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Müller legt Bayerns Transfer-Dilemma offen

Beim FC Bayern läuft es sportlich rund. Schon am Samstag könnte der Rekordmeister gegen Mönchengladbach (Bundesliga: FC Bayern - Borussia Mönchengladbach, ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) den achten Titel in Serie einfahren. Aber fernab des Rasens stecken die Münchner im Transfer-Dilemma.

Wer sonst außer Thomas Müller hätte mit einem kleinen, aber sehr bedeutenden Nebensatz besser formulieren können, in welchem Konflikt sich nicht nur der deutsche Rekordmeister befindet?

"Es ist ein bisschen paradox, wenn man immer über Neuzugänge spricht und gleichzeitig Gehälter eingespart werden", sagte Müller nach dem Einzug ins Pokalfinale, nachdem er zuvor in üblicher und respektvoller Manier betont hatte, dass sich seine Bayern selbstredend um "extrem gute Spieler" wie Kai Havertz bemühen sollten.

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Jener Havertz, für den Bayer 04 Leverkusen mindestens 100 Millionen Euro verlangt. Zwischen 50 und 65 Millionen Euro dürften es für Leroy Sané werden. Für Ivan Perisic lag die festgeschriebene Ablöse bei 20 Millionen Euro.

Corona lässt Ablösesummen in anderem Licht erscheinen

Summen, die vor der Corona-Krise als normal wahrgenommen wurden, die aber spätestens seit dem Ausbruch der Pandemie und den sozialen und wirtschaftlichen Folgen in einem anderen Licht erscheinen.

Nahezu alle Vereine haben ihre teils fürstlich entlohnten Arbeitnehmer aufgrund fehlender Zuschauereinnahmen und TV-Gelder zum Gehaltsverzicht aufgefordert, um Existenzen zu sichern und Vereinsmitarbeitern, deren eigenes Jahresgehalt oft nicht mal einem Prozent des Jahreseinkommens eines Spielers entspricht, die Kurzarbeit zu ersparen.

Beim FC Bayern erklärten sich Spieler, Vorstand und der Aufsichtsrat im April dazu bereit, fortan auf 20 Prozent ihrer Brutto-Bezüge zu verzichten. Unlängst erklärte Präsident Herbert Hainer in der Bild am Sonntag, dass die Mannschaft sogar bis Saisonende auf ein Fünftel des Gehalts verzichten werde.

Also bis zum Pokalfinale Anfang Juli oder bis zum Abschluss der Champions League im August? Eine nicht unerhebliche Frage, denn solange Gehalt eingespart wird, stellt sich die Frage, wie der Klub im Poker um Sané und Havertz richtig und ethisch vertretbar handelt.

Bayern nahmen Vorreiterrolle ein

Die Münchner haben sich bereits vor Wochen mit Erfolg darum bemüht, in der Umsetzung des strengen DFL-Hygienekonzepts als Vorreiter in Fußball-Deutschland wahrgenommen zu werden. Auch über das Spielfeld hinaus agierten sie vorbildlich.

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Vertragsverlängerungen wurden mit Gesichtsmasken vollzogen, zuletzt spendete der Verein 480.000 Euro an die 18 Regionalligisten des Freistaats und den Bayerischen Landes-Sportverband. Eine Summe, die durch die Rückerstattung von Bayern-Tickets möglich wurde.

Was passiert, wenn der Verein in den kommenden Tagen den Sané-Transfer in Höhe von 50 Millionen Euro verkündet? Das Festgeldkonto kann sich diesen Betrag leisten, denn der Verein hat jahrelang solide gewirtschaftet.

Ebenso steht außer Frage, dass sich die Bayern verstärken wollen und auch müssen, wollen sie im internationalen Vergleich konkurrenzfähig bleiben.

Zudem wird auch die Konkurrenz auf dem Transfermarkt aktiv werden. Zuletzt schloss sich bereits Stürmer Mauro Icardi fest Paris St. Germain an. Über die Ablöse wurde zwar Stillschweigen vereinbart, die zuvor vereinbarte Kaufoption zwischen den Franzosen und Leih-Verein Inter Mailand lag jedoch bei schätzungsweise 70 Millionen Euro.

Fürchtet der FC Bayern den öffentlichen Aufschrei?

Nun ist Paris nicht der FC Bayern und obendrein läuft es im Scheich-Klub anders ab als beim FC Bayern.

Der öffentliche Aufschrei dürfte daher aber gewaltig sein, sollten die Münchner dieser Tage große Investitionen verkünden, getreu des moralischen Vorwurfs: "Schaut her, der Fußball-Wahnsinn ist zurück und die Bayern sind schuld daran."

Will der Klub sich diesen Schuh wirklich anziehen? Oder lässt er diese Debatte über sich ergehen, weil das Fußball-Leben bekanntlich weitergeht? Oder werden die Bayern Wegbereiter eines sich zur Vernunft wandelnden Marktes?

"Natürlich wollen wir beim FC Bayern immer die Spieler mit den besten Fähigkeiten haben", sagte Müller, aber er brachte eben auch zum Ausdruck, dass der Gehaltsverzicht des Teams an Erwartungen gekoppelt ist. XXL-Transfers müssten derzeit auch den eigenen Spielern verkauft werden. Denn Stand jetzt wirkt es so, als würden sie ihren möglichen Platz auf der Bayern-Bank mitfinanzieren.

In der Kontroverse zwischen Millionen-Transfers und Gehaltsverzicht geht es um mehr als nur das richtige Timing von Transfers. Es geht um Ideale, Werte und Ethik, die bekanntermaßen Ausdruck des richtigen Handeln und Tuns ist.

Für die Verantwortlichen des FC Bayern dürfte dieser Spagat vielleicht die größte Herausforderung im kommenden Transfersommer werden. Womöglich zögern die Bayern-Bosse auf dem Transfermarkt aus diesem Grund. Denn was zuletzt vielfach Anerkennung fand, kann morgen schon nichts mehr wert sein.