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Lorant: "Das war der größte Fehler von 1860"

Lorant: "Das war der größte Fehler von 1860"

Werner Lorant ist eine Trainer-Legende bei 1860 München.

Der inzwischen 72-Jährige prägte zwischen 1992 und 2002 eine Ära bei den Löwen. Er führte den Verein innerhalb von zwei Jahren von der damals drittklassigen Bayern-Liga in die Bundesliga und erreichte 1997 mit ihm dort den 7. Platz, was zur Qualifikation für den UEFA-Cup reichte.

In der Saison 2000/01 spielten die Sechziger unter Lorant sogar in der Champions-League-Qualifikation, unterlagen dort aber Leeds United. Heute lebt Werner "Beinhart", wie er zu seiner Zeit als Trainer genannt wurde, in Waging am See.

SPORT1 hat ihn dort besucht und mit ihm über seine Sechziger gesprochen, die in der 3. Liga Tabellenführer sind.

SPORT1: Herr Lorant, 1860 grüßt nach vier Spielen vom ersten Tabellenplatz. Zuletzt war das 2006/2007 in der 2. Bundesliga so. Was sagen Sie dazu?

Werner Lorant: Ich bin froh, dass die Löwen einen guten Start erwischt haben. Ich verstehe es sowieso nicht, dass es solange dauert, bis sie wieder mal eine Liga höher spielen. Früher war 1860 München einfach Bundesliga. Basta. Und diese Zeit wünscht sich jeder Fan der Blauen zurück. Ich bin erstaunt, dass es immer noch so viele Sechzig-Fans gibt. Ich mache immer noch das Jugendtraining hier in Waging, und da tragen immer noch viele Jugendliche ein Trikot von 1860. Das finde ich gut. Aber es gehört noch mehr dazu.

SPORT1: Was konkret?

Lorant: Wichtig ist das Stadion. Zu meiner Zeit war das Grünwalder Stadion ausverkauft, da war die Grünwalder Straße Stunden vor einem Heimspiel gesperrt. Dieses Feeling gibt einer Mannschaft den nötigen Push. Und diese Stimmung braucht ein Spieler, wenn er nach oben will.

Lorant: "Da haben wir uns oft gezofft"

SPORT1: Denken Sie noch oft an die Zeit zurück?

Lorant: Ja, deshalb würde ich mich ja so freuen, wenn dieses Gefühl wieder da wäre. Leider darf das Grünwalder Stadion durch Corona nicht mehr voll sein. Und Sechzig gehört für immer da hin. Das habe ich damals schon meinem Präsidenten gesagt (Karl-Heinz Wildmoser, Anm. d. Red.). Nämlich, dass wir nicht in die Allianz Arena müssen. Da kam er immer mit der elenden Parkplatzsituation, das hat mich aufgeregt. Da haben wir uns oft gezofft. Auch weil er zu viel Zeit damit verbrachte, sich mit den Roten (dem FC Bayern, Anm. d. Red.) wegen des Baus der Allianz Arena zu treffen. Er hatte immer weniger Zeit für Sechzig.

SPORT1: Lassen Sie uns wieder über die Aktualität sprechen. Im Sommer verließen viele Leistungsträger die Löwen. Es war doch überraschend, dass sie so gut aus den Startlöchern gekommen sind. Es ist wieder eine richtige Euphorie entstanden.

Lorant: Das ist auch gut so und freut mich sehr. Man sieht, dass man jeden Spieler ersetzen kann, gerade in dieser Liga. Wenn wichtige Spieler weggehen, dann lässt sich das ausgleichen. In der 2. Liga wird so was schon schwerer.

SPORT1: Sie haben offenbar keine gute Meinung von der 3. Liga.

Lorant: Das will ich nicht sagen, aber Sechzig gehört einfach nicht in diese Liga. Noch mal: Meine Löwen gehören an die Spitze der 2. Liga. Man muss sich nur mal vor Augen führen, wie lange sie schon in der 3. Liga rumdümpeln. Da wird mir schlecht.

SPORT1: Trainer Michael Köllner kam, sah und siegte. Oder?

Lorant: Ich kenne ihn nicht persönlich, bin froh, dass er einen sehr guten Job macht und der Verein mit ihm wieder nach vorne kommt. Vielleicht ist er genau der Typ, der zu Sechzig passt. Auch das Umfeld hat ihn sofort angenommen nach dem überraschenden Abschied von Daniel Bierofka. Ich hoffe, das bleibt alles so positiv, wie es sich gerade darstellt.

"Davon hat Ismaik keine Ahnung!"

SPORT1: Auch weil wieder Ruhe herrscht. Investor Hasan Ismaik hält sich seit Langem zurück.

