dem Dreck ausgesetzt. Während, um mal ein wenig Sozialneid zu schüren, im Zehlendorfer Vorgarten die hausgemachte Bio-Limo geschlürft wird, steht ein Straßenarbeiter nur wenige Kilometer östlich am Rand und atmet heiße Asphaltdämpfe ein.

Wir sind auch auf einem guten Weg, es ist nicht alles schwarz. 1990 lag die Zahl der durch Umweltverschmutzung mit verursachten Toten bei einer Million. Wir lernen. Aber wir könnten noch viel mehr.

Im Video: Autos in Deutschland: Darum werden es immer mehr