Kuntz-Ansage an den FCK

Das Warten hat ein Ende: Nach vier langen Jahren in der 3. Liga startet Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern am Freitagabend im Fritz-Walter-Stadion in die neue Zweitliga-Saison.

Der Gegner im Eröffnungsspiel heißt Hannover 96 (2. Bundesliga: 1. FC Kaiserslautern - Hannover 96, 20.30 Uhr im LIVETICKER). Klar, die Euphorie bei den Roten Teufeln ist grenzenlos.

Einer, der die Stimmung am Betzenberg bestens kennt, ist 1996er-Europameister Stefan Kuntz, aktuell türkischer Nationaltrainer. Der 59-Jährige, der von 1989 bis 1995 für den pfälzischen Traditionsverein spielte und mit dem FCK 1990 DFB-Pokalsieger und 1991 Deutscher Meister wurde, spricht vor dem Zweitligastart im SPORT1-Interview über seinen Herzensverein. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur 2. Bundesliga)

SPORT1: Herr Kuntz, wer Sie als Experte bei der Relegation gesehen hat, der hat gespürt wie sehr Ihr Herz für den FCK schlägt. wie sehr kribbelt es bei Ihnen?

Stefan Kuntz: Das Kribbeln war in der Relegation größer. Da ging es ja um die einschneidende Entscheidung, die da hieß Aufstieg. Jetzt am Freitag ist es die pure Vorfreude. Ich weiß noch, wie es 2008 war, als ich noch beim FCK Vorstandsvorsitzender war und wir am letzten Spieltag den Abstieg in die 3. Liga verhindern konnten. Damals konnten wir das nächste Spiel in der 2. Liga irgendwie intensiver genießen. Wir haben das dann ganz anders wertgeschätzt. Jetzt ist es ein Gefühl von „Wir gehören wieder dazu“. Es ist auch schön für die Fans, dass ihr FCK jetzt wieder langsam da ist, wo sie ihn sehen möchten.

SPORT1: Aber irgendwie scheint es noch etwas surreal, dass der FCK wieder zurück in der 2. Liga ist ...

Kuntz: Finde ich nicht. Der Verein hat einfach versucht, aus den vielen Fehlern der vergangenen Jahre zu lernen, hat sich saniert und auf solider finanzieller Basis sportlich gute Entscheidungen getroffen. Wenn man die letzten drei Spiele inklusive der Relegation jeweils 50.000 Zuschauer hat, dann kann man das enorme Potenzial des FCK erkennen.

Kuntz: „... dann ist es auf Dauer für den Klub meistens schlecht“

SPORT1: Wie sehen Sie die Entwicklung am Betzenberg?

Kuntz: Die Entwicklung ist sportlich und finanziell definitiv in die richtige Richtung. Der Fußball generell bietet eine Bühne, wo du in kurzer Zeit sehr viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bekommst. Auch sehr erfolgreiche Leute, die im normalen Berufsleben nicht so präsent sind, haben die Möglichkeit über den Verein öffentlich zu werden. Wenn das dann gepaart ist mit Qualität, dann ist dagegen nichts zu sagen, wenn aber nur das Bestreben nach der Öffentlichkeit der Hauptgrund ist, dann ist es auf Dauer für den Klub meistens schlecht.

SPORT1: War das in der Vergangenheit ein Grundübel beim FCK?

Kuntz: Das will ich gar nicht so sagen. Es wurden generell sehr viele falsche Entscheidungen getroffen, die dann dazu geführt haben, dass man sich über ein Insolvenzverfahren wirtschaftlich wieder auf die Beine stellen musste und sich sportlich in der 3. Liga wiederfand. Bis so eine hohe Schulden-Summe anfällt, muss schon viel falsch gemacht worden sein, und die ständigen, oft hausgemachten Unruhen und Reibereien um den FCK tun dann ihr übriges. Generell ist es schlecht, wenn du als Verein Investoren brauchst, um zu überleben. Gut ist dann wiederum die Lösung mit regionalen Investoren, weil diese Leute den Verein nicht als Spekulationsobjekt sehen, sondern da auch noch Herzblut mitschwingt. Jetzt ist es für den FCK wichtig einen konkurrenzfähigen Etat und eine konkurrenzfähige Mannschaft zu haben.

Kuntz kontert Dynamo-Boss Becker

SPORT1: Ralf Becker, der Geschäftsführer von Dynamo Dresden, hat zuletzt Kritik geübt und sich gewundert, dass sich der FCK solch einen Kader leisten kann. Können Sie ihn verstehen? (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der 2. Bundesliga)

Kuntz: Warum wundert er sich da? Der FCK macht mit den wenigen Mitarbeitern einen überragenden Job in vielen Bereichen, sei es Marketing, Merchandising, Ticketing, Mitgliederverwaltung und so weiter, hat gerade sehr aktive Investoren im Rücken, die alles dafür tun wollen, dass dieser Traditionsverein nicht zur Fahrstuhlmannschaft wird, sondern sich dauerhaft in der 2. Liga etabliert. Da muss man dem FCK eigentlich gratulieren.

SPORT1: Vor der Relegation gab es den überraschenden Trainerwechsel, der ein großes Thema war. Marco Antwerpen und sein Co-Trainer Frank Döpper wurde der Aufstieg quasi aus den Händen gerissen, oder? Haben Sie Mitleid mit den beiden?