Lorant: Es war schön und gut, dass er dem Verein einst finanziell geholfen hat. Aber man sollte sich nicht mit ihm über Fußball unterhalten, denn davon hat Ismaik keine Ahnung. Ich erkenne es wirklich an, dass er einst geholfen hat, damit der Klub wieder einigermaßen auf die Beine kommt. Aber mehr möchte ich zu diesem Mann nicht sagen.

SPORT1: Sie sind die Trainer-Legende bei 1860. Mit wie vielen Emotionen sind Sie heute noch bei Ihren Löwen?

Lorant: Ich freue mich immer, wenn sie gewinnen und auch wieder mal nach oben klettern. Ich wünsche dem Verein so sehr den Aufstieg. Sechzig ist ein Traditionsverein, der immer noch einen hohen Stellenwert in München hat. Auch wenn es da noch den großen Nachbarn gibt. Ich erinnere mich gerne an die Stadt-Derbys, das fehlt einfach. Deshalb finde ich es so schön, dass der Saisonstart gelungen ist. Jetzt hoffe ich, dass sie das weiter durchziehen.

SPORT1: Eine Gefahr ist natürlich, dass man bei 1860 zu schnell das Träumen anfängt.

Lorant: Ja, sicher ist das eine Gefahr. Man sollte erstmal die Arbeit machen - Jahr für Jahr. Erfolg muss konstant da sein. Man darf jetzt nicht schon von der Bundesliga reden, das ist noch ein ganz weiter Weg. Man muss diesen eingeschlagenen Weg jetzt einfach weitergehen. Mit kleinen Schritten. Träumerei ist absolut fehl am Platz.

SPORT1: Aber was muss passieren, damit 1860 dauerhaft oben mitspielt?

Lorant: Über die Qualität der einzelnen Spieler kann ich nichts sagen. Außer bei Sascha Mölders, der für Top-Leistungen steht. Er ist unbezahlbar. Ich glaube aber, dass er nicht mehr in der 2. Liga spielen kann. Dafür ist er für mich zu langsam. Wenn Sechzig aufsteigen sollte, dann könnte man es vielleicht schaffen, ihn noch mal zum Bleiben zu überreden. Als Standby-Profi. Und mit der nötigen Euphorie könnte es auch klappen.

Mölders der blaue Lewandowski?

SPORT1: Ist Mölders der Robert Lewandowski für Sechzig?

Lorant: Ja. Er ist unheimlich wichtig. Er ist das große Vorbild und wird sicher vieles in der Kabine klären können mit den Kollegen. So wie bei mir früher Peter Pacult. Das war damals eine verschworene Gemeinschaft. So kann heute auch der Aufstieg gelingen. Es ist wichtig, dass Ruhe herrscht - auch in den Köpfen der Jungs. Mölders alleine wird wissen, was gut für ihn ist. Er ist aber nicht mehr der Jüngste.

SPORT1: Wäre es noch mal ein Traum gewesen, wenn sich 1860 bei Ihnen gemeldet und Ihnen einen Job angeboten hätte?

Lorant: Ganz ehrlich? Ich hätte gerne den Sportdirektor gemacht. Dann hätte ich ihnen schon die richtigen Spieler gebracht, um aufzusteigen. Ich wollte kein Trainer mehr sein, aber Sportdirektor hätte ich mir wirklich vorstellen können. Das hätte mich gereizt.

SPORT1: Ist das der Hauptfehler, dass man nicht wie beim großen Nachbarn auf ehemalige Spieler setzt?

Lorant: Ja. Wer hat denn bei den Roten das Sagen? Alles frühere Spieler. Sie kennen und leben für den Verein. Doch da hat man bei Sechzig all die Jahre immer gedacht 'Ach, das schaffen wir schon alleine'. Ein Riesenfehler. Man hätte einige Ex-Spieler installieren müssen. Das ist enttäuschend genauso wie eine andere Sache.

Deshalb ist Lorant von 1860 "enttäuscht"

SPORT1: Was meinen Sie?

Lorant: Ich war zehn Jahre Trainer dort und habe noch nicht mal eine Ehrenkarte bekommen. Da bin ich schon enttäuscht. Das würde bei den Bayern nicht passieren. Da fehlt bei den Löwen noch vieles. Da musst du schlau sein und einfach rüber schauen zur Säbener Straße. Kleinigkeiten sind da wichtig. Ich habe aber damit abgeschlossen.

SPORT1: Was ist Ihr großer Wunsch für Ihre Löwen?

Lorant: Mein Wunsch ist der Aufstieg. Und sie müssen das in dieser Saison auch schaffen, um weiter zu kommen. Dann fahre ich laut hupend über die Grünwalder Straße - gerne auch Oberkörper frei. Das werde ich machen, kein Problem.