Legendärer Eklat: Schräge Vorwürfe gegen Beckenbauer

"Er sagte mir, dass Beckenbauer etwas Fieses plante": Ein Ex-Funktionär des AC Mailand erzählt seine Version eines legendären Skandals. Sie hat Logiklücken.

Legendärer Eklat: Schräge Vorwürfe gegen Beckenbauer
Legendärer Eklat: Schräge Vorwürfe gegen Beckenbauer

Im Jahr 1991 verpasste Franz Beckenbauer es knapp, sein Vermächtnis als Fußball-Legende um einen weiteren großen Titel zu erweitern.

Olympique Marseille, der Klub, bei dem der "Kaiser" damals Technischer Direktor war, stand in dieser Saison im Finale des Europapokals der Landesmeister, des Vorgänger-Wettbewerbs der Champions League - verlor es allerdings mit 3:5 im Elfmeterschießen gegen Roter Stern Belgrad, den Klub, der zuvor im Halbfinale den FC Bayern München ausgeschaltet hatte.

Vom Weg ins Endspiel blieben auch die unglaublichen Geschehnisse im Viertelfinal-Rückspiel Marseilles gegen Titelverteidiger AC Mailand in Erinnerung, das im Chaos und mit einem Spielabbruch endete.

In diesem Zusammenhang erhebt ein Ex-Funktionär von Milan nun kuriose Vorwürfe gegen Beckenbauer. In der Erzählung spielt dabei auch Uli Hoeneß eine Hauptrolle.

Skandal zwischen Olympique Marseille und AC Mailand

Paolo Taveggia, von 1986 bis 1993 Generaldirektor der Rossoneri unter dem langjährigen Klubpatron Silvio Berlusconi, hat sich in einem Interview mit dem um seinen Ex-Klub kreisenden Portal MilanNews.it ausführlich an das Skandalspiel erinnert - und behauptet: "Niemand hatte je den Mut zu enthüllen, was damals wirklich passiert ist."

Die unbestrittenen Tatsachen lauten wie folgt: Nach einem 1:1 im Hinspiel und beim Stand von 1:0 für Marseille (mit dem späteren Bayern-Stürmer Jean-Pierre Papin und dem späteren 1860-Liebling Abedi Pelé) brach am Ende, als der Abpfiff erwartet wurde, Chaos aus: Zweimal stürmten Fotografen und Balljungen voreilig aufs Feld, dann ging plötzlich eines der Flutlichter aus.

Weil die Milan-Spieler (unter ihnen: Carlo Ancelotti, Paolo Maldini, Frank Rijkaard, Ruud Gullit) nicht aufs Feld zurückkehrten, brach Schiedsrichter Bo Karlsson die Partie ab. Am grünen Tisch wurde das Spiel mit 3:0 für Marseille gewertet, Milan obendrein noch für ein Jahr aus dem Europapokal ausgeschlossen. Der langjährige Geschäftsführer Adriano Galliani kassierte eine Zwei-Jahres-Sperre, weil er die Spieler zur Nicht-Rückkehr auf den Platz angestiftet hätte.

In Taveggias Version der Geschichte ist es jedoch - naturgemäß - nicht sein Klub, der die Schurkenrolle innehat. Es sind die Franzosen, auch Beckenbauer persönlich.

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Franz Beckenbauer 1990 in seiner Funktion als Technischer Direktor am Hafen von Marseille. (Bild: Getty Images)
Franz Beckenbauer 1990 in seiner Funktion als Technischer Direktor am Hafen von Marseille. (Bild: Getty Images)

Taveggia: Franz Beckenbauer plante "etwas Fieses"

"Ein paar Tage vor dem Spiel hat mich Uli Hoeneß angerufen, wir haben uns gut verstanden", berichtet Taveggia: "Er sagte mir, dass Beckenbauer für Milan in Frankreich etwas Fieses plante, womöglich gar etwas mit dem Essen, das für die Spieler im Hotel ausgegeben wurde."

Lebensmittel-Manipulation im Auftrag des deutschen Weltmeister-Trainers von 1990? Taveggia hätte deswegen kurzfristig umgebucht. Auch beim Abschlusstraining hätte es verdächtige Vorkommnisse gegeben, die Tore im Stade Vélodrome seien verschlossen gewesen, Bälle kaum auffindbar.

Die Sache mit dem Flutlicht? "Das wurde absichtlich abgeschaltet!" Der Techniker sei dazu angewiesen worden, um ein Feuerwerk, das bei einem Sieg Olympiques gezündet hätte werden sollen, optisch mehr hervorstechen zu lassen.

TV-Bilder offenbaren Widersprüche

Kann man diese Vorwürfe für voll nehmen? Beim Vergleich von Taveggias Darstellung des Abbruchs mit den Filmdokumenten von damals fallen in jedem Fall Ungereimtheiten auf.

Taveggia behauptet, dass sein Team das Spiel an sich fortsetzen hätte wollen, aber dass "Chaos" ausgebrochen sei. Schiedsrichter Karlsson habe die Teams zunächst angewiesen, vor Wiederaufnahme des Spiels in die Kabine zu gehen, die sei jedoch verschlossen gewesen. Dann wären die Türen doch aufgegangen und Karlsson hätte wieder angepfiffen, als "die Spieler in die Umkleide gingen. Es war zu spät zurückzukehren."

Tatsächlich ist auf den TV-Aufnahmen zu sehen, dass mindestens der große Teil der Milan-Spieler keineswegs in der Kabine war, als Karlsson sie aufforderte, auf den Platz zurückzugehen.

Der später gesperrte Galliani hatte die Geschichte bei der Pressekonferenz unmittelbar nach der Partie auch anders geschildert: "Ich fand, dass nicht genug Licht war und die Spieler hatten mir gesagt, dass sie nicht mehr in der richtigen Stimmung wären um weiterzumachen", wurde er damals zitiert.

Die UEFA wertete das damals als durchsichtigen Versuch, ein Wiederholungsspiel zu erzwingen, um die drohende Niederlage abzuwenden.

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