Kommentar: Warum LeBron James einzigartig ist

Wann hört die unsinnige "GOAT"-Diskussion endlich auf? Zeit, den Basketballer LeBron James so zu würdigen, wie er es verdient hat.

Nach seinem Rekordtreffer wirkte LeBron James fast ein wenig erleichtert, dass der ganze Hype nun beendet ist. (Bild: Gary A. Vasquez-USA TODAY Sports)
Nach seinem Rekordtreffer wirkte LeBron James fast ein wenig erleichtert, dass der ganze Hype nun beendet ist. (Bild: Gary A. Vasquez-USA TODAY Sports)

Es war nur eine Frage der Zeit. Seit Wochen fieberte die ganze Basketballwelt darauf hin: Wann würde LeBron James den Punkte-Rekord der NBA brechen? Gegen die Oklahoma Thunder waren dann am 7. Februar fast drei Viertel gespielt, als der 38-Jährige den Ball bekam. Die gesamte Crypto.com Arena wusste, was nun folgen würde. Der "King" legte sich seinen Verteidiger zurecht, setzte dann zu einem Jumpshot an und versenkte den Ball. Es waren seine Punkte 35 und 36 in diesem Spiel und die beiden Punkte, die ihm noch fehlten um den Rekord von 38.387 zu brechen, den viele für ewig unerreichbar blieben. Das Spiel wurde unterbrochen, Highlights wurden eingespielt, sogar Kareem Abdul-Jabbar, der den vorigen Rekord seit 1984 gehalten hatte, erhob sich vom Spielfeldrand, um seinem Nachfolger den Spielball zu überreichen und ihm zu gratulieren.

Auf den Rekord folgt die Kritik

Man könnte meinen, damit seien die ewigen Diskussionen um den Titel des "GOATS", des Größten aller Zeiten, endlich verstummt. Doch neben vielen Gratulanten kamen sofort nach dem Rekord auch die zahlreichen James-Kritiker aus ihren Löchern. Er sei weich, viel egozentrischer, als gemeinhin behauptet. Zudem sei er immer dem Erfolg hinterher gewechselt und dabei auch noch mit zahlreichen Co-Stars ausgestattet worden. Und dafür seien seine Erfolge dann doch eher schmal. Nur vier NBA-Titel, dazu zahlreiche Finals-Niederlagen werden im ewigen Argument gegenüber Michael Jordan immer wieder angeführt.

Dabei ist die Frage doch ohnehin, wie man Spieler aus verschiedenen Zeitaltern des Sports miteinander vergleichen kann. Was hat der moderne Basketball denn noch mit dem Sport aus den zugigen Sporthallen der Sechziger zu tun, in denen Wilt Chamberlain oder Bill Russell dominierten, wie niemand sonst? Was die durchprofessionalisierten Show-Auftritte der heutigen Liga mit den an Faustkämpfe erinnernden Playoff-Schlachten der Achtziger und Neunziger, die ein Michael Jordan schlagen musste?

Der Impact eines "GOATS" zählt wohl mindestens so viel, wie seine sportlichen Erfolge. Während Russell und Chamberlain nicht nur durch ihre Rivalität für die erste große Ära des Sports sorgten, rettete die Konkurrenz zwischen Magic Johnson und Larry Bird eine stark angeschlagene Liga in den Achtzigern. Das Jahrzehnt danach gehörte ohne Frage "Air Jordan" und seinen Bulls. Gemeinsam mit dem Auftritt des Dream Teams in Barcelona und dem Aufstieg einer gewissen Schuhmarke namens Nike wurde die NBA eine weltweite Marketingmaschine. Das ist sie bis heute. Die Art des Sports, in dem selbst die Regeln immer wieder angepasst werden, um den Superstars möglichst viele Freiheiten und Sichtbarkeit zu verschaffen, ist da logische Konsequenz. Und James das Gesicht dieser Ära.

Staffelübergabe zwischen zwei Legenden: Kareem Abdul-Jabbar übergibt LeBron James den Spielball, nachdem er seinen Rekord gebrochen hat. (Bild: Gary A. Vasquez-USA TODAY Sports)
Staffelübergabe zwischen zwei Legenden: Kareem Abdul-Jabbar übergibt LeBron James den Spielball, nachdem er seinen Rekord gebrochen hat. (Bild: Gary A. Vasquez-USA TODAY Sports)

Denn in eben dieser modernen Liga behauptet sich LeBron James trotz schnell wechselnder Heldengeschichten seit nunmehr 20 Jahren. Als ehemals übermäßig talentierter 18-Jähriger, der sich schon als Teenager der geballten Aufmerksamkeit und Erwartung der ganzen Welt gegenüber sah, ist es ihm gelungen, sein Niveau über einen im Profisport erstaunlich langen Zeitraum aufrecht zu erhalten. Selbst Kobe Bryant, der in der "GOAT"-Diskussion ebenso oft genannt wird und für seinen Trainingsfleiß und seine Härte gegen sich selbst geradezu berühmt war, erreichte nicht mehr die gleiche Konstanz gegen Ende seiner Karriere, als ihn Verletzungen plagten.

Was macht einen großen Sportler aus?

Sowohl Jordan als auch Bryant waren zudem nicht gerade als sympathische Mannschaftskollegen bekannt. Vom Ehrgeiz angetrieben, trieben sie so manchen Trainer und Mitspieler in den Wahnsinn. Ähnliches hört man von James nicht. Skandale sind bislang ebenso wenig bekannt, er ist mit seiner Highschool-Liebe Savannah Brinson verheiratet. Im Gegensatz zu den beiden anderen ist James mittlerweile auch ein Advokat für politische und gesellschaftliche Themen geworden, das hatten andere Superstars lange aus Furcht um die eigene Vermarktbarkeit vermieden. Das teilt er übrigens mit Abdul-Jabbar, der stets als ausgesprochen politischer Sportler auffiel.

Sind nicht auch diese Qualitäten Anzeichen einer wahren Sportgröße? Vielleicht spricht der Neid aus vielen James-Kritikern, vielleicht kann er einfach auf und neben dem Spielfeld zu viele Dinge? Alleine körperlich wirkt der 2,06 m-Athlet ja fast übermenschlich. Neben seinem Scoring-Rekord hat James übrigens vor ein paar Tagen auch noch den vierten Platz auf der Liste der besten Vorlagengeber erreicht. Dabei ließ er legendäre Pointguards wie Magic Johnson hinter sich. Mehr als 10.500 Rebounds hat er auch schon gesammelt. Und jüngst sagte er in einem Interview, für ein paar Jahre NBA-Basketball fühle er sich noch bereit. Vielleicht muss der "King" erst seine Karriere beenden, damit auch die letzten Kritiker verstummen. Denn eins muss allen doch auch ohne die unsinnigen Vergleiche klar sein: Einen wie LeBron James hat es in der Geschichte des Basketballs zuvor noch nie gegeben.