Kuntz: Mitleid wäre falsch. Wir wissen, in welchem Business wir sind. Jeder, der mit dem FCK zu tun hat und das Ganze richtig beurteilen kann, weiß, dass Marco und sein Assistent einen großen Anteil am Aufstieg haben. Einen sehr großen sogar. Ich denke nicht, dass irgendjemand ihm diesen Erfolg streitig macht. Dass er am Ende nicht mehr dabei war und sich nicht auf den Schultern der Fans feiern lassen konnte, ist emotional natürlich schlecht. Aber der, der am nächsten dran ist und diese Entscheidung getroffen hat, ist Thomas Hengen. Und er hatte die Überzeugung, dass es auf einem anderen Weg wahrscheinlicher ist aufzusteigen. Es war eine mutige Entscheidung und er hat recht behalten.

Dafür hat Kuntz ein Faible

SPORT1: Wie stark schätzen Sie den Kader ein? Gerade Namen wie Erik Durm und Andreas Luthe stehen für höheres Niveau. (DATEN: Die Tabelle der 2. Bundesliga)

Kuntz: Ich habe immer ein kleines Faible dafür, wenn eine Aufstiegsmannschaft zusammenbleibt. Mit Erfolgen wächst ein Team-Spirit, der natürlich auch mal belastbar ist. Das ist jetzt beim FCK der Fall. Andreas kenne ich noch aus der Bochumer Zeit. Da hat man menschlich einen tollen Typen dazu bekommen, eine echte Führungsfigur. Er wird den Anforderungen charakterlich absolut gerecht. Und bei Erik müssen wir über das Talent und das Potenzial nicht reden. Er kommt gebürtig aus Pirmasens und das hat schon Charme. Bei ihm ist es eine gefühlte Heimkehr, obwohl er ja nie für den FCK gespielt hat. Das hat damals auch bei mir einen Wahnsinns-Schub gegeben, weil ein gewisses Wohlfühl-Gen aktiviert wird, das einem hilft. Wenn Erik 30 Spiele macht, ist er eine wahnsinnige Bereicherung für den FCK.

SPORT1: Was halten Sie von Dirk Schuster?

Kuntz: Wir haben noch gegeneinander gespielt und das waren nicht immer schmerzfreie Duelle. (lacht) Seine Verpflichtung war eine Win-Win-Situation. Der FCK hat einen Trainer gebraucht, der schnell hilft und auch eine gewisse Erfahrung hat. Dirk war ohne Job, das heißt diese Situation haben beide Seiten für sich genutzt. Wenn man jetzt die Historie von ihm anschaut, dann hat er Mannschaften gut geführt und auch einige Aufstiege geschafft. Ich halte Schuster für eine top Lösung.

Unpopuläre Entscheidung von Hengen

SPORT1: Und wie beurteilen Sie Thomas Hengen?

Kuntz: Wir müssen Hengen an der Kaderplanung bewerten. Er hat eine aufstiegsfähige Mannschaft zusammengestellt und hat mit dem Trainerwechsel eine unpopuläre Entscheidung treffen müssen. Diese hat er aber aus innerer Überzeugung getroffen. Das zeigt auch Stärke und so ist es oft im Fußball. Wenn am Ende alles aufgeht, ist es wunderbar. Aber die Art und Weise, wie er seinen Job macht, mit welcher Ruhe er den Kader zusammenstellt und welche Arbeitseinstellung er hat, gefallen mir.

SPORT1: Hengen war Profi beim FCK. Das wird oft als Grund angeführt, warum jemand bei einem Klub funktioniert. Ist Stallgeruch wirklich ein Erfolgsgarant?

Kuntz: Ich finde es erstmal wichtig, dass man weggeht von seinem Heimatverein. Thomas hat viele Jahre woanders gespielt und dann auch bei Alemannia Aachen in einer anderen Funktion gearbeitet. Dann nochmal so zurückkommen hat natürlich einen gewissen Charme. Aber mir wird das manchmal zu übertrieben. Nur, weil du mal in Kaiserslautern gespielt hast, heißt es nicht, dass bei einer Rückkehr in anderer Funktion sofort alles gelingt. Am Ende des Tages ist es eine Frage der Qualität. Für mich hat Thomas jetzt bewiesen, dass er den Job kann. Dass er dazu noch ein FCK-Herz hat, macht das Ganze eine Spur romantischer.

Kuntz: „Ich befürchte, dass ...“

SPORT1: Welche Fehler darf man beim FCK nicht mehr machen?

Kuntz: Nicht mehr ist schwierig. Neue Situationen stellen neue Herausforderungen dar. Ich weiß nicht, ob das bei einem Traditionsverein zu verhindern ist. Wichtig wird sein, dass man Ruhe und einen gewissen Schuss Demut behält. Man darf beim FCK jetzt bitte nicht sofort von der Bundesliga träumen. Ich befürchte, dass gewisse Eitelkeiten auch zwischen den Gremien wieder eine Rolle spielen könnten, vor allem, wenn es um Mitsprache geht. Da sehe ich beim FCK Konfliktpotenzial.

SPORT1: Ist das Gerede von der Tradition nicht auch ein Klotz am Bein?

Kuntz: Die Schwierigkeit besteht im Jonglieren zwischen Positivem wie der Euphorie, die auch tragen kann, und, wenn es nicht läuft, der Unruhe, die oft von außen an den Verein angetragen wird. Einen Traditionsverein kriegst du nicht perfekt serviert, sondern nur mit allen Vor- und Nachteilen.

SPORT1: Friedhelm Funkel glaubt, dass der FCK vom Kader her auf einem einstelligen Tabellenplatz landen wird. Gehen Sie da mit?

Kuntz: Ich würde ein erstes Fazit eigentlich erst nach zehn Spielen ziehen, um dann auch etwas konkreter werden zu können. Ich glaube aber eins: Der FCK wird nicht absteigen.

SPORT1: Können Sie sich eine Rückkehr an den Betzenberg als Trainer vorstellen?

Kuntz: Ich bin total happy mit dem Job, den ich in der Türkei habe. Der FCK bleibt aber so oder so immer in meinem Herzen.

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