Löhne und Gehälter in Deutschland steigen im Rekordtempo – doch im Teufelskreis der Inflation nimmt ihre Kaufkraft weiter ab

In vielen Branchen wurden die Löhne und Gehälter stark erhöht. Doch die Inflation lässt die Kaufkraft weiter sinken.  - Copyright: Picture Alliance
In vielen Branchen wurden die Löhne und Gehälter stark erhöht. Doch die Inflation lässt die Kaufkraft weiter sinken. - Copyright: Picture Alliance

Die Löhne und Gehälter in Deutschland sind zum Jahresbeginn im Rekordtempo gestiegen. Durch die noch höhere Inflation hat ihre Kaufkraft aber dennoch weiter abgenommen. Im ersten Quartal 2023 lagen die Arbeitseinkommen nominal um 5,6 Prozent höher als vor einem Jahr. „Es handelt sich um den höchsten gemessenen Nominallohnanstieg für ein Berichtsquartal seit Beginn der Zeitreihe 2008“, teilte das Statistische Bundesamt mit. Im Strudel der Inflation gingen diese Erhöhungen aber unter. Denn die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum noch schneller um 8,3 Prozent. Die Reallöhne waren noch einmal um 2,3 Prozent niedriger als vor einem Jahr.

„Ein Trend setzt sich somit fort: Die hohe Inflation zehrt das Lohnwachstum für die Beschäftigten auch zum Jahresbeginn 2023 mehr als auf“, schreiben die Statistiker. Im vergangenen Jahr 2022 waren die Reallöhne in Deutschland um 4,0 Prozent. Dies war der dritte Rückgang in Folge und der stärkste Rückgang bisher. Wie stark die Inflation die Realeinkommen ins Minus drückt, zeigt diese Grafik. Sie zeigt auch, dass die Kurven sich derzeit wieder etwas annähern.

Definition Reallöhne: Was ist das genau?

Der Reallohn ist die Kenngröße für die Kaufkraft der Löhne und Gehälter. Der Reallohn berücksichtigt nicht nur die absolute Höhe der Einkommen (nominal), sondern setzt sie in Beziehung zum Preisniveau (real). In die Veränderung der Reallöhne gehen also sowohl die Lohn- und Gehaltserhöhungen als auch die Preissteigerungen ein. Liegen die Lohn- und Gehaltserhöhungen über der Inflationsrate, steigt der Reallohn. Ist die Inflationsrate höher, sinken die Reallöhne. Berücksichtigt wird zudem Einflüsse wie die Arbeitszeit. So verringert zum Beispiel Kurzarbeit die Einkommen und damit auch die Realeinkommen.

Bereits in der Corona-Krise waren die Reallöhne und -gehälter zwei Jahre in Folge zurückgegangen. 2020 hatte die verbreitete Kurzarbeit zu einer negativen Lohnentwicklung geführt. 2021 und 2022 war dann der schnelle Anstieg der Verbraucherpreise der wichtigste Grund für den Schwund der realen Einkommen.

Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum in Deutschland haben sich in den jüngsten Wochen wieder deutlich verschlechtert.
Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum in Deutschland haben sich in den jüngsten Wochen wieder deutlich verschlechtert.

Als Reaktion auf die sinkenden Reallöhne haben Gewerkschaften in diesem Jahr hohe Lohn- und Gehaltserhöhungen gefordert und zu großen Teilen durchgesetzt.

Ökonomen erwarten daher eine Trendwende bei den Reallöhnen im Laufe des Jahres. Die Einkommen steigen durch die Tarifabschlüsse deutlich. Die Inflation dürfte langsam nachlassen. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet das Ifo-Institut zwar immer noch mit einem Rückgang der Reallöhne – dann im vierten Jahr in Folge. Ab Jahresmitte werden aber wieder steigende Reallöhne die Konjunktur stützen, erwartet Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Hohe Lohn- und Gehaltserhöhungen bergen allerdings die Gefahr, dass sie zu neuen Preissteigerungen führen und damit den Rückgang der Inflation bremsen oder begrenzen. Ökonomen sprechen dann von Zweitrundeneffekten. Davor warnt zum Beispiel die Bundesbank.

Die aktuelle Phase der Reallohnverluste ist die bisher längste in Deutschland. Das Tempo der Verluste nahm 2022 deutlich zu, schwächte sich erst zuletzt wieder leicht ab. Im ersten Quartal 2022 lagen die Reallöhne um 0,7 Prozent unter dem Vorjahr und im dritten Quartal bereits um 4,6 Prozent und im vierten Quartal 2022 schließlich noch um 3,7 Prozent. Nun sind es „nur noch“ 2,3 Prozent.

Betrachtet man die Beschäftigungsart, weisen geringfügig Beschäftigte mit 8,9 Prozent den stärksten Nominallohnanstieg auf. Dies ist vor allem auf die Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenze von 450 Euro auf 520 Euro zurückzuführen. Die Nominallöhne von Beschäftigten in Vollzeit stiegen um 5,9 Prozent. Für Teilzeitkräfte und Auszubildende betrug ein Lohnanstieg im ersten Quartal im Jahresvergleich 4,7 Prozent.