Kommentar: Warum die AfD im Bundestag keine Masken tragen will

Um das Tragen von Masken im Bundestag wird gestritten - bei der AfD (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Um das Tragen von Masken im Bundestag wird gestritten - bei der AfD (Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke)

Die Rechtspopulisten widersetzen sich im Reichstag einer neuen Anordnung. Damit offenbart die AfD ein seltsames Verständnis von Freiheit.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Bundestagsabgeordnete drehen an vielen Stellschrauben unseres Landes. Die einen sorgen sich um die Rettung von Arbeitsplätzen, die anderen um die des Klimas – und die AfD sorgt sich um ihre persönliche Freiheit. Jeder setzt halt seine eigenen Prioritäten.

“Die AfD-Bundestagsfraktion hat den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Herrn Dr. Schäuble, abgemahnt, die angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Masken) in den Gebäuden des Deutschen Bundestages aufzuheben”, schreibt die Partei bei Facebook. Das klingt kräftig: “abgemahnt”. “Zusätzlich fordert die AfD-Bundestagsfraktion eine unterzeichnete strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung von Herrn Dr. Schäuble, nach der die im Intranet des Bundestages und im Internet bekannt gemachte Allgemeinverfügung zu löschen und nicht wieder zu veröffentlichen ist”, heißt es weiter. Das klingt imposant.

Nur juckt es den Herrn Dr. Schäuble wenig. Er will, dass die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter in den Fluren des Reichstages einen Atemschutz tragen. Auf die “Abmahnung” oder irgendeine “Erklärung” wird er pfeifen. Und dies aus gutem Grunde.

Es ist ganz einfach. Coronaviren schwirren gerade durch deutsche Lande, und besser wäre es, wenn man sie sich nicht einfängt und weitergibt; denn für manche Bürger sind deren Folgen schlimm. Gerade in Räumlichkeiten ist das Ansteckungsrisiko größer.

Marsstation Bundestag

Ich hatte mich schon das ganze Frühjahr über gewundert, warum im Reichstag viele ohne Masken herumliefen: Draußen, in den Geschäften, ging es nicht ohne, aber das Politikgeschäft drinnen verlief, als wäre nichts geschehen; nur die Bundestagsangestellten an den Ein- und Ausgängen trugen Atemschutz. Das fand ich unpassend. Als besonders renitent erwiesen sich Leute von der AfD-Fraktion: Die wollten, so kam es mir vor, seit März noch viel mehr Händeschütteln. Es hatte etwas Demonstratives. Und ihr Erstaunen, dass man ihnen dann den durchaus freundlichen Ellbogen-Check anbot, etwas Gespieltes.

Zwar sind die Decken im Reichstag hoch und sicherlich weniger risikobehaftet als eine Massenparty im Plattenbau, aber dennoch: Es geht nicht nur darum, mit gutem Beispiel voranzugehen, sondern auch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherzustellen.

Doch all dies interessiert die AfD nicht, denn nach ihren Worten auf Facebook befinden wir uns ja in einer “Corona-Hysterie”. Ihr rechtspolitischer Sprecher Stephan “Streuselschnecke” Brandner (er verzehrte mal eine in der Bahn und leistete sich einen Disput dem Schaffner) führt weiter aus: “Wenn gesunde Personen Masken tragen, schützt dies nicht vor respiratorischen Virusinfektionen” – ach nee, und Herr Brandner weiß stets, wann man den Virus in sich hat oder nicht?

Es geht doch gerade darum, Mitmenschen nicht anzustecken, wenn man noch gar nicht weiß, dass man bereits infiziert ist. Doch dieser Gedanke an den Nächsten scheint ihm fremd zu sein. Klassischer Fall von zu viel Selbstbeschäftigung, um es höflich auszudrücken.

Die AfD macht auf Donald Trump. Sie redet die Gefahren klein und weigert sich ein wenig Disziplin einzuhalten. Sie sieht in diesem Stück Stoff eine Art Freiheitsentzug. Ernsthaft? Wiegt das Textil so viel und hat ein Abgeordneter so wenig Muskelkraft?

Der AfD fiel bei Corona bisher nur die Forderung nach Grenzschließungen ein. Dabei ist längst klar, dass das Virus vor Schlagbäumen nicht haltmacht. Verlangt ist verantwortungsvolles Verhalten gegenüber sich selbst und vor allem den anderen. Das hilft. Grenzschließungen wird der AfD auch einfallen, wenn es um die Lösung der Frage von Hustenbonbonproduktionsstandards und Vorschriften der bäuerlichen Stallhaltung geht. Zielführend ist das in der Sache nicht.

Frischluft fürs Hirn

Als wahre Mimosen erweisen sich die AfD-Abgeordneten, wenn es um die angeblich negativen Begleitumstände beim Maskentragen geht. “Nachteile beim Tragen einer Maske, wie ein erhöhtes Risiko der Selbstkontamination, mangelnde Sauerstoffsättigung etc.”, seien “nicht angemessen berücksichtigt”.

Ich habe, wie wir alle, seit März ziemlich oft und teilweise ziemlich lange eine Maske getragen. Eine Selbstkontamination habe ich bisher nur erfahren, wenn ich vorher ein Fischbrötchen mit Zwiebeln gegessen habe. Und einer mangelnden Sauerstoffsättigung habe ich vorgebeugt, in dem ich ein- und ausatmete. Das funktioniert schließlich auch mit Maske gut. Oder plant die AfD-Fraktion in den Fluren des Reichstags ein Rugby-Turnier auszurichten?

Fragen über Fragen. Die der AfD jedenfalls offenbaren, dass sie mal wieder an den wahren Problemen Deutschlands zielsicher vorbeiirrt.

Video: Masken im Restaurant - Tipps und häufige Fehler