Kommentar: Wie die AfD ihre Angst besiegen will

Teilnehmer der Berliner Demo "Das Ende der Pandemie" Anfang August (Bild: AP)
Teilnehmer der Berliner Demo "Das Ende der Pandemie" Anfang August (Bild: AP)

Am Samstag ist wieder Demo in Berlin gegen die Corona-Bestimmungen. Mit dabei sind die Rechtspopulisten – ein echter Beitrag zur Traumatherapie oder pure Verzweiflung?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ganz neue Töne gibt es bei der AfD. Bisher heißt das Erfolgsrezept der Partei, auf möglichst viel Angst hinzuweisen. Diffuse Gefühle waren seit 2013 ihr Schmierstoff: Angst vor „Fremden“, vor der Globalisierung, vor Veränderung.

Doch nun versuchen die Spitzenfunktionäre der Partei sich freizuschwimmen, sie stellen sich gegen die Angst! Und sie rufen zu einer Demo auf.

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Leider bleibt die AfD die AfD, und mit der Realität hat sie es nicht so. Während sie an den einen Ängsten festhält (Erschütterung der Macht), erteilt sie anderen Ängsten eine Absage. Es geht um die Frage, wie mit Corona und den Schutzbestimmungen umgegangen werden soll. Am Samstag rufen die Kritiker von Masken und Social Distancing wieder zur Demonstration auf, was ihr gutes Recht ist. Steht halt im Grundgesetz. Dass es dann komisch wirkt, wenn sie elementare Grundrechte derzeit außer Kraft gesetzt sehen, ist eine andere Geschichte. Aber in Sachen Realitätsverweigerung treffen sich die schwäbischen „Querdenker“ auf halbem Wege mit der AfD.

Angst mal anders

Hobbyführer Björn Höcke verkündet jedenfalls eine frohe Botschaft: „Corona ist vorbei“, spricht er zuversichtlich in einem Interview. „Dieses Klima der Angst und der Verunsicherung hat die Regierung erst geschaffen“, schreibt er auf Facebook. Und in einem Videoaufruf: „Die etablierten Medien haben eine Herrschaft der Angst errichtet.“

Angst – das neue Megathema der AfD, nur aus verkehrter Perspektive.

Okay, der AfD geht es gerade nicht gut. Der Drang zur Selbstzerfleischung nimmt zu, die Streitereien über Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft wichtiger Funktionäre verdrängt die Sachthemen. Da kommt einem eine Portion Frohsinn gerade recht. Daher das neue Evangelium nach Björn.

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Leider liegt er daneben. Die Angst vor Corona wurde nicht fabriziert, sondern sie fußt auf jahrtausendealten Erfahrungen der Menschheit mit Viren. Die Einschränkungen durch die Bundesländer waren zuerst stark, doch nun greift eine Lockerheit um sich, die nicht unbedingt vernunftgeleitet ist. Eigentlich ist die Lektüre der Zahlen bei den Neuinfektionen keine geeignete Gutenachtlektüre. Und dennoch wird gefeiert und zusammengekommen, die Maske in die Ecke geworfen.

Ja, noch immer leiden viele Freiberufler unter den Beschränkungen, können ihrer Arbeit nicht nachgehen und krachen in die Armut. Aber sind sie es, die am Samstag demonstrieren?

Was es nicht alles gibt

Nein, am Samstag laufen die Meister der Halluzination auf. Die „Impf-Skeptiker“ und „Gates-Kritiker“, die angeblich Wachen und Leugner der realen Gefahr durch Covid-19. Sie sind derart wach, dass sie nach der letzten Demo in Berlin herumspannen, sie wären eine Million gewesen. Krasse Lügen waren das, zigfach durch Videobeweise widerlegt. Und auch Oberverschwörungsmufti Xavier Naidoo hilft da nicht mit seiner neuesten Idee, dass die Autobahn nach Berlin extra dicht gemacht worden sei, nach einer Handyortung durch die Obrigkeit. Ist natürlich alles Quatsch, die Autobahn war damals frei wie ein Vogel – aber irgendein Märchen muss man sich ja ausdenken, um sich aufzupumpen.

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Sollen die Demonstranten also nach Berlin kommen. Sollen sie bloß nicht denken, man kaufe ihnen ihr Gerede von fehlender Freiheit ab. Und sollen die „Querdenker“ meinetwegen mit AfD-Wählern laufen, ist alles verfassungsrechtlich astrein. Nur bitte die Abstände einhalten – dann sieht die Menge auch größer aus als sie ist, wäre doch im Interesse der „Aufgeweckten“. Die Demo ist ein Wohlstandsschaden. Eine lästige Begleiterscheinung im Umgang mit einem nicht normalen Phänomen wie einer Pandemie. Verirrte gibt es eben immer. Angst machen sie nicht. Hauptsache, sie setzen ihre Masken auf und verhalten sich damit ein bisschen sozial.

